Medienrechtler über Klage gegen WAZ: „Eine unsichere Strategie“
Das Verteidigungsministerium verklagt die „WAZ“, weil sie Geheimdokumente veröffentlichte. Markus Kompa sieht kaum Chancen für die Behörde.
taz: Herr Kompa, die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) hat Ärger mit dem Verteidigungsministerium, weil sie geheime Bundeswehr-Papiere aus Afghanistan ins Netz gestellt hat. Wer hat nun Recht?
Markus Kompa: Der Stand des Verteidigungsministeriums ist ziemlich schwach. Es sieht durch die Veröffentlichung das Urheberrecht verletzt. Das ist in dem Fall eine unsichere Strategie.
Wieso unsicher?
Weil das Urheberrecht nicht die Aufgabe hat, Dinge geheimzuhalten. Es soll auch nicht Informationen dem öffentlichen Wissen entziehen. Sondern es soll wirtschaftliche und ideelle Interessen schützen. Aber diese Papiere sind nicht zum Geldverdienen geschrieben worden, sondern um die Mitglieder des Bundestags zu unterrichten.
Und dann sind die Papiere frei?
Das deutsche Urheberrecht schützt Werke, die einen Mindeststandard an Schöpfungshöhe haben. Der wird bei solchen sachlichen Berichten nicht erreicht. Zudem handelt es sich um quasi amtliche Werke. Amtliche Werke – wie Urteile, Gesetzestexte und Verordnungen – sind öffentliche Werke. Die sind von vornherein vom Urheberrecht ausgenommen. Allerdings muss ich einschränken: Die Afghanistan-Papiere sind eigentlich keine amtlichen Werke, weil sie nicht offiziell veröffentlicht sind.
41, Rechtsanwalt aus Münster. Er berät Blogger und Whistleblower, kandidiert auf der Piraten-Landesliste NRW für den Bundestag und bloggt unter www.kanzleikompa.de.
Auf den Dokumenten steht dick „Nur für den Dienstgebrauch“. Darf denn jeder einfach geheime amtliche Dokumente ins Netz stellen?
Nein, einfach so nicht. Aber das ist keine Frage des Urheberrechts – doch nur darauf beruft sich das Ministerium.
Das Ministerium kann also noch auf andere Weise verlangen, die Papiere zu löschen?
Nein. Jetzt sind sie ja geleakt und damit ist das Thema durch.
So einfach ist das also: Ich lade etwas hoch, und schon ist die Geheimhaltung futsch?
Man könnte damit Rechtsbruch begehen. Wir sehen es gerade in den USA, wo der Journalist James Risen in den Knast gehen soll, weil er seine Quelle beim Geheimdienst CIA nicht preisgeben will. Journalisten bewegen sich immer im Spannungsfeld, wenn sie über Staatsgeheimnisse berichten. In den Afghanistan-Papieren werden Staatsgeheimnisse verraten, was für Journalisten strafrechtliche Probleme bedeuten kann.
Die WAZ-Journalisten argumentieren auch mit dem Informationsinteresse der Bürger.
Wenn man zu dem Schluss kommt, dass diese Texte nun doch urheberrechtlich geschützt sind, haben sie ein Problem. Es gibt nämlich nur wenige Ausnahmen. Man darf zum Beispiel einen Pressespiegel erstellen, also ganze Artikel zur Dokumentation kopieren. Und zitieren ist auch erlaubt. Ansonsten ist das Urheberrecht umfassend – ein scharfes Schwert.
Ein Pressespiegel sind die Afghanistan-Papiere nicht und mehr als ein Zitat allemal.
Genau. Persönlichkeitsrechte und Pressefreiheit etwa müssen immer gegeneinander abgewogen werden. Im Urheberrecht gibt es aber nach bisheriger deutscher Rechtsprechung keine Ausnahme zugunsten eines Berichtsinteresses. Nun gibt es jedoch eine neuere Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, die besagt, dass auch aus ideellen Gründen Urheberrecht gebrochen werden darf.
Worum ging es?
In dem Fall hat ein Designer Fotografen von seiner Modenschau ausgesperrt. Er sah durch ihre Bilder sein Recht an der von ihm geschaffenen Kleidung verletzt. Er bekam zwar Recht, weil die Fotografen Geld verdienen wollten. Die Richter stellten aber klar: Wären die Fotografen Journalisten, die etwa über magere Models berichten, dann dürften sie dieses Recht brechen und ihre Bilder schießen.
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