Medien personalisieren das Klimapaket: Danke, Merkel
Alle schreiben von Merkels Klimapaket, obwohl deutsche Politik mehr als die Kanzlerin ist. Diese rhetorische Figur heißt Pars pro Toto und nutzt den Rechten.
Benzin, Heizöl, Strom – So teuer wird Merkels Klimapaket“. So titelte die Bild-Zeitung im Dezember. Diese zuspitzende rhetorische Figur heißt Pars pro Toto. Auf Deutsch: Ein Teil steht für das Ganze. Anstelle des ganzen Regierungshandelns wird auf Angela Merkel als Regierungschefin fokussiert: Es ist nicht das Paket der Regierung, es ist Merkels Paket. In den letzten Jahren hat diese Kommunikationsfigur seine argumentative Unschuld verloren.
Denn AfD und Pegida gebrauchen sie, um ein mächtiges, neurechtes Framing zu erschaffen. Wir kennen es in Form unzähliger pseudo-satirischer Merkel-Memes, als sogenannten Merkel-Galgen, der bei einer Pegida-Demo auftauchte, oder als Ausruf „Danke, Merkel!“.
Nichts ist komfortabler, als einen Bösewicht zu identifizieren, der an allem schuld ist. Der Clou ist, dass das Opfer-Framing gleich mitgeliefert wird. Wenn die böse, mächtige Merkel schuld an allem ist, kann ich mich selbst – ganz automatisch – als machtloses Opfer inszenieren. In diesem Narrativ sind immer die anderen schuld. Wahlweise Merkel und gerne auch andere Politiker aus dem „Establishment“.
Meine Rolle ist es dann, mich in die Herde der anderen Machtlosen einzureihen und dubiosen AfD-Funktionären zu politischer Macht zu verhelfen. Das Fatale: Die Leute merken irgendwann wirklich nicht mehr, dass nicht allein Angela Merkel der Staat ist, sondern wir alle. Das ist die erlernte Hilflosigkeit.
Was können wir machen?
Aber mit dem Finger auf die Bild-Zeitung zu zeigen, greift zu kurz. Das Muster ist auch bei anderen beliebt: „Massive Kritik an Merkels Klimapaket“ (Tagesspiegel), „Merkels Klimapaket“ (Fokus), „Debatte um Merkels Klimapaket“ (taz). Wenn Journalisten nicht das kollektive Gefühl erlernter Hilflosigkeit und somit die Erzählung der AfD stärken wollen, sollten sie bei der politischen Berichterstattung bewusster vorgehen.
Ein schönes Gegenbild zu dieser erlernten Hilflosigkeit gebrauchte übrigens Bundespräsident Steinmeier in seiner Weihnachtsansprache, als er sagte: „Jeder von uns hält ein kleines Stück Deutschland in seinen Händen.“ Medienkritisch gefragt: Wie können Medien die politischen Probleme dieses Landes so beschreiben, dass die Menschen ihre eigene Verantwortung für die Lösungen zu spüren bekommen?
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Berlinale-Rückblick
Verleugnung der Gegenwart