Medien und Political Correctness: Büttenrede aus dem Homeoffice
Dogmatismus ist genauso schlimm wie das, was er zu bekämpfen vorgibt. Denn er teilt die Welt in zwei Lager, ohne Chance auf faire Debatte.
W as haben der Karneval, die New York Times und die Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationsforschung (DGPuK) miteinander zu tun? Sie sind alle ins Fahrwasser der Political Correctness geraten und planschen nun munter im dogmatischen Strudel herum. Der Westdeutsche Rundfunk hat mal wieder nicht aufgepasst. Weil 2021 der Karneval ausfiel, sendete der WDR einfach ein Best-of vom Karneval-Orden „Wider den tierischen Ernst“. Mittendrin ein Auftritt von Désirée Nick anno 2010 mit schwarz angemalten Menschen.
Ein paar Wochen nach der „Letzten Instanz“ der nächste Skandal, für den sich der Sender umgehend entschuldigte. Ja, Blackfacing ist Rassismus. War es übrigens auch schon vor elf Jahren. Die gesellschaftliche Debatte darüber ist wichtig. Und in diesem Fall war der WDR dämlich, nicht mit der gebotenen Sensibilität hinzuschauen.
Bei der New York Times (NYT) stimmt dagegen auf den ersten Blick die Sensibilität. Das Weltblatt hat seinen Reporter Donald G. McNeil gefeuert. McNeil wurde vor zwei Jahren auf einer Exkursion von einer Studentin gefragt, ob es richtig sei, dass man wegen der Verwendung des „N-Worts“ von der Schule fliegen könne. Worauf McNeil das Wort aussprach. NYT-intern machte der Fall schon 2019 die Runde, wurde geklärt und McNeil durfte bleiben. Jetzt wurde die Sache öffentlich, die Emotionen kochten hoch.
Und McNeil verlässt das Blatt im März, nach 45 Jahren. Beschäftigt man sich mit den Hintergründen, wird klar, dass hier Anlass und Ursache auseinanderklaffen. McNeil sei unangenehm und herrschsüchtig, der Reporter alter Schule passe nicht mehr zum linksliberal-modernen Kurs des Blattes. So schreibt es die NYT über sich selbst.
Unreflektierter Dogmatismus
Das mag sein, doch hier geht es um etwas anderes. Unreflektierter Dogmatismus ist genauso schlimm wie das, was er zu bekämpfen vorgibt. Denn er teilt die Welt in zwei Lager ein, ohne Chance auf eine faire Diskussion. Gegenstimmen werden niedergebrüllt. Die Erfahrung durfte auch der Kommunikationswissenschaftler Rudolf Stöber der Uni Bamberg machen. Er hatte in Publizistik, dem Zentralorgan der Deutschen Gesellschaft für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft (DGPuK), einen Beitrag über „Genderstern und Binnen-I“ publiziert. Stöber hält das Ganze für „falsche Symbolpolitik in Zeiten eines zunehmenden Illiberalismus“.
Egal was man davon hält – darüber muss diskutiert werden dürfen. Was über 350 DGPuK-Mitglieder offenbar anders sehen. Sie werfen der Publizistik-Redaktion „Versagen“ vor und fordern Konsequenzen.Doch so geht kein liberal-aufgeklärter Diskurs einer Fachwissenschaft, sondern bestenfalls eine schlechte Büttenrede aus dem Homeoffice.
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