Mediale Verwirrung um NPD-Verbot: Immer schneller, immer falscher
Wenn Online-Medien in Hast geraten, liegen Eil- und Falschmeldungen manchmal nah beieinander. Das Ergebnis: Verwirrung.
Mit den Eilmeldungen ist das so eine Sache. Einerseits gilt es, schneller zu sein als die anderen – andererseits will und sollte man natürlich nichts Falsches vermelden. Fake News und so weiter, und schon hat man wieder den Lügenpressechor an der Backe.
Um so peinlicher für mehrere Medien, die sich am Dienstag für die Schnelligkeit entschieden und meldeten, das Bundesverfassungsgericht habe die NPD verboten. Hat es aber nicht. Und doch lief das vermeintliche Verbot über Millionen Fernseh- und Handybildschirme, unter anderem bei Spiegel Online und Phoenix.
Was war da los? Andreas Voßkuhle, der Präsident des Verfassungsgerichts, hatte zur Urteilsverkündung eingangs noch einmal den Antrag verlesen. In diesem stehen Formulierungen wie „Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands … ist verfassungswidrig“ und „… wird verboten“.
Das klingt wie eine Entscheidung – ist aber nur der Antrag. Klar wurde das wenige Minuten später. Da hatten die Reporter aber schon getippt, die jeweiligen Medien gemeldet und die NutzerInnen geretweetet. Und das nur, weil niemand warten wollte.
Übrigens ist das nicht die erste fakenewsige Eilmeldung dieser Woche: Schon am Sonntagabend vermeldeten mehrere Nachrichtenseiten mit Verweis auf die Bild, Donald Trump habe die Nato als „obsolet“ bezeichnet.
Die Aufregung im Anschluss war groß, die meisten, auch die taz, interpretierten, Trump halte den Verteidigungspakt für „überflüssig“. „Obsolete“ kann im Englischen aber auch „veraltet“ oder „nicht mehr auf dem neuesten Stand“ heißen. Zwar lag hier der Übersetzungsfehler bei der Bild, doch die anderen Nachrichtenmedien griffen den Wortlaut eines Interviews in einer Boulevardzeitung ungeprüft auf und verbreiteten die vermeintliche Nachricht als Eilmeldung.
Manchmal ist die Nachricht, die auf den ersten Blick ein Knaller ist, auf den zweiten eben keiner – oder noch nicht einmal eine Nachricht. Helfen könnte, öfter mal durchzuatmen und „einundzwanzig, zweiundzwanzig, dreiundzwanzig“ zu zählen, bevor man den vermeintlichen Scoop in den Äther pustet.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden