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MeToo-Debatte in FrankreichTatort Kommunalpolitik

Ein Student nimmt sich das Leben. Auf Twitter hatte er zuvor behauptet, zwei Kommunalpolitiker der Kommunistischen Partei hätten ihn vergewaltigt.

Eines der Studentenwohnheime am Crous de Nanterre Foto: Franck Renoir/Hans Lucas/imago

Paris taz | Im Studentenwohnheim der Universität Nanterre im Westen von Paris ist am Dienstag der 20-jährige Guillaume T. tot aufgefunden worden. Laut Angaben der Polizei, die von einem Suizid ausgeht, hat sich der junge Mann erhängt. Noch ist nicht bekannt, ob er eine Erklärung hinterlassen hat.

Doch am 21. Januar hatte derselbe Guillaume T. auf Twitter enthüllt, dass zwei bekannte Pariser Lokalpolitiker des Parti Communiste Français (PCF) ihn im Oktober 2018 vergewaltigt hätten. Er nannte in seiner Anschuldigung den Kommunalrat Maxime Cochard und dessen Partner Victor Laby beim Namen. Beide reagierten sofort mit einem kategorischen Dementi („total falsche Anschuldigung“) und mit einer Klage wegen Verleumdung: Der Sex mit dem damals 18-Jährigen sei in keiner Weise erzwungen worden, es habe ein „Einverständnis“ unter Erwachsenen bestanden.

Ohne dies angeblich wirklich beabsichtigt zu haben, löste Guillaume T., der in Nanterre als Student der Verwaltungsökonomie eingeschrieben war, mit seinem Zeugnis auf Twitter unter dem Pseudonym Prunille eine weitere Kampagne der öffentlichen Anprangerung von sexuellen Aggressionen mit dem Hashtag #MeTooGay, dieses Mal also ausdrücklich von Homosexuellen, aus.

Sie hat es inzwischen Hunderten von Opfern von sexuellen Aggressionen und Vergewaltigungen in Frankreich ermöglicht, häufig viele Jahre später und oft zum allerersten Mal öffentlich zu sagen, dass auch sie in der Vergangenheit und in ihrer Jugend Ähnliches erlitten, bisher aber meistens verschwiegen hätten. Der Schock in der Pariser Gay-Szene, aber auch in der kommunalen Linken der Hauptstadt, ist gewaltig.

Überwältigendes Echo

Das Echo der Reaktionen auf seinen persönlichen Twitter-Beitrag war für Guillaume T. überraschend und überwältigend. Bereits am Tag nach der Veröffentlichung seines Tweets hatte er gegenüber der Zeitung Le Monde seine Anschuldigung bestätigt.

„Ich war damals 18 Jahre alt, im letzten Jahr der Mittelschule, ich war verwundbar. Denn wegen Problemen mit der Familie hatte ich keine Wohnung und wusste nicht, wo ich schlafen konnte. Ich habe mehrmals bei ihnen (beim angeschuldigten Paar der PCF-Politiker, Anm. d. Red.) übernachtet. Sie haben meine Jugendlichkeit und meine Naivität missbraucht, um Geschlechtsbeziehungen mit mir zu haben. Ich habe mehr als zwei Jahre gebraucht, um zu begreifen, dass ich dazu keine Zustimmung gegeben hatte, und dass ‚Vergewaltigung‘ das richtige Wort dafür ist. Es war eben einfach, so zu tun, als wäre nichts passiert.“

Wie der Medizinische Dienst der Universität, der nur ein paar Schritte vom Wohnheim entfernt ist, der taz auf Anfrage mitteilte, habe sich sich Guillaume T. dort weder in ärztlicher noch psychologischer Betreuung befunden. Am Donnerstag haben seine Kom­mi­li­to­n:in­nen vor dem Parteilokal des PCF in Paris demonstriert

Guillaume T. war laut Le Monde vor einem Jahr als Mitglied aus der PCF ausgetreten. Sie hat jetzt den beschuldigten Maxime Cochard bis auf Weiteres aller Funktionen enthoben. „Unseren Grundwerten getreu fordert die PCF Wahrheit und Gerechtigkeit für Guillaume“, teilte die lokale Parteileitung den Medien mit.

Politische Konsequenzen

Die Affäre dürfte trotzdem politische Konsequenzen haben. Die sozialistische Bürgermeisterin von Paris, Anne Hidalgo, die in einer Koalition mit Grünen und Kommunisten regiert, hat ihre Solidarität mit der Twitter-Kampagne erklärt: „Mit seinem mutigen Zeugnis hat dieser engagierte junge Student dazu beigetragen, dass sich in einer beispiellosen Welle die Zungen lösen.“

Seitens der Grünen bedauerte Vize-Bürgermeister David Belliard, dass „die Justiz ineffizient im Kampf gegen sexuelle Gewalt“ sei, aber auch, wie sehr „in unserem LGBT-Milieu spezifische Beratungsstellen fehlen, um solche Tragödien zu vermeiden.“ Den „politisch aktiven Organisationen“ (in diesem Fall dem PCF) wirft Belliard vor, sie habe es „nicht verstanden, diejenigen, die auspacken, zu schützen und zu begleiten“.

Wenn Sie Suizidgedanken haben, sprechen Sie darüber mit jemandem. Sie können sich rund um die Uhr an die Telefonseelsorge wenden (08 00/111 0 111 oder 08 00/111 0 222) oder www.telefonseelsorge.de besuchen.

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