Massentötung von Nerzen in Dänemark: Ohne gesetzliche Grundlage
Dänemarks Regierung hatte kein Recht wegen Corona, die Tötung gesunder Nerze zu veranlassen. Jetzt sprechen PolitikerInnen von einer „Empfehlung“.
Es gebe keine gesetzliche Grundlage für den in der vergangenen Woche verkündeten Beschluss, den gesamten dänischen Nerzbestand abzuschlachten. Soweit es gesunde Bestände betreffe, sei das lediglich eine „Empfehlung“ an die Züchter.
Am frühen Nachmittag bedauerte auch Ministerpräsidentin Mette Frederiksen vor dem Parlament „die juristische Prozedur“. Doch ihre Erklärung und die des Landwirtschaftsministers ist wenig zufriedenstellend. Man habe nicht gewusst, sagte Frederiksen, dass es keine gesetzliche Grundlage gebe. Weil die Gesundheitsbehörde vor einer gefährlichen Mutation des Coronavirus warnte, habe man einen „klaren Beschluss gebraucht“. „Das ist nicht nur unglücklich, das ist ein vollendeter Skandal“, kommentierte die liberale dänische Zeitung Politiken. Die Regierung habe den verfassungsrechtlichen Schutz der Bürger vor Machtmissbrauch und Übergriffen durch die Exekutive ausgehebelt.
Auch einige OppositionspolitikerInnen kritisierten das Vorgehen der Regierung scharf: „Entweder man hat bewusst Demokratie und Rechtsstaat beiseitegelegt, oder man glaubt so machtvollkommen zu sein, dass man sich um Gesetze nicht scheren muss“, kritisierte Alex Vanopslagh, Vorsitzender der Liberalen Allianz. „Frederiksen ist eine ehemalige Justizministerin“, betonte der Venstre-Vorsitzende Jakob Ellemann-Jensen: „Ich habe nicht genug Fantasie, mir vorstellen zu können, dass sie keine Gedanken an die gesetzliche Grundlage verschwendet haben sollte.“
Züchter wollen die Schlachtungen stoppen
Die Regierung beabsichtigte zunächst die fehlende gesetzliche Grundlage rasch nachzubessern und wollte sich am Dienstag vom Parlament eine Änderung des Seuchengesetzes in einem vereinfachten und beschleunigten Gesetzgebungsverfahren absegnen lassen.
Schnell stellte sich heraus, dass zu einer dafür erforderlichen Dreiviertelmehrheit nicht reichte. Die rechten und liberalen Oppositionsparteien hatten angekündigt, eine solche Vorgehensweise nicht mittragen zu wollen. Die Änderung soll nun im normalen Gesetzgebungsprozess vorgenommen werden. Doch das wird dauern.
Wie geht es nun weiter mit den Nerzen? 2,5 Millionen Tiere sind zwischenzeitlich geschlachtet worden, rund 13 Millionen sollten eigentlich bis Anfang kommender Woche folgen. Verschiedene Züchter kündigten am Dienstag an, die Schlachtungen stoppen zu wollen. Andere planen, zumindest die Zuchttiere am Leben zu lassen, um ihren Bestand irgendwann wieder vergrößern zu können.
Die Neuen Bürgerlichen fordern ein Misstrauensvotum
Trotz aller Verwirrung um die Rechtsgrundlage – „es gibt keinen Weg zurück“, ist sich der Vorsitzende der Nerz-Zuchtvereinigung Danske Minkavlere Tage Pedersen sicher. Auch wenn einige Farmen nun versuchen sollten, mit der Zucht fortzufahren, „wir haben letztendlich keine Zukunft“. Er halte es für sinnvoller, die großzügige Entschädigung zu akzeptieren, die die Regierung auf Grundlage von Enteignungsvorschriften versprochen habe: „Auf diese Verhandlungen sollten wir jetzt alle unsere Kräfte konzentrieren.“
Ein politisches Nachspiel wird es für die sozialdemokratische Minderheitsregierung in jedem Fall geben. Auch aus den linken Parteien, auf die sie sich für parlamentarische Mehrheiten stützen muss, kam die Forderung nach einer gründlichen Untersuchung. Die werde es geben, versprach Regierungschefin Frederiksen umgehend. Die beiden rechtspopulistischen Parteien wollen mehr. Die Dänische Volkspartei fordert den Rücktritt des Landwirtschaftsministers, und Pernille Vermund, Vorsitzende der Neuen Bürgerlichen, kündigte ein Misstrauensvotum gegen die Regierung an.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Rechte Gewalt in Görlitz
Mutmaßliche Neonazis greifen linke Aktivist*innen an
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Langfristig ist doch alles super“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Slowakischer Regierungschef bei Putin im Kreml
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
Krieg in der Ukraine
„Weihnachtsgrüße“ aus Moskau