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Maskenkäufe in der CoronazeitMinisterin Warken will Bericht geschwärzt vorlegen

Gesundheitsministerin Warken will Abgeordneten nun doch Einblick in den Ermittlungsbericht geben. Der könnte den Ex-Minister Jens Spahn belasten.

Gesundheitsministerin Nina Warken, CDU, im Deutschen Bundestag in Berlin, am 15.5. 2025 Foto: dts /imago

Berlin taz | Nun soll das Parlament doch noch Einblick in das „Drama in Milliardenhöhe“ erhalten. Die bisher als Geheimbericht eingestuften 170 Seiten, die Einblick in die Maskenbeschaffung des Gesundheitsministeriums zu Beginn der Corona-Pandemie geben, will Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) nächste Woche dem Haushaltsausschuss zusenden. Allerdings mit Schwärzungen. Der Bericht erhebt schwere Vorwürfe gegen Warkens Vorvorgänger im Amt, Jens Spahn (CDU), heute Fraktionsvorsitzender der Union im Bundestag.

Haushaltspolitiker der Grünen und der FDP forderten schon im Herbst 2024 den Bericht an. Dieser wurde allerdings erst von Ex-Gesundheitsminister Lauterbach und dann von Warken unter Verschluss gehalten. Paula Piechotta von den Grünen, Mitglied des Haushaltsausschusses, hegt weiterhin Zweifel, ob die Gesundheitsministerin tatsächlich Licht in den Maskendschungel bringen will. Der taz sagte sie: „Die CDU-Vertreter Warken und Spahn haben bislang oft Aufklärung angetäuscht, um dann nicht zu liefern.“ Ob man Warken glauben könne, dass sie dieses Mal wirklich den Bericht in einer verwertbaren Form vorlegen wolle, „ist mehr als fraglich“.

Warkens Parteifreund Spahn hatte als Gesundheitsminister zu Beginn der Coronapandemie, im Frühjahr 2020, Masken im Wert von fast 6 Milliarden Euro geordert. Zwei Drittel der insgesamt 5,7 Milliarden Masken aber wurden gar nicht verteilt, sondern später vernichtet oder eingelagert. Und nicht nur das: Lieferanten von damals verklagen den Staat heute noch auf nicht bezahlte Lieferungen. Die bisherigen Urteile legen nahe, dass die Steuerzahler noch einmal bis zu 3,5 Milliarden Euro für Masken bezahlen müssen, die nie zum Einsatz kamen. Wäre ein Teil dieser Kosten vermeidbar gewesen?

Ermittlungen der Verwaltungsjuristin Margaretha Sudhof (SPD) legen es nahe. Im Auftrag von Spahns Nachfolger im Amt, Karl Lauterbach (SPD), durchleuchtete Sudhof im vergangenen Jahr die damalige Beschaffungspraxis, befragte Mit­ar­bei­te­r:in­nen und studierte Lieferverträge. Ihr bislang geheimer Bericht, aus dem in den vergangenen Tagen schon Medien zitierten, wirft Spahn schwere Fehler vor. Von „politischem Ehrgeiz“ getrieben, habe Spahn die Beschaffung der Masken „allein meistern“ wollen. Das und „fehlendes ökonomisches Verständnis“ hätten am Ende dazu geführt, dass nicht als „Team Staat“, sondern als „Team Ich“ gehandelt wurde. Das Ergebnis sei „ein Drama in Milliardenhöhe“.

Milliardenauftrag für CDU-nahe Firma

Kritik übt die Ermittlerin nicht nur an Spahns Beschaffungspraxis. Dieser hatte Masken unter anderem in einem sogenannten Open House Verfahren besorgt, bei dem das Ministerium einmal Preis und Bedingungen festlegt und bei dem dann alle Anbieter, die diese Konditionen erfüllen, zum Zuge kommen. Laut der FAZ, die aus dem Sudhof-Bericht zitiert, hatte Spahn entgegen des Rates seiner Fachabteilung den Preis in die Höhe getrieben. Statt durchschnittlich 2,83 Euro pro Maske legte er einen Preis von 4,50 Euro fest. Die Folge: Das Ministerium bezahlte nicht nur mehr als 600 Millionen Euro zu viel, sondern wurde mit Masken förmlich zugeschüttet.

Die beauftragte Logistikfirma Fiege kam mit der Annahme, Prüfung und Lagerung der Masken nicht hinterher. Viele Lieferanten zogen vor Gericht, weil Fiege ihnen keine Lieferslots anbot und das Gesundheitsministerium am Ende die Bezahlung der Masken verweigerte – weil die Ware nicht geliefert wurde. Selbst Spahn räumte mehrfach ein, dass ein Großteil des Ärgers von heute auf das damalige Open House Verfahren zurückzuführen ist.

Doch Kritik entzündet sich auch an der Beauftragung der Firma Fiege selbst, die ohne Ausschreibung erfolgte. Denn Fiege ist geografisch und politisch eng mit dem Minister verbunden. Sie hat ihren Sitz in Spahns Heimatregion, dem Münsterland. Inhaber Hugo Fiege und Geschäftsführer Felix Fiege sind zudem führende Mitglieder im CDU-Wirtschaftsrat in Nordrhein-Westfalen, wo Spahn unter anderem im vergangenen Jahr auftrat.

Wie der Spiegel aus dem Sudhof-Bericht zitiert, hatte ein Beamter des Gesundheitsministeriums „händeringend“ darauf bestanden, Fiege zu beauftragen, und sich über Bedenken des Innenministeriums hinweggesetzt, das alternativ schon mit DHL im Gespräch war. Die zuständige Unterabteilungsleiterin aus dem Innenministerium wird mit den Worten zitiert: „Bitte nehmen Sie zur Kenntnis, dass es sich bei diesem Vorgehen insgesamt um eine politische Entscheidung handelt.“

Fiege erhielt vom Bund den Auftrag, Masken im Wert von 1,5 Milliarden Euro zu beschaffen. Wie aus dem Rahmenvertrag hervorgeht, der der taz vorliegt, erhielt die Firma bereits vor Vertragsunterzeichnung eine Abschlagszahlung in Höhe von 40 Millionen Euro, die anschließend verrechnet werden sollten.

Spahn: „Bin im Reinen mit mir“

Der Spiegel berichtet aktuell, dass Spahn auch darauf verzichtet haben soll, Schadensersatz bei Fiege anzumelden, nachdem die Lieferketten kollabiert waren. Laut Spiegel soll Spahns Chefeinkäufer Ingo Behnel zwar empfohlen haben, „Regress gegen die Firma Fiege“ zu prüfen. Auch die Beraterfirma EY, die im Auftrag des Bundes das Maskenchaos ordnen sollte, stellte eine Liste der Mängel zusammen. Doch offiziell geltend gemacht wurden diese nie.

Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen spricht gegenüber der taz von einem „Skandal“. „Jens Spahn hat offenbar nicht nur gegen jeden Rat Milliardenaufträge ohne Ausschreibung an ein CDU-nahes Unternehmen aus seiner Region vergeben, das von Beginn an heillos überfordert war – sondern dann auch noch persönlich verhindert, dass der Staat auf Schadenersatz klagt.“ Das sei kein Krisenmanagement, sondern Machtmissbrauch.

Spahn selbst wirbt ebenfalls für die Veröffentlichung des Sudhof-Berichts und begründet sein damaliges Vorgehen mit der Krise, in der man sich befunden habe. Man habe in dieser Zeit alles getan – koste es, was es wolle – um Masken, Desinfektionsmittel und weiteres Schutzmaterial zu beschaffen, sagte Spahn am Mittwoch im ZDF. „Wir haben in dieser Zeit nach dem besten Wissen und Gewissen gehandelt, um dieses Land sicher durch die Krise zu bringen. Da bin ich völlig im Reinen mit mir“, so Spahn.

Sowohl Grüne als auch Linke fordern allerdings einen Untersuchungsausschuss, um mögliche Missstände der Maskenbeschaffung aufzuklären. Doch die Chancen stehen schlecht. Denn für einen Untersuchungsausschuss, der mit den Stimmen eines Viertels der Abgeordneten eingesetzt werden kann, bräuchten beide Fraktionen entweder die AfD-Fraktion oder Stimmen aus SPD und Union. Ersteres wollen Grüne und Linke nicht, letzteres ist extrem unwahrscheinlich.

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