Maskengegner aus Idar-Oberstein: Lebenslang für Tankstellenmord

Mario N. erschoss in Idar-Oberstein einen Tankstellenwart, nun muss er lebenslang in Haft. Das Opfer sei ein Symbol gewesen, sagt das Gericht.

Eine Frau mit geschlossenen Augen, vor ihr Mikrofone

Die Mutter des Opfers spricht nach der Urteilsverkündung mit Journalisten Foto: Thomas Frey/dpa

BAD KREUZNACH taz | Lebenslange Haft wegen Mordes und mehrfachen Verstoßes gegen die Waffengesetze, so lautet das Urteil des Landgericht Bad Kreuznach gegen den Todesschützen von Idar-Oberstein, Mario N. Der 50-Jährige hatte am 18. September vergangenen Jahres den Tankstellenmitarbeiter Alexander W. nach einem Streit um das Tragen einer Infektionsschutzmaske erschossen.

Er habe dem 20-Jährigen „ohne zu Zögern“ ins Gesicht geschossen, stellte die Vorsitzende Richterin Claudia Büch-Schmitz in ihrer Urteilsbegründung fest. Mit seiner Tat habe er bewusst ein Zeichen setzen wollen und den jungen Mann als Symbol getötet, als Repräsentanten der Regierenden und der von ihm abgelehnten Schutzmaßnahmen vor der Pandemie.

Anders als von der Staatsanwaltschaft gefordert, erkannte das Gericht nicht eine „besondere Schwere der Schuld“. Nach 15 Jahren Haft kann N. deshalb bei einer günstigen Prognose für seine künftige Lebensführung in Freiheit entlassen werden.

In der Urteilsbegründung zeichnete das Gericht die der Tat vorangegangene Radikalisierung des Täters nach: seine grundsätzliche Ablehnung des Staates, seine wachsende rassistische und rechtsextreme Haltung gegenüber Migranten und Andersdenkenden, in die er sich bereits in der sogenannten „Flüchtlingskrise“ hineingesteigert habe. Das Gericht zitierte zahlreiche Chats, in denen Mario N. bereits damals Gewaltfantasien freien Lauf ließ. So hatte er Gegnern mit Messerattacken, Mordanschlägen und Gaskammern gedroht – es war allerdings zunächst bei Worten geblieben.

In der Pandemie radikalisiert

Mit der Pandemie und den von ihm abgelehnten staatlichen Schutzmaßnahmen war die Lage eskaliert. Mario N. hatte seinen wirtschaftlichen Niedergang, seine persönlichen Probleme und selbst den Suizid seines Vaters und dessen Tötungsversuch an N.s Mutter mit der Pandemie in Verbindung gebracht. „Allein der Hass auf das System und die Regierenden“, hätten ihn bei der Tat geleitet, so das Gericht. „Das Opfer war zufällig. Der Mensch Alexander W. zählte nicht.“

Im Urteil wurden die Mordmerkmale des Strafgesetzbuches „Heimtücke“ und „niedrige Beweggründe“ festgestellt. „Alexander W. wiegte sich in Sicherheit“, so Richterin Büch-Schmitz. Deshalb bejahte sie Heimtücke. Er habe sich auch von niedrigen Beweggründen leiten gelassen, als er sich auf ein vermeintliches Widerstandsrecht gegen die von ihm abgelehnten Bestimmungen des Staates berufen habe, auf die ihn sein Opfer hingewiesen hatte. „Aus nichtigem Anlass“ habe er Alexander W. erschossen. Eine „eklatante Missachtung des Lebens und der Person seines Opfers“, so die Richterin.

Wie die psychiatrischen Gutachter im Verfahren attestierte auch das Gericht dem Angeklagten eine volle Schuldfähigkeit. Weder der Genuss von Alkohol vor der Tat, noch die Beeinträchtigungen seines Lebens, für die er nach wie vor die Pandemie und die staatlichen Maßnahmen verantwortlich macht, seien als Schuldausschlussgründe zu werten, so das Gericht.

Keine besondere Schwere der Schuld

Das Strafgesetzbuch sehe für Mord lebenslange Haft „ohne Wenn und Aber“ vor, sagte die Vorsitzende Richterin. Die Voraussetzungen für die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld seien in diesem Fall allerdings nicht gegeben. Zwar habe der Täter der Familie des Opfers, seinen Freunden und den zufälligen Zeugen der Tat schweres Leid zugefügt. Trotzdem habe auch er nach 15 Jahren im Gefängnis einen Anspruch auf Haftprüfung, so Büch-Schmitz.

Staatsanwaltschaft und Nebenklage zeigten sich nach dem Urteil „zufrieden“. Wichtig sei ihr gewesen, dass das Gericht die Mordmerkmale Heimtücke und die niedrigen Beweggründe festgestellt habe, sagte Oberstaatsanwältin Nicole Frohn. Bei ihrem Antrag, die besondere Schwere der Schuld festzustellen, sei ihr klar gewesen, dass es um einen Abwägungsprozess gehe, bei dem man auch zu einem anderen Ergebnis kommen könne. Ob sie in Revision gehe, werde in ihrem Team entschieden, so Frohn.

In bewegten Worten dankte die Mutter von Alexander W., die auch die Urteilsverkündung im Gerichtssaal verfolgt hatte, allen Prozessbeteiligten für die Anteilnahme. „Wir werden jetzt die Scherben aus den vergangenen Monaten zusammensuchen“, sagte sie. Auf die Frage, ob sie dem Täter verziehen habe, meinte sie: „Wenn man einem Menschen das Leben nimmt, kann man darüber nicht hinweggehen.“ Das Strafmaß wollte sie nicht kommentieren. „15 Jahre für ein Menschenleben? Das Urteil ist nicht wichtig.“ Für die Mutter von Alexander W. dürfte mit dem Ende des Verfahrens wenigstens ein kleiner Teil der Last abgefallen sein.

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