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Mehr Sanktionen gegen ArbeitsloseTermin verpasst? Geld gekürzt

Die Jobcenter haben 2016 mehr Langzeitarbeitslose bestraft – meistens wegen verpasster Termine. In einem Drittel der Fälle wohnten Kinder im Haushalt.

Offene Tür für „Willkür und der Rechtsunsicherheit“: Mensch vor der Arbeitsagentur Foto: dpa

Berlin dpa | Im vergangenen Jahr haben die Jobcenter mehr Hartz-IV-Bezieher mit Sanktionen belegt. 2016 waren im Schnitt monatlich 134.390 Menschen von Leistungskürzungen betroffen, im Jahr zuvor waren es nur 131.520, wie die Funke Mediengruppe unter Berufung auf eine Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken berichtete. Demnach lebten in jedem dritten betroffenen Haushalt Kinder. Auch diese Zahl sei um 1.700 auf 44.400 im Monatsdurchschnitt gestiegen, hieß es.

Der Großteil der Sanktionen wird wegen Meldeversäumnissen ausgesprochen – etwa wenn die Bezieher unentschuldigt einen Termin beim Jobcenter verstreichen lassen. Häufig kommt es auch zu Sanktionen, weil eine Arbeitsstelle oder ein Ausbildungsplatz nicht angetreten wurde.

Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping kritisierte die Sanktionen als Verletzung des Grundrechts auf ein Existenzminimum. „Traurig ist, dass viele Familien mit Kindern betroffen sind. Die kärglichen Hartz-IV-Leistungen werden noch mehr beschnitten“, sagte sie.

Die Zahlen zeigen aus ihrer Sicht auch, dass die Sanktionsmöglichkeit der Willkür und der Rechtsunsicherheit Tür und Tor öffne. Die Linke fordere daher die sofortige Abschaffung der Sanktionen bei Hartz IV und eine sanktionsfreie Mindestsicherung von 1.050 Euro.

Dem Bericht zufolge wurde von 50.805 Widersprüchen 18.667 ganz oder teilweise stattgegeben. Auch fast 38 Prozent der 5.485 Klagen gegen Sanktionen wurde mindestens teilweise stattgegeben.

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33 Kommentare

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  • taz: "Dem Bericht zufolge wurde von 50.805 Widersprüchen 18.667 ganz oder teilweise stattgegeben. Auch fast 38 Prozent der 5.485 Klagen gegen Sanktionen wurde mindestens teilweise stattgegeben."

     

    Wenn noch mehr ALG II Bezieher den Mut hätten sich juristisch gegen die Bundesagentur für Arbeit zu wehren, dann wären erfolgreiche Klagen gegen die BA sicherlich noch um einiges höher. Leider ist dem Bundesbürger aber seit frühester Jugend eingebleut worden, dass man sich gegen eine Behörde nicht zur Wehr zu setzen hat. Der preußische Innen- und Staatsminister Gustav von Rochow (1792 - 1847) formulierte es einmal so: "Es ist dem Untertanen untersagt, den Maßstab seiner beschränkten Einsicht an die Handlungen der Obrigkeit anzulegen!"

     

    Dass die Jobcenter keine Arbeit mehr vermitteln von dem ein Mensch auch leben kann, das hat sich ja mittlerweile schon herumgesprochen und das die Hilfsarbeiterjobs, die Hartz IV Empfänger aufgedrängt bekommen, nur der Schönung der Arbeitslosenstatistik dienen, ist auch kein Geheimnis mehr.

     

    Kommen wir jetzt zu den Sanktionen, mit denen man erwachsene Menschen disziplinieren und einschüchtern möchte. In einem einschlägigen Urteil des Bundesverwaltungsgerichts von 1954 hieß es: "Mit dem Gedanken des demokratischen Staates wäre es unvereinbar, dass zahlreiche Bürger, die als Wähler die Staatsgewalt mitgestalten, ihr gleichzeitig hinsichtlich ihrer Existenzsicherung ohne eigenes Recht gegenüberständen" (BVerwGE 1/161f.). Man erkennt an dem Urteil von 1954, dass man damals auch als arbeitsloser Bürger noch Teil der Gesellschaft war und man Rechte hatte. Heute sind 5 Millionen Hartz IV Bezieher Bürger dritter Klasse in Deutschland geworden, die keine Rechte mehr besitzen und für die der Art. 20 GG (... demokratischer und sozialer Bundesstaat) und der Art. 1 GG (Die Würde des Menschen ist unantastbar ...) nicht mehr gilt.

    • @Ricky-13:

      "Wenn noch mehr ALG II Bezieher den Mut hätten sich juristisch gegen die Bundesagentur für Arbeit zu wehren, dann wären erfolgreiche Klagen gegen die BA sicherlich noch um einiges höher."

      Ohne Anwalt kann mensch das wohl vergessen und bei Mißerfolg bezahlt mensch den selber. Lohnt sich dann wegen 10% für 3 Monate=127€ auch nicht unbedingt, auch ohne Anwalt.

      Wie in dem vorherigen Post meinerseits, mensch erduldet schnell sowas da er sich nicht mehr als notwendig mit dem Verein rumärgern will und/oder kann.

      • @Hugo:

        Zunächst einmal besteht kein Vertretungszwang vor dem Sozialgericht, also muss man auch keinen Rechtsanwalt mitbringen. Das Verfahren ist für Versicherte, Sozialleistungsempfänger sowie für behinderte Menschen und solche, die im Fall des Obsiegen als solche anzusehen wären, gerichtskostenfrei. Wenn man aber einen Rechtsanwalt an seiner Seite haben möchte, dann gibt es viele Sozialverbände, wie z.B. den SoVD, der einem einen Rechtsanwalt stellt, oder wie weiter unten im Kommentar von Dhimitry schon angeführt wurde, der Verein "Sanktionsfrei" wo auch Inge Hannemann mitmacht.

         

        Die Frage ist doch, ob man sich als ALG II Bezieher weiterhin wie ein Kleinkind vom Jobcenter behandeln lassen will und sich auch noch die Paar Euro Existenzminimum aus der Tasche ziehen lässt oder ob man als ALG II Bezieher seine Würde wieder zurück erlangen möchte und sich endlich gegen Willkür wehrt.

        • @Ricky-13:

          Jo, ist ja richtig, sich zu wehren, nur wie erwähnt, dafür hat mensch im Zweifelsfall einfach keine Nerven. Und gegen Einladungen kann mensch nix machen, da muß mensch hin, Fordern und Fördern haha.

          Da geht mensch halt hin (so möglich) läßt sich 10 min zulabern, unterschreibt ne Eingliederungsvereinbarung (muß mensch nicht, nur unter Vorbehalt, ich weiß, drauf geschissen, einfach raus da aus dem Gebäude) und hofft, den nächsten Brief erst zwei Monate später zu kriegen. Und sitzt halt dann wieder wie das Kaninchen vor der Schlange.

          Zielführender ist (war dann irgendwann mein Weg), denen des zu erzählen, da geht mensch halt mal dort zum Amtstierarzt und dann zum Amtstierpsychologen, labert die zu und dann hat mensch etwas Ruhe und muß ned jeden Scheiß mitmachen. Z.B. sind der überwiegende Teil der Maßnahmen zur Statistikbeschönigung für die Tonne. K.A. wieviel Kohle da für den Speckgürtel rund ums AA/JC rausgeballert wird, aber bringen tuts nix, da hängt mensch wirklich kindergartenmäßig den ganzen Tag als Opfer mit Opfern zusammen und kriegt dort die ganzen Schicksale der Leute erzählt. (Eigen-)Motivation fördern geht irgendwie anders.

          Ich hab da mal eine nach zwei Wochen abgebrochen, das ging halt weil ich dort beim Arzt war.

          Etc. pp. .

          • @Hugo:

            "Jo, ist ja richtig, sich zu wehren, nur wie erwähnt, dafür hat mensch im Zweifelsfall einfach keine Nerven."

             

            Ich weiß natürlich was Sie meinen und das ist ja auch der Trick der BA und der Jobcenter, die ALG II Bezieher so lange "mürbe zu machen" bis sie keine Kraft mehr haben und wie Schlachtvieh alles über sich ergehen lassen. Bei real 5 bis 6 Millionen Arbeitslosen (ALG I und ALG II), auf die eine Million offene Stellen kommen (meistens im Niedriglohnbereich und bei dubiosen Zeitarbeitsfirmen), ist klar, dass die Bundesagentur für Arbeit sich etwas ausdenken muss, damit der Bürger da draußen nicht die Wahrheit mitbekommt, dass es gar nicht mehr genügend Arbeitsstellen für alle erwerbsfähigen Bürger gibt. Und damit der Hartz IV Empfänger nicht auf die Idee kommt aufzubegehren, muss man ihm frühzeitig das Rückgrat brechen, damit er schön brav ist und sich als Hilfsarbeiter vermitteln lässt, um die Arbeitslosenquote zu schönen und mit seiner Arbeitskraft dubiose Zeitarbeitsfirmen noch reicher macht.

             

            Aber diejenigen, die noch die Kraft haben sich gegen dieses unmenschliche System zu wehren, die sollten alle Möglichkeiten nutzen um dieses System zu bekämpfen. Selbst wenn eine Klage nicht zum Erfolg führt, so zeigt man der BA und dem BMAS dennoch, dass man ein freier Bürger in einem demokratischen Rechtsstaat (Art. 20 GG) ist und seine demokratischen Rechte in Anspruch nimmt, um sich gegen Schikane und Willkür einer Behörde zu wehren. Je mehr Klagen dem Sozialgericht auch vorgelegt werden um so mehr wird das Hartz-IV-System auch in Frage gestellt werden. Wir sollten also dafür kämpfen, dass der Art. 1 GG und der Art. 20 GG auch wieder für Hartz IV Empfänger gilt, und wir sollten auch dafür kämpfen, dass Hartz IV Menschen ihre Würde wieder zurückerlangen.

            • @Ricky-13:

              Die Würde wird eher im sozialen Umfeld angeknabbert, wer arbeiten will blablabla...etc. .

              Und wenn ich von jedem Bekannten/Verwandten, der nur dafür arbeitet, damit ich Hart IV krieg, seine Steuern kriegen würde, hm, da bräuchte ich mir keine Sorgen ob meines Lebensunterhaltes machen und mir morgen den neuen SLK bestellen haha...

  • 6G
    64457 (Profil gelöscht)

    Ich sass mal auf dem Amt und musste mich nach allen Regeln der Kunst rnterputzenlassen, weil meine Bewerbungen bisher keinen Erfolg hatten. Komme nach Hause, AB blinkt, kurzfriste Einladung zum Vorstellungsgespräch jetzt sofort. Leider zu spät!

  • Sanktionen allein helfen nicht. Es fehlt an der Einsichtsfähigkeit bestimmter Betroffener. Vielen geht eine Einladung einer Behörde einfach am Arsch vorbei und das ist das eigentliche Problem.

    Allerdings wird gerne sanktioniert, das ist nämlich viel einfacher als zu vermitteln. Und bringt Belobigungen!!

    • @Querdenker:

      Hätten Sie Hochachtung vor einer Institution, die Sie drangsaliert und sanktioniert?

      Sie schreiben: "Sanktionen allein helfen nicht." Demnach finden Sie Sanktionen des mickrigen, staatlich zugestandenen Existenzminimums dennoch ok?

  • Die Hauptsache man kann bestrafen. Viele soziale Systeme leiten einen Teil ihrer Selbstberechtigung oder Selbsreferenz aus einem Sanktionssystem ab. Unsere ganze Gesellschaft basiert ja darauf, dass wir bestimmte Dinge nicht tun oder nicht mehr tun. Beim Jobcenter muss der Staat die kapitalistische Ordnung den Arbeitslosen um die Ohren hauen, damit der ganze Bluff noch zieht, von wegen Fleiß, Gehorsam, Einkommen, Sicherheit - dass jeder sofort auskömmlich arbeiten kann, was nachweislich eine Lüge ist.

     

    Deswegen denkt man sich dann solche Narreteien aus und schädigt dabei dei Arbeitslosen und deren Kinder noch dazu. Besser kann man ein brüchiges Wirtschaftssystem offenbar nicht aufrechterhalten.

     

    Rein rational ist es unglaublich, dass in Deutschland solche Formen von Sanktionen so angewendet werden. Aber das ist ja eben die Leistung der SPD und die schickt ja gerade einen Kuschelbär ins Rennen ums Kanzleramt ...

  • Was heißt "Großteil" und "häufig" in Zahlen?

  • Die verschicken gelbe Briefe=Einschreiben, die schicken einem auch einen Tag vorm Termin noch ne SMS, hier zumindest. Wenn mensch eine gute Betreuerin hat, wird auch mal eine tel. Absage akzeptiert wenn der Weg zum Arzt (Provinz) ungefähr genauso schwierig ist wie der aufs Amt/JC. Ebenso kann mensch die Vermittlerin auch ablehnen, wenn die einem blöd kommt und kriegt ne andere (bei mir isses jetzt die für die ganz schwierigen Fälle haha).

     

    Wenn Kinder vorhanden ist es aber schon ein ganz mieses Spiel, zu sanktionieren.

     

    Irgendwo steckt halt hinter der Nichtwahrnehmung der Termine auch bei Kinderlosen zumeist mehr als "nicht aus dem Nest gekommen".

     

    Kann mich aber z.Zt. nicht beschweren, im Rahmen der Möglichkeiten behandeln die mich durchaus fair.

  • Ui, zuviel INSM-Propaganda zum Frühstück gehabt? Es langt schon, dass einer der Vorla..äh.. "Einladungs"-Briefe mal in der Post verloren geht (die die AAs übrigens nicht per Einschreiben verschicken), und schon haben Sie einen "Termin verpasst" und bekommen das EXISTENZMINIMUM gestrichen. Ebenso, wenn die Post mal 1 Tag länger unterwegs ist oder Sie mal 1 Tag nicht in den Briefkasten schauen, denn die "Einladungen" werden gerne mal kurzfristigst für vergeben. Wer Arbeitssuchend ist, hat nämlich gefälligst 24/7 zur Verfügung zu stehen.

    Ist Ihnen übrigens mal die hohe Zahl an Klagen gegen Sanktionen aufgefallen, die vor Gericht Recht bekommen? (Und das sind nur die wenigen, die es wagen und noch die Energie haben, gegen dieses System aufzubegehren.) Die Kürzung des EXISTENZMINIMUMS auch in diesen RECHTSWIDRIGEN Fällen findet erstmal trotzdem statt.. und nicht etwa erst nach einer Prüfung, ob sie überhaupt rechtens waren oder nicht. Arbeitssuchende, die unrechtmäßig sanktioniert wurden, dürfen also in der meist langen Zeit bis zu klärenden Gerichtsbeschlüssen ggf. unter der Brücke schlafen oder sich ihr Essen aus Mülltonnen zusammensuchen, wenn sie nicht noch heimlich paar Kröten unter der Matratze versteckt haben.

    Vielleicht erinnern Sie sich auch nochmals daran, dass die Strafen für Terminversäumnisse nicht etwa aus Fernsehentzug, einer Streichung irgendwelcher Annehmlichkeiten, oder gar Arbeitsdiensten oä besteht... sondern aus einer Kürzung dessen, was schon als absolutes MINIMUM zur bloßen EXISTENZ festgelegt wurde.

    Selbst in "berechtigten" Sanktionsfällen entspricht Ihre "Wer einen Termin verpasst, hat Strafe verdient"-Haltung also de facto der Aussage "Wer einen Termin verpasst, soll zur Strafe nicht mehr existieren." Geht’s noch?

    Auf die Arbeitsangebote vom Stile "unterbezahlter Mist in Callcentern, wo Omas irgendein Schrott angedreht wird", und was diese gesamtgesellschaftlich auch für IHR Lohnniveau bedeuten, will ich mal gar nicht näher eingehen.

    • @kami:

      ^Das war eigentlich eine Antwort auf den zynischen Kommentar von Frank Stippel weiter unten.

    • @kami:

      Das ist was, das wirklich gesagt werden muss. Und zwar oft genug: Ein Gesetz zu erlassen, mit dem Leute weniger bleibt als das Existenzminimum, ist ein Bruch des Grundgesetzes.

       

      Leider ist der Bruch des Grundgesetzes nicht strafbar.

       

      Gibt es inzwischen Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zu den Sanktionen? Ich kenne bisher nur:

       

      - Keine Verfassungsfrage, da die entsprechende Sanktion eh Rechtswidrig war: http://www.taz.de/!5307046/

      - Kein Urteil wegen Formfehler in der Klage: http://www.taz.de/!5352064/

      - Viele Urteile in niedrigerer Instanz: http://www.hartziv.org/urteile

      • @Arne Babenhauserheide:

        Hm, doch, hier gab es noch ein Urteil:

        http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/02/ls20100209_1bvl000109.html

         

        "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind."

    • @kami:

      Danke für Ihren Kommentar! Manchen Egos/Zombies scheint nicht mal die Menschenrechte zu interessieren ...

      Dass das HarztIV-System seit seiner Existenz nicht mal in Gänze vom Verfassungsgericht gekippt wurde, zeigt einmal mehr die verlogene Seite des vorgeblichen Recht-/Sozialstaates...

  • Paßt doch. Wenn man den Hartz IV Executor Steinmeier (der die Sanktionen für die Bertelsmann's Stiftung veranktert hat) dafür und für seine aggressive Außenpolitik zum Bundespräsidenten macht, hat man wieder gezeigt, welchen Beispielen man in diesem Land nacheifern muß, damit die Karriere gut läuft.

  • Ist es ja weißgott nicht so, dass nur das Grundrecht auf Existenzminimum, dessen Berechnung sich hierzulande ohnehin nicht an den Realitäten ausrichtet, durch H4 beschnitten würde:

    Anwesenheitspflicht? Verstoß gegen Art. 11 GG. Arbeitspflicht? Verstoß gegen Art. 12 GG.

     

    Es stellt sich fürderhin auch die Frage, auf welcher Rechtsgrundlage die Sanktionen überhaupt verhängt werden. Die beigefügte Rechtsbehelfsbelehrung verweist auf Versäumnisse, die im Zusammenhang mit einer Ladung stehen. Diese spricht das JobCenter aber niemals aus: Es verschickt Einladungen, keine Ladungen. Wer sich Rechtssicherheit verschaffen will, sollte eine schriftliche Anfrage ans Jobenter stellen, zur Klärung der Rechtssicherheit.

     

    Wenn dann nichts kommt: Untätigkeitsklage. Wird auf niederrangige Gesetze verwiesen, die im Widerspruch zu den Grundrechten stehen, so hat man den Beleg, dass hier Rehtstäuschung vorliegt und die Rechtsnormenhierarchie willkürlich außer Kraft gesetzt wird: Art. 20 GG. Das gibt dann in Abs. 4 auch vor, was in einem solchen Fall zu tun ist.

    • 1G
      10236 (Profil gelöscht)
      @UBVW:

      "Anwesenheitspflicht? Verstoß gegen Art. 11 GG. Arbeitspflicht? Verstoß gegen Art. 12 GG."

       

      ich glaube kaum, dass HartzIV juristisch etwas mit GG zu tun hat. Prinzipiell wird es von den Gerichten immer gesehen als Entscheidung: Freiheit oder Sozialleistung gesehen.

       

      Die Fragestellung: Rechts auf Sozialminimum ohne Gegenleistung ist ein heißes Eisen und wird vom BVerfG bisher abgelehnt (formelle Gründe).

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Ich denke schon, dass jeder sich an das Grundgesetz als oberste Hüterin unseres Rechtsstaates zu halten hat, also auch Behörden und Gerichte. Und auch das Zitiergebot (Art. 19 Abs. 1 GG) und die Normenhierarchie, also "lex superior derogat legi inferiori" (das ranghöhere Gesetz verdrängt das rangniedere), haben sich die Väter des Grundgesetzes ja nicht aus Jux und Zeitvertreib ausgedacht, auch wenn die Juristen der BA mit juristischer Hermeneutik versuchen das Grundgesetz so auszulegen wie sie es gerne hätten.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Doch, HartzIV hat juristisch sehr wohl etwas mit dem GG zu tun und das BVerfG hat auch schon entsprechend geurteilt. Arne Babenhauserheide hat das in einem seiner Kommenate schon verlinkt, ich zitiere hier nochmal:

         

        "Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind."

         

        Nachdem die Grundsicherung also so höchstrichterlich mit der Würde des Menschen aus Art 1 GG verbunden ist und diese Würde unantastbar ist, ergibt sich daraus eigentlich logischerweise, dass das jetzige Sanktionssystem ganz eklatant verfassungswidrig ist.

        Diese Schlussfolgerung auch mal explizit auszusprechen, davor haben sie sich allerdings in der Tat gedrückt. Und alle machen mit bei diesem Wahnsinn und kein Aufschrei geht durch's Land.

         

        Stattdessen machen die abgehängten oder Abstiegsangst-verängstigten Empörten lieber Schwule und Muslime für den Untergang unserer Werte verantwortlich, während der Hauptarchitekt der Agenda 2010 zum BuPrä gescheinwählt wird. Es ist echt zum Haareraufen. Man könnte meinen, es grassiert irgendein Verblödungsvirus.

      • @10236 (Profil gelöscht):

        Das hat mit Glauben nichts zu tun. Es gibt eine Rechtsnormenhierarchie; Höherrangiges Recht bricht niederrangiges Recht. So wie Bundesrecht Länderrecht brechen kann, müssen sich alle deutschen Gesetze dem Grundgesetz unterordnen. Siehe Art. 20 GG. Tun Sie es nicht, sind sie nicht rechtskonform.

         

        Die sog. Grundrechte des GG, die ersten 20, sind Abwehrrechte des Bürgers gegen zu viel Willkür des Staates.

        • 1G
          10236 (Profil gelöscht)
          @UBVW:

          @KAMI@UBVW

           

          Also Rechtnormenhierarchie ist mir natürlich bekannt (2 Semester öff. recht ;), es ging mir vielmehr um die Praxis der Gerichte (auch des BVerfG).

           

          z.B. bei der Höhe von HartzIV sehen wir eine deutliche Abkehr von der gesellschaftlichen Teilhabe zur bloßen Existenzsicherung.

           

          Bei dem zitierten Urteil (http://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2010/02/ls20100209_1bvl000109.html) frage ich mich, ob die Formulierung, dass dieses Grundrecht "jedem Hilfebedürftigen" zusteht einen gewissen Spielraum für Interpretationen zuläßt. So weit ich weiß wurde z.B. die Klage vor dem BVerfG gegn Arbeitszwang abgelehnt. Aus formellen Gründen.

  • 7G
    74450 (Profil gelöscht)

    Vorweg an alle Schreibtischnörgler: Mitmachen statt Jammern!

    https://sanktionsfrei.de/

  • Jeder Sachbearbeiter dieser Unrechtsbehörde kann, falls er/sie morgens schlecht gelaunt aufwacht, seinen/ihren Frust direkt an den ihnen anvertrauten Hilfesuchenden frank und frei austoben...

    Das bedingungslose Grundeinkommen muss kommen!

  • Es gibt einen tollen Trick wie man Sanktionen umgeht. Man nimmt Termine wahr und ggf. Arbeit an.

    • @Frank Stippel:

      Was für ein blanker Hohn und Zynismus. Widerlich!

      • @Uranus:

        Normales Verhalten ist Hohn und Zynismus? Die Aufforderung zur Eigenverantwortung ist widerlich? [...]

         

        Die Moderation: Kommentar gekürzt, bitte bleiben Sie sachlich.

    • @Frank Stippel:

      Es ist schwer, Termine wahrzunehmen, wenn die Einladung 2 Tage nach dem Termin im Briefkasten liegt. Und wenn einem Arbeit angeboten wird, die man nicht ausführen KANN, was das Jobcenter auch weiß, was dann? Wenn man als Sehbehinderter Mensch Bildschirmarbeit angeboten bekommt und zum Vorstellungsgespräch durch die halbe Republik reisen soll, was wegen der gesundheitlichen Situation eine Übernachtung erforderlich macht, die das Jobcenter aber nicht übernimmt? Das zahlt nur Reisekosten. Es gibt viele Gründe, mit dem Jobcenter aneinanderzugeraten. Faulheit des HartzIV-Beziehers ist einer davon. Willkür und Unmenschlichkeit des Jobcenters sind aber weitere.

      • @Frida Gold:

        Faul? Und wenn schon! Anhand konstanter Arbeitslosigkeit ist doch offensichtlich, dass Vollbeschäftigung eine Illusion ist. Des weiteren hat Prekarisierung zugenommen. Wer will da so eine Arbeit annehmen?

    • 8G
      80336 (Profil gelöscht)
      @Frank Stippel:

      Dass dieser "tolle" Trick" auch nicht aus der Not helfen wird, kann Ihnen bereits ein Grundschüler vorrechnen:

       

      Existenzminimum / Notbedarf, z. B. bei

      Miete: 600 €

      Heizung: 150 €

      3 Kinder

      = 2.399 €

      – 582 € Kindergeld

      = 1.817 € Hartz IV

       

      siehe http://www.hartziv.org/hartz-iv-rechner.html

       

      Bei 1.817 € Brutto-Einkommen:

      LSt: 0 €

      RV: 169,89 €

      AV: 27,26 €

      KV: 152,63 €

      PV: 23,17 €

      Summe Abzüge: 372,94 €

      Netto: 1.444,06 €

       

      Bei Mindestlohn: 8,84 € * 8 *21 = 1.485,12 €

      RV: 138,85 €

      AV: 22,28 €

      KV: 124,74 €

      PV: 18,93 €

      Summe Abzüge: 304,80 €

      Netto: 1.180,20 €

       

      sieh http://www.brutto-netto-rechner.info/gehalt/lohnsteuerrechner.php

  • Im Artikel steht: „dem Bericht zufolge...“.

    Welchem Bericht? Und wo kann man den runterladen?