Meduza-Auswahl 25. April – 1. Mai: Was wird dann aus Tschetschenien?
Ramsan Kadyrow, Oberhaupt Tschetscheniens, soll schwer erkankt sein. Derweil steigt der Druck auf Tadschiken in Russland. Texte aus dem Exil.
Das russisch- und englischsprachige Portal Meduza zählt zu den wichtigsten unabhängigen russischen Medien. Im Januar 2023 wurde Meduza in Russland komplett verboten. Doch Meduza erhebt weiterhin seine Stimme gegen den Krieg – aus dem Exil. Die taz präsentiert seit 1. März 2023 unter taz.de/meduza immer mittwochs in einer wöchentlichen Auswahl, worüber Meduza aktuell berichtet. Das Projekt wird von der taz Panter Stiftung gefördert.
In der Woche vom 25. April bis zum 1. Mai 2024 berichtete Meduza unter anderem über folgende Themen:
Einreiseverbot, Razzie, Festnahme, Abschiebung
Tausenden von tadschikischen Staatsbürgern wird derzeit die Einreise nach Russland verweigert. So lautet eine Pressemitteilung des Außenministeriums Tadschikistans. Am 27. April durften etwa 954 Menschen die Transitzone des Moskauer Flughafens Vnukovo nicht verlassen. Dutzende weitere tadschikische Bürger:innen sind an den anderen Moskauer Flughäfen Schukowski, Domodedowo und Scheremetjewo gestrandet. Darüber berichtet Meduza in diesem Beitrag (russischer Text).
Bereits Ende März hatte eine Menschenrechtsorganisation über eine groß angelegte „Operation“ gegen ausländische Bürger:innen in Russland berichtet. Vor allem die Strafverfolgungsbehörden in St. Petersburg sollen Operationen gegen Migrant:innen durchführen. Ausländische Bürger:innen, die kein Recht auf Aufenthalt in Russland haben, sollen sie identifizieren und abzuschieben.
Ein Anwalt, der einige Betroffene vertritt, berichtet, dass vermehrt Razzien in Wohnheimen und Wohnungen durchgeführt würden. Gerichte in St. Petersburg gaben außerdem an, dass sie allein zwischen dem 25. und 29. März über hunderte Zwangsausweisungen von Ausländern aus Russland beschieden hätten.
Immer mehr Verfahren gegen unabhängige Medien
Russland verschärft die Konsequenzen für die Mitarbeit bei unabhängigen Medien. Das unabhängige Medium Mediazona berichtet, dass die russischen Behörden in den letzten Monaten die Strafverfolgung wegen angeblicher Beteiligung an als „unerwünscht“ eingestuften Medien deutlich verschärft haben. Die meisten Fälle sollen Meduza betreffen, das 2021 als „ausländischer Agent“ und im Januar 2023 als „unerwünschte Organisation“ eingestuft wurde. Der nächste Schritt wäre die Einstufung des Exilmediums als „terroristische Organisation“.
Meduza fasst die Fälle in diesem Artikel zusammen (englischer Text). Zwei Beispiele: Im April wurde der Journalist Dmitry Kuznets wegen eines Auftritts in einem Meduza-Podcast zu einer Geldstrafe von 10.000 Rubel (etwa 100 Euro) verurteilt. Auch die freie Journalistin Anastasia Zhvik wurde angeklagt, nachdem sie einen Beitrag auf der Webseite von Meduza veröffentlicht hatte.
Wie schlecht geht es Ramsan Kadyrow?
Der Gesundheitszustand des Oberhauptes der Republik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, scheint immer schlechter zu werden. Vor einigen Tagen wurde auf seinem Telegrammkanal ein Video veröffentlicht, in dem er sich kaum bewegt und undeutlich spricht. In dem Video war sein Kabinett bei einer Sitzung zum Krieg in der Ukraine zu sehen. Bereits 2019 hatte die unabhängige russische Zeitung Nowaja Gaseta über die Diagnose einer Bauchspeicheldrüsennekrose bei Kadyrow berichtet.
In einer neuen Podcastfolge von The Naked Pravda geht es um den Gesundheitszustand des tschetschenischen Politiker, der für Präsident Wladimir Putin eine wichtige Stütze ist. Der Chefredakteur von Nowaja Gaseta Europe, Kirill Martynov, ist zu Gast, und diskutiert mit: Warum ist Kadyrow als Oberhaupt von Tschetschenien so schwer zu ersetzen? (englischer Text).
Wie Meduza in einem Gefängnis populär wurde
Im Jahr 2014 wurde der aus Jekaterinburg stammende Alexander Paranuk wegen Drogenbesitzes verhaftet. Paranuk weist die Vorwürfe zurück, seine ehemaligen Geschäftspartner hätten ihn gelinkt. Trotzdem wurde er zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Während seiner Zeit im Gefängnis verbreitete er Meduza-Artikel unter seinen Mitgefangenen und begann auch selbst mit dem Schreiben. Meduza-Sonderkorrespondentin Lilia Japparowa sprach traf Paranuk und sprach mit ihm darüber, wie 10 Jahre hinter Gittern seine Ansichten über Russland verändert haben (englischer Text).
Paranuk verfasste im Gefängnis Berichte über die dortigen Geschehnisse und schickte sie an seine Mitgefangenen. Zensiert wurden sie nicht, dennoch war er vorsichtig mit dem, was er schrieb, erzählt er. „Einmal habe ich einen friedlichen Protest verursacht. Fast die Hälfte der Häftlinge gingen damals auf den Exerzierplatz und verlangten, dass das Gefängnispersonal aufhört, sie zu schlagen“, erinnert er sich.
Nachdem der Artikel über ihn bei Meduza publiziert wurde, erfuhr das Exilmedium dass Paranuk im Gefängnis verlegt wurde. Angeblich aus Gründen, die nichts mit Meduza und seinem Bericht über ihn zu tun haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Machtkämpfe in Seoul
Südkoreas Präsident ruft Kriegsrecht aus
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Ineffizienter Sozialstaat
Geteilte Zuständigkeiten
Gesetzentwurf aus dem Justizministerium
Fußfessel für prügelnde Männer
Europarat beschließt neuen Schutzstatus
Harte Zeiten für den Wolf