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Medien in PolenEnde der PiS-Propaganda

Die PiS-Partei hatte die öffentlich-rechtlichen Medien für ihre Zwecke umgebaut. Nun muss sie sich von ihrem wichtigsten Parteisender trennen.

Protest vor dem Hauptgebäude des TVP-Senders im Dezember Foto: Kacper Pempel/Reuters

Warschau taz | Jacek Sasin, der bisherige Minister für Staatsvermögen, rempelt sich durch die Menschenmenge vor dem Hauptgebäude des Fernsehsenders TVP. Er schafft es ins Gebäude, wo ihm an der Eingangsbarriere schon ein gutes Dutzend Journalisten die Mikrofone entgegenstreckt: „Das ist ein Skandal“, legt der Abgeordnete der nationalpopulistischen Recht und Gerechtigkeit (PiS) und ehemalige Minister für Staatsvermögen sofort los.

„Wir haben es hier mit einem Staatsstreich der neuen Regierung zu tun. Das ist der Anfang vom Ende unserer Demokratie. Wir müssen für die Medienfreiheit und die Achtung des geltenden Rechts kämpfen.“ Fragen lässt er keine zu, nimmt wieder die Rempelpose ein, und geht dann ohne jede Kontrolle durch die elektronische Sperre. Sasin hat wie die meisten PiS-Politiker, die nach ihm in den Sender kommen, einen elektronischen Schlüssel.

Tags zuvor hatte der Sejm, das polnische Abgeordnetenhaus, die Regierung damit beauftragt, im öffentlich-rechtlichen Rundfunk wieder für „Recht, Objektivität und Ehrlichkeit“ zu sogen. Das gehört zu den Wahlversprechen der Koalition aus liberalkonservativer Bürgerkoalition (KO), christlich-agrarischem Drittem Weg und der Neuen Linken, die am 15. Oktober mit großer Mehrheit die Parlamentswahlen gewonnen hat.

Der Sender TVP mit zahlreichen Regional- und Spartenkanälen, der 24-Stunden-Nachrichtenkanal TVPInfo sowie fünf Radioprogramme, aber auch die Polnische Presseagentur PAP sollten keine PiS-Parteipropaganda-Schleudern mehr sein, sondern den Bürgern und Bürgerinnen Polens nach acht Jahren Indoktrination wieder ein möglichst objektives und ausgewogenes Programm bieten.

PiS verliert ihre Medienmacht

Gegen den Verlust dieser gewaltigen Medienmacht sträubt sich die PiS nach Kräften. Nicht nur, weil TVP in den letzten Jahren immer wieder Zuschüsse von zuletzt jährlich rund zwei Milliarden Zloty (ca. 470 Millionen Euro) aus dem Staatssäckel erhalten hat, sondern auch weil für 70 Prozent der PiS-Anhänger TVP die Hauptinformationsquelle darstellt.

Schon im April 2024 stehen aber Kommunal- und Regionalwahlen in Polen an, bei denen die Stimmergebnisse für die PiS – ohne die PiS-Propagandamaschinen – massiv einbrechen könnten. Ähnliches gilt für die Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2024. Ohne die tägliche Parteiindoktrination könnte die PiS hier etliche ihrer zur Zeit 24 Sitze in der EU-skeptischen und rechtspopulistischen Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR) einbüßen.

Staatlicher Propagandasender

Die Umwandlung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einen staatlichen Propagandasender geht auf das Jahr 2015 zurück. Damals liquidierte die in den Wahlen von 2015 siegreiche PiS den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und erschuf ihn sofort wieder – unter gleichem Namen, aber in anderer Rechtsform.

Mit ihrer damaligen Stimmenmehrheit im Sejm verabschiedete die PiS auch ein Gesetz, das die Entscheidungsgewalt über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk von der Regierung und dem Nationalen Rundfunk- und Fernsehrat auf einen neugegründeten „Rat Nationaler Medien“ übertrug. Zwar stufte das 2016 noch funktionierende Verfassungsgericht Polens dieses Gesetz als verfassungswidrig ein, doch dies kümmerte weder die PiS noch Staatspräsident Andrej Duda, der das Gesetz unterschrieben hatte.

Als der neue polnische Kulturminister Bartłomiej Sienkiewicz nun alle Aufsichtsräte und Vorstände der Staatsmedien abberief und sich dabei auf die Resolution des Sejms zur Wiederherstellung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, das Handelsrecht (TVP ist eine Aktiengesellschaft) und das Urteil des Verfassungsgerichts von 2016 berief, behauptete PiS-Parteichef Jarosław Kaczyński, dass die neue Mitte-links-Regierung das geltende Recht breche. Zudem sei es so, dass es in jeder Demokratie ein starkes „Anti-Regierungs-Medium“ geben müsse, und das seien eben TVP, TVPInfo und das Polnische Radio.

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8 Kommentare

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  • …und trotzdem es so ja: pervers ist, werden zu viele Menschen Kaczynski den Satz glauben – obwohl es gerade er und die PiS waren, die jahrelang die Opposition mit Klauen und Zähnen aus den Medien fern halten wollten.

  • 6G
    696439 (Profil gelöscht)

    So ein bisschen Schadenfreude empfinde ich ja schon. Auch wenn klar ist, daß das erst die ersten Schritte sind.



    Ich wünsche der neuen polnischen Regierung eine glückliche Hand und Fortune bei ihren Vorhaben.

  • Es sollte Deutschland eine Warnung sein was mit dem ÖRF in Deutschland passieren wird, sollte die AFD je an die Macht kommen. Die werden sich auch keine Jahrzehnte dafür nehmen.

  • Die Leute der anderen durch eigene Leute zu ersetzen, ist der einfache Part. Die eigentliche Herausforderung besteht doch darin, die staatlichen Medien institutionell so aufzustellen und abzusichern, dass sie nicht zum Spielball der Regierungswechsel werden und langfristig ausgewogen und plural berichten. Dies wiederum setzt voraus, dass Regierung und Opposition sich auf ein Mindestmaß gemeinsam getragener Regeln verständigen können. Ob das gelingen kann, ersxheint allerdings fraglich.

    • @melly:

      Sich mit der PIS "auf ein Mindestmaß gemeinsam getragener Regeln verständigen"? Und das nach den Erfahrungen der letzten Jahre?



      Nee, die Regierungskoalition muss die Unabhängigkeit des ÖRR ohne (genauer: gegen) die PIS wiederherstellen.

  • Gratulation an die neue polnische Regierung zu dieser Maßnahme.

  • Köstlicher Rollback



    Es macht Freude zu lesen, wie die Medien-Säulen der PiS zusammenbrechen und wieder eine Chance auf hoffentlich neutralere Information für die Bürger entsteht.

  • So schön zu lesen!