Massaker in Nigeria: Reisbauern „geschlachtet wie Tiere“
Beim schwersten mutmaßlichen Boko-Haram-Massaker in Nigeria dieses Jahr sterben mindestens 110 Menschen. Regierung kritisiert Opfer
Das Massaker ereignete sich rund 25 Kilometer von Maiduguri entfernt, der Hauptstadt von Nigerias nordöstlichster Provinz Borno, wo Boko Haram und ihre Abspaltung „Islamischer Staat der Provinz Westafrika“ (Iswap) aktiv sind. Immer wieder sagt die Regierung von Präsident Muhammadu Buhari, die Terroristen seien besiegt. Immer wieder beweisen diese dann das Gegenteil.
„Wir müssen optimistisch bleiben“, sagte Bornos Provinzgouverneur Babagana Zulum in seiner Trauerrede. Gleichzeitig schäumte Nigerias Dachverband zivilgesellschaftlicher Gruppen CDNDC in einer Erklärung, Buhari „sollte entweder die Leiter der Sicherheitsorgane, Geheimdienste und Polizei mit sofortiger Wirkung entlassen und den gesamten Sicherheitsapparat des Landes umbauen, oder er soll seinen Rücktritt einreichen“.
Das Massaker von Samstag ereignete sich in einer symbolisch besonders wichtigen Gegend: dem „Jere-Becken“, ein in britischen Kolonialzeiten durch Aufstauung des durch Maiduguri fließenden Ngadda-Flusses geschaffenes Reisanbaugebiet von 22.000 Hektar außerhalb der Provinzhauptstadt. Mehrfach aufgegeben, ist der Reisanbau immer wieder neu angeschoben worden. Die Reisbauern sind zugleich leichte Ziele für bewaffnete Gruppen.
Nachdem Buhari 2015 Nigerias Präsident wurde, war die Befriedung von Gebieten wie Jere zentrales Element seiner offensiven Antiterrorpolitik. Die UN-Agrarorganisation FAO half bei der Einführung moderner Reisanbaumethoden, und nach einer Rekordernte vor zwei Jahren errichtete die Provinzregierung von Borno mitten in Maiduguri stolz eine „Reispyramide“ als Erfolgssignal. Auf den Reisfeldern arbeiten sogar Migranten aus dem Nordwesten Nigerias, 1.000 Kilometer entfernt.
„Wir wussten, dass das Boko-Haram-Leute waren“
Genau die waren nun Zielscheibe der Angreifer, die am Samstag im Gehöft Garin-Kwashebe zuschlugen – ein Tag nach Verhaftung eines Islamistenkämpfers nach Denunziation durch die Bauern. Einige Männer „gingen auf uns zu und forderten uns auf, mit ihnen ans Ende des Feldes zu gehen“, berichtete ein Überlebender gegenüber lokalen Journalisten. „Wir hatten Angst, denn wir wussten, dass das Boko-Haram-Leute waren, die uns immer wieder anbetteln. Als wir am Feldrand ankamen, sahen wir aus der Ferne, wie ein Mann einem anderen die Kehle durchschnitt. Wir rannten panisch weg. Ich konnte entkommen, aber andere nicht.“
Ein weiterer erzählte, was mit den anderen geschah: „Sie wurden in ein Haus am Rand von Garin-Kwashebe gebracht. Nach ein paar Stunden wurden sie einzeln herausgeholt und befragt, ob sie mit der Verhaftung etwas zu tun gehabt hatten. Jeder, der aus dem Haus geführt wurde, wurde geschlachtet wie ein Tier.“ Viele Leichen seien in den sumpfigen Reisfeldern liegen gelassen worden, was erklärt, warum noch immer nicht die Gesamtzahl der Toten klar ist.
Die Reaktionen der Zentralregierung sorgen für Empörung. Die Landarbeiter hätten nicht die Erlaubnis der Armee eingeholt, bevor sie auf die Felder gingen, bemängelte am Montag Präsidentensprecher Garba Shehu. Informationsminister Alhaji Lai Mohammad sagte, Terrorismus sei ein „globales“ Problem.
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