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Mays politisches EndeTheresa, letzte Folge

Pünktlich zur Europawahl kegelt die britische Premierministerin sich und ihre Partei ins politische Aus.

Theresa May auf dem Weg ins britische Unterhaus Foto: ap

Theresa May ist ein Genie. Die britische Premierministerin hat geschafft, womit sich die britische Linke seit Jahrzehnten vergeblich abmüht: die Konservativen als dominante politische Kraft zu zerstören. In den letzten Umfragen, bevor die Briten heute ihre Europaabgeordneten wählen, liegen die Tories bei 12 beziehungsweise 7 Prozent – diese Werte erzielen auch die Grünen, in Großbritannien eine Splitterpartei.

Offenbar ist Theresa May damit noch nicht zufrieden. Während am Dienstag diese Umfragen die Runden machten, trat sie in London vor die Kameras und präsentierte ihren neuesten Brexit-Geniestreich: einen „New Deal“ aus zehn Punkten, den May Anfang Juni ins Parlament einbringen will, wenn sie einen Gesetzentwurf zur Umsetzung des mit der EU vereinbarten Brexit-Deals zur Abstimmung stellt. Sicherheitshalber wiederholte sie ihre Rede am Mittwochnachmittag fast wortgleich vor dem Unterhaus. Gäbe es noch Umfragen, würden die Tory-Werte jetzt noch tiefer in den Keller gehen.

Der 10-Punkte-Plan ist den Brexiteers zu EU-freundlich, der Opposition zu unverbindlich. Und May-Loyalisten fragen sich, wieso die EU mitspielen sollte, da May für den Fall der Annahme ihres Plans ihren Rücktritt versprochen hat und jeder Nachfolger etwas anderes machen könnte.

„Verzweifelt, verpeilt, verdammt“

Der „New Deal“ geht auf Vorschläge der Labour-Opposition bei den mittlerweile abgebrochenen Gesprächen über einen Brexit-Kompromiss ein: Einhaltung aller gegenwärtigen und zukünftigen Umwelt- und Sozialstandards der EU, die Möglichkeit einer Zollunion mit der EU sowie einer Volksabstimmung über das Brexit-Gesetz nach dessen Annahme durch das Parlament – über diese beiden Dinge soll das Unterhaus im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens abstimmen. Das Parlament soll auch jedes zukünftige Abkommen mit der EU absegnen, bevor die Regierung es unterschreibt – anders als beim gegenwärtigen Brexit-Vertrag, den erst die Regierung vereinbarte und den dann das Parlament dreimal ablehnte.

„Verzweifelt, verpeilt, verdammt“, titelte am Mittwoch das konservative Hausblatt Daily Telegraph mit drei passenden May-Fotos. Das Boulevard-Schwesterblatt Daily Mail titelte „Theresas Spielzug zu viel“. Die einflussreichste Boule­vardzeitung Sun brachte auf der Titelseite ein unvorteilhaftes May-Bild mit einer unübersetzbaren Schlagzeile, die „Morgen früh bist du weg“ bedeutet.

„Wenn May bis heute Abend nicht auf dem Weg raus aus dem Amt ist, unterstützt sie nicht bei den Europawahlen“, appellierte am Mittwoch der Chef des wichtigsten parteiinternen Online-Austauschforums „Conservative Home“, Paul Goodman, an die Parteibasis. Am Abend sollte ein Fraktionstreffen das weitere Vorgehen beraten.

Sturz vom eigenen Laden

Regierungsmitglieder wollten nach dem öffentlichen Shitstorm nicht einmal bestätigen, dass der Gesetzentwurf – der erst am Freitag, also nach der Europawahl, veröffentlicht werden soll – überhaupt noch ins Parlament eingebracht wird. Manche fühlen sich hintergangen: sie dachten, im Kabinett die Szenarien Zollunion und zweites Referendum abgewendet zu haben. Manche liebäugeln nun damit, May abzusägen, bevor sie noch mehr Schaden anrichten kann – und zwar ab Montag, wenn die Europawahlergebnisse da sind.

Eine gewisse Tragik ist den Ereignissen nicht abzusprechen. Theresa May spricht ständig von der Notwendigkeit, das Land zu vereinen – jetzt vereint sie es endlich, und zwar gegen sich. Die Konservativen spielen fröhlich den Corbyn-Wahlkampf von 2017 nach. Damals war das Anti-May-Protestlied „She’s A Liar Liar, You Can’t Trust Her, No No No No“ der Überraschungshit des Internets und wurde auf Labour-Kundgebungen gesungen – heute steht der Großteil der eigenen Partei hinter diesem Urteil. Damals war „Let June be the end of May“ eine von vielen linken Parolen – heute betreibt ihr eigener Laden ihren Sturz.

May vereinigt das Land endlich, und zwar gegen sich

Derweil richten sich die Konservativen in ihrem neuen Dasein als Splitterpartei ein. Sie haben kein EU-Wahlprogramm geschrieben. Ganze Ortsverbände haben ihr Kreuzchen für Farage angekündigt. Zu Mays Wahlkampf-Launch ganze sechs Tage vor der Wahl kamen vier Parteikollegen, ein Journalist und ein paar Fotografen. Der Event fand in einem Nebenraum des Fußballstadions von Bristol statt. Bristol spielt in der zweiten Liga und hatte seine beste Saison im Jahr 1906, als bei Parlamentswahlen die Konservativen über die Hälfte ihrer Sitze einbüßten und abgewählt wurden. Es dauerte 16 Jahre, bis sie wieder an die Macht kamen.

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24 Kommentare

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  • Nicht nur May -. das gesamte Parlament ist ein Trauerspiel. Neue Köpfe ändern da nichts - Neuwahlen schon eher.

  • Als jemand, der auch noch andere Medien liest außer deutschsprachigen, wünsche ich allen Briten, die den Versuch machen ohne eine EU auszukommen, die von Deutschen in dem Sinne dominiert wird, als dass diese mit ihrer unsozialen Niedriglohnpolitik und ihren wirtschaftspolitisch gefährlichen Austeritätspolitik anderen Staaten innerhalb der EU jedwede Chance auf wirtschaftliche Entwicklung nehmen.

    Das Uk hat mit seinen vorzüglichen Beziehungen in die arabischen Staaten und vor allen Dingen mit den Beziehungen aus dem Commonwealth heraus z.B. mit Indien innovativere Staaten an seiner Seite als sie in der EU zu finden sind. Und wohl auch bald kapitalkräftigere.

    • @Age Krüger:

      ..ja ja.. der historische Kolonialismus des UK..! Gucken se´ mal weiter unten in ihrem Kommentar, heute 11.46, zu meinem von gestern 22.22

    • @Age Krüger:

      Die unsoziale Niedriglohnpolitik wurde von den Britischen Regierungen in der EU stets unterstützt. Viele Neoliberale in Deutschland bedauern den Brexit gerade deswegen und jammern, dass ein treuer Verbündeter verlorengeht.. Linke EU-Gegner*innen machen es sich zu einfach, wenn sie der EU die Schuld für die Politik (auch von "New Labour") geben, anstatt die Kräfte in der Eu zu unterstützen, die eine sozialere Ausrichtung derselben fordern.

      • @Joba:

        "Die unsoziale Niedriglohnpolitik wurde von den Britischen Regierungen in der EU stets unterstützt."

        Da würde ich sogar noch weiter gehen und sagen, dass Thatcher und Blair die Vorreiter des neoliberalen rotgrünen Sozialabbaus auch in der BRD waren. Da ist es umso erfreulicher, dass Corbyn wenigstens durchgesetzt hat, dass, sollte es wirklich noch zu einem vertraglich geregelten Brexit kommen, die EU-Sozialstandards auch in GB nicht unterschritten werden dürfen.



        Insgesamt sehe ich es sdurchaus so, dass der Brexit für das UK auch heißen kann, dass es sozial abbauen kann und kaum linke Elemente dabei entwickelt werden könnten.



        Nichtsdestoweniger sollte man aber unvoreingenommen sich anschauen, inwieweit der Weg Erfolg bringt. Norwegen hat als Nicht-EU-Staat seine Gelder aus den Öleinnahmen eben wirklich für große soziale Verbesserungen einsetzen können.

        Angesichts der noch stärker als im UKAnwachsen der Rechten innerhalb der EU spielt imo es keine Rolle, ob ein Land in der EU ist oder nicht, wenn man rechte Tendenzen verhindern will.

        • @Age Krüger:

          Corbyn sollte seinen Ideen aus meiner Sicht lieber innerhalb der EU Gehör verschaffen und sich dort mit Gleichgesinnten zusammentun, statt zu glauben, ohne EU wirklich mehr Spielräume zu haben. Er verscherzt es sich unnötig mit den EU-Freund*innen in seiner Partei, die leider ebenso gespalten ist, wie das ganze Land. Vollmitgliedschaft ist allemal besser, als durch Vertäge gebunden zu sein, ohne intern mitreden zu können. Bei vielen, die nicht völlig verbohrt sind beruhen die Hoffnungen auf einen Brexit auf einem Missverständnis. Sie könnten bei einem zweiten Referendum zur Vernunft gebracht werden. Farage könnte zwar die relative Mehrheit gewinnen, die absolute Mehrheit sieht hoffentlich, auch wenn sie in sich vielfältig ist, anders aus und das lässt mich eher hoffen.

          • @Joba:

            Ich sehe kaum innerhalb der EU große Bewegungen, Handelsverträge mit den Commonwealthstaaten wie Indien zu schließen.



            Für die Richtungen, die dem VK vorschweben, gibt es innerhalb der EU kaum Interesse.Selbst der US - Handel ist ja für die EU eher schwieriger statt leichter geworden.

  • Den Briten sei ihr Masochismus gegönnt, nur scheinen alle das Sicherheitswort vergessen zu haben oder aber alle haben vergessen eines zu verabreden. Zum Ende kommen sie aber auch nicht. Wahrscheinlich ahnen alle, dass die postkoitale Depression noch viel schlimmer wird als die jetzige Quälerei. Nachvollziehbar aber trotzdem unappetitlich.

  • 9G
    97088 (Profil gelöscht)

    Ich beziehe mich einmal auf den Untertitel des Artikels: Wie können sich dir führenden britischen PolitikerInnen denn noch in‘s „Aus“ kegeln? Die sind längst „off“ - nur die Medien erhalten die noch am Leben!

  • Ach herrje,



    wenn man einmal überlegt, welche Energien nun in diesen Brexit geflossen sind, wie viel Ressourcen das Ganze aufgefressen und was die Regierung die letzten Jahre getan, bzw. nicht getan hat - dafür sind die Briten verdammt wenig voran gekommen, im Brexit-Prozess.

    Ich glaube, künftige Generationen werden den Brexit als die verkackteste Idee ever bezeichnen...

    Ich habe schon länger aufgegeben verstehen zu wollen, über was die eigentlich diskutieren...

  • Den britischen Austritt aus der EU haben andere mitverschuldet. Wie dumm kann man sein, dies Theresa May alleine anzulasten. Auch das Rumgeeiere hat sie nicht hauptsächlich zu verantworten. Sie ist scheiße, viele neben ihr aber auch.

  • Es ist traurig - nicht die Theresa May -



    sondern, dass so viele Millionen Briten mit der Europäischen Union brechen wollen.



    Farage ist ein Räuber, und er wird gefeiert wie der Erlöser.

  • Was solls? Die Briten haben ihre EU Mitgliedschaft m.E. nur im Sinne ihrer Idee des "common market" verstanden..



    Die historisch humane Idee der EU als "Friedensprojekt" , mit Verantwortung.. ist den Briten wohl nie so richtig ins Bewusstsein gedrungen?



    Und nun? "get back to the old empireideology" , abandon the EU , obey the democratic Brexit !



    ------------------



    Bleibt zu Hoffen, dass die EU durch den Brexit erstarkt- und nicht zerbricht...

    • @vergessene Liebe:

      "Die historisch humane Idee der EU als "Friedensprojekt" , mit Verantwortung.. ist den Briten wohl nie so richtig ins Bewusstsein gedrungen?"

      Wie soll einem sowas auch ins Bewusstsein kommen, wenn EU-Staaten gegen andere europäische Staaten wie damals Serbien Angriffskriege führen? In meinem Bewusstsein ist die EU als Friedensprojekt auch nie angekommen.

      • @Age Krüger:

        Na na.. Sie Guter ! ..erinnern se´ mal die 80´er ! ..fall der Mauer, Ende des Kalten Krieges, EU in art cosmopolit´ Friedenseuophorie ! Klar: UK ging, mit Thatcher, in den Falklandkrieg (for the Empire !) .. und der hässliche Neoliberalismus der Tories und später Blairs... wirkte sich übel auf die EU aus.. Jedoch die EU, als humanes "Friedensprojekt" war im Herzen Europas sichtbar, auch durch den Zerfall der UDSSR: Polen, Tschechien, die Balten, ExDDR usw !



        Dass durch die Gier und den Egoismus des neoliberalen in der EU (forciert durch UK?) der humane Friedensprojekt Charakter der EU verdrängt wurde: NATO Ausweitung gen Osten: USA/NATO als Herren über die EU... Angstreaktion Russlands: Krim und Donbass.. Isolation Russlands- erneuter Kalter Krieg- ..



        ---------------



        Klar ist: ..es wirkt, als ob EU als "Friedensprojekt" im Getümmel von Angst, Macht, Gier und nationalen inhumanen Egoismen .. durch USA und NATO .. `gestorben´ ist .. und das Rechts*Nationale Denken im NAZI Stil die EU zerfleddert! siehe den Brexit, AfD und sonstige Gespenster !



        --------------



        Ich empfinde die Staaten Europas wie eine Gruppe von Inseln, die durch das EU "Friedensprojekt" mit vielen Brücken vernetzt sind, um als humane und soziale Konstruktion, friedlich und Konstruktiv als art Bindeglied zwischen West und Ost und Süd zu wirken!..und um Kriege zu vermeiden!

  • 8G
    83379 (Profil gelöscht)

    Theresa May hatte ihr Leben lang nur ein Ziel und das war Premierministerin zu werden. Und als sie das schaffte keine Ideen, keine Vision einfach nix. Macht um ihrer Selbst-willen kombiniert mit dem kompletten Mangel an politischen Gespür. Eigentlich haben wir ja die Demokratie um solche Anführer nicht zu bekommen, dann kann man gleich zur Monarchie zurück.

  • Ein bisschen umgetextet wäre das ihr Lied: www.youtube.com/watch?v=1c1hhWhhTbA

  • Letztlich erhält T. May einfach nur die Quittung dafür, dass sie auch noch drei Jahre nach dem ersten Referendum ein deutlich knappes Ergebnis als Wille des Volkes versucht zu verkaufen.



    An dieser Aussage so unverbesserlich festzuhalten war und ist ihr Fehler.



    Denn man stelle sich zum besseren Verständnis einfach mal vor, wir hielten eine Bundestagswahl in 2019 ab, welche die Zusammensetzung des Bundestages in 2022 zum Gegenstand hätte. Wertungsmäßig und politisch ist das mit dem Brexitreferendum nicht groß anders. Und berücksichtigt man zudem, dass die britischen Bürger nun auch Wissen, dass die vielen verlockenden Zusagen der Brexit-Befürworter keine Substanz hatten und haben, so lässt sich eine Bindungswirkung bezüglich des Ergebnisses des ersten Referendums nur noch schwierig bis gar nicht begründen.



    Insgesamt wünsche ich mir einfach, dass die Brits der EU erhalten bleiben! :-)

    • @tazeline:

      So sehen die Umfragen aus:

      www.spiegel.de/pol...gen-a-1268782.html

      Super Idee unserer Mutti, die Briten noch mitwählen zu lassen und damit die EU Gegner zu stärken.

      • @warum_denkt_keiner_nach?:

        "Super Idee unserer Mutti"

        --> Dass die Briten antreten ist geltendes EU-Recht, keine fixe Idee der deutschen Kanzlerin.

        • @Mio TM:

          Mutti hat die Verschiebung des Austritts gegen Macron durchgesetzt...

    • @tazeline:

      Glauben Sie wirklich, dass die Brexit-Party so schlecht bei den Europawahlen abschneiden wird?

      Ich schätze, dass es immer noch eine Mehrheit für den EU - Austritt in der britischen Bevölkerung gibt.



      Aber warten wir ab.

      • @Age Krüger:

        Wenngleich sich in den letzten Jahren Umfragen häufig nicht bewahrheitet haben, ist der Aufstieg der Brexit-Party unübersehbar.



        Dennoch meine (hoffe) ich, dass in einem zweiten Referendum KEINE Mehrheit für den Brexit herauskäme. Denn man kann die Zahlen ja auch so lesen: 37% Brexit-Party = 37% sind für den Brexit; der Rest dagegen.



        DENN: die Brexit-Party hat letztlich nur ein Thema, was auch die weniger Belichteten verstehen. UND der Zulauf zur Brexit-Party ist auch eine DIREKTE REAKTION auf das politische und menschliche Komplettversagen des britischen Unterhauses hinsichtlich dieses Themas. Wenn es dann aber zu einem ZWEITEN REFERENDUM käme, so würde bei einer großen Anzahl der Befragten die zwischenzeitlich gemachte Erfahrung greifen, dass das Gras auf der Brexit-Seite eben doch nicht grüner ist, als auf der EU-Seite.



        Man darf ja noch HOFFEN! :-)

  • Es wird langsam Zeit, dass die Queen Frau May auf den Tower Green den Lohn für ihre "Verdienste" auszahlen lässt... :-)