Max Kruse soll den VfL Wolfsburg retten: Nutella erlauben, Abstieg vermeiden

Mit der Verpflichtung des 33-jährigen Kruse begibt sich Trainer Florian Kohfeldt in eine gefährliche Abhängigkeit. Nur: Das ist alternativlos.

Der Fußballer Max Kruse feiert ein Tor für den FC Union Berliin, ein Mitspieler berührt ihm am Trikot

Nicht zu halten: Max Kruse (l.) verlässt Union Berlin Foto: Stache/dpa

WOLFSBURG taz | Es ist schon ein bisschen her, dass Florian Kohfeldt ausführlich darüber sprach, wie er es denn als noch sehr unerfahrener Bundesligatrainer in Bremen geschafft habe, einen ausgebufften Profi wie Max Kruse auf seine Seite zu ziehen.

„Ich muss mich fragen, wo lasse ich die Linien etwas weicher werden, für jemanden, der besondere Leistungen bringt“, verriet Kohlfeldt einmal bei einer Podiumsdiskussion an der Uni Bremen. Dort hatte der Fußballlehrer einst Sport- und Gesundheitswissenschaften studiert, doch zur langen Leine gehörte in seiner Zeit beim SV Werder, dem unangepassten Ausnahmekönner beispielsweise den Nutella-Konsum in der Kabine zu erlauben.

Es klappte: Kohfeldt brachte es in jener Phase zum DFB-Trainer des Jahres, Werder Bremen schnupperte am Europapokal, und Kruse kam fast wieder zur A-Nationalmannschaft.

Es ist die vielleicht kurioseste Kehrtwendung auf dem zeitweise fast völlig eingeschlafenen Winter-Transfermarkt, dass sich der 33-Jährige ein zweites Mal dem inzwischen akut abstiegsgefährdeten VfL Wolfsburg anschließt, wo eben jener Kohfeldt als Chefcoach arbeitet, der ohne einen Sieg am Samstag im nächsten Bundesligaspiel gegen Greuther Fürth kaum zu halten sein dürfte. 5 Millionen Euro Ablöse und ein sehr fettes Jahresgehalt bis Sommer 2023 kostet der nicht mehr völlig austrainierte Offensivallrounder, der im Zentrum einer gewaltigen Rochade beim VfL steht.

Kruse kommt, Weghorst geht, Wind kommt

Am letzten Tag der Transferperiode verschickte der Werksverein fast stündlich die Vollzugsmeldungen: Erst die Verpflichtung von Jonas Wind, 22, zwölffacher dänischer Nationalstürmer, der für angeblich 12 Millionen Euro vom FC Kopenhagen kommt. Dann der Weggang von Wout Weghorst, 29, niederländischer EM-Teilnehmer und mit 59 Toren in 118 Bundesligaspielen gemeinsam mit Grafite immerhin zweitbester Torschütze der VfL-Geschichte, der für rund 14 Millionen zum Premier-League-Schlusslicht FC Burnley wechselt.

Fast wirkte es so, als wolle der VfL an zwei Tagen die Versäumnisse von zwei Transferperioden aufholen. Die Verantwortlichen waren so mit den Kaderkorrekturen beschäftigt, dass nicht einmal mehr eine Pressekonferenz in den Zeitplan passte. Zuvor waren bereits Josuha Guilavogui (31 Jahre, Girondins Bordeaux), Daniel Ginczek (30, Fortuna Düsseldorf) und Admir Mehmedi (30, Antalyaspor) gegangen. Ein Per­spek­tiv­trans­fer wie der des erst 18-jährigen US-Talents Kevin ­Parades ging zuletzt beinahe unter. So viele Wechselspiele im Winterschlussverkauf waren mit Wolfsburger Beteiligung zuletzt nur in der Ära unter Felix Magath zu besichtigen, die zur Meisterschaft führte.

„langfristig und hoch dotiert“

Dass der Klub in höchster Not alles auf links dreht, ist einerseits verständlich. Andererseits hat die großzügig alimentierte VW-Tochter auch ihre gesamte Transferphilosophie über den Haufen geworfen. Wo ansonsten vor allem hungrige Perspektivspieler wie Ridle Baku, Lukas und Felix Nmecha oder Luca Waldschmidt mit der Aussicht auf den Karrierefortschritt gelockt wurden, hat der Hoffnungsträger Kruse das Angebot nach eigenem Bekunden vor allem deshalb angenommen, weil es „langfristig und hoch dotiert ist“. Offiziell erklärte er: „Unsere gemeinsame Geschichte ist noch nicht zu Ende geschrieben.“

Dass sich die Wölfe die eine oder andere skandalträchtige Episode dazukaufen, müssten sie nach der Saison 2015/2016 eigentlich wissen, als weniger sechs Tore und acht Vorlagen in Erinnerung blieben, sondern eine bei einer Berliner Spritztour auf der Taxi-Rückbank vergessene größere Summe Bargeld.

Dass der instinktsichere Techniker Kruse trotzdem in fast jeder Lebenslage seine jeweiligen Vereine besser gemacht hat, daran klammert sich auch der nach elf sieglosen Pflichtspielen angezählte Kohfeldt, der sich nun ein zweites Mal in die Abhängigkeit dieses unangepassten Profis begibt. Gelingt gegen den Tabellenletzten Greuther Fürth mit seinem Wunschspieler Kruse nicht der Befreiungsschlag, dürften Kohfeldts Tage als Bundesligatrainer vorerst gezählt sein – im Gegensatz zu Kruses Karriere.

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