Markus Söder zu CSU-Maskenaffäre: Wie Söder Bayern rettete
Vor dem Untersuchungsausschuss erzählt Markus Söder von einem verkannten Helden: sich selbst. Mit Maskendeals will er nichts zu tun gehabt haben.
Quintessenz: Ein wahrer Held, der vielen Menschen das Leben rettet, und hinterher nörgeln alle an ihm herum. Genau so fühlt sich Markus Söder. Gleich zweimal wird der bayerische Ministerpräsident an diesem Vormittag auf den Film zu sprechen kommen. Er ist der 151. und letzte Zeuge, den der Untersuchungsausschuss „Maske“ des bayerischen Landtags befragt. Mit ihm wird die Beweisaufnahme abgeschlossen.
Das Gremium beschäftigt sich mit Maskendeals, bei denen sich die ehemaligen CSU-Politiker Alfred Sauter und Georg Nüßlein wie etwa auch Andrea Tandler, die Tochter des früheren CSU-Ministers Gerold Tandler, massiv bereichert hatten. Und natürlich geht es den Abgeordneten dabei auch um die grundsätzliche Frage, wie die Staatsregierung zu Beginn der Pandemie bei der Beschaffung von medizinischer Schutzausrüstung verfahren ist.
Und Söder, so sieht es die Opposition, trägt die Gesamtverantwortung für all das, was damals in Sachen Maskenbeschaffung schiefgelaufen ist. Was wusste er? Wo hat er sich eingemischt? Der konkrete Erkenntnisgewinn der Befragung wird – wenig überraschend – überschaubar sein. Von Einblicken in die ministerpräsidentielle Gemütslage mal abgesehen. Captain Sully lässt grüßen.
„Massiver Druck aus der StK“
Im Zentrum des Interesses an Söders Maskentätigkeit steht eine SMS. Sie stammt von Söder und lautet den Akten zufolge: „Müsst ihr nehmen, Scheuer muss das garantieren!“ Die Nachricht ging am 31. März 2020 um 13.22 Uhr an Gerhard Eck, den Staatssekretär, der damals als Krisenhelfer ans Gesundheitsministerium abgeordnet wurde, und bezieht sich auf ein Maskengeschäft, das der damalige Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer eingefädelt hatte. Das Angebot stammte von einer Firma aus dessen Passauer Heimat.
Nur: Ein Großteil der acht Millionen OP-Masken, die von Söder und Scheuer im April 2020 medienwirksam am Münchner Flughafen entgegengenommen wurden, waren, wie sich bald herausstellte, äußerst fehlerhaft. Peinlich vor allem deshalb, weil das Gesundheitsministerium dem Vernehmen nach vor der Ansage von oben aus fachlichen Gründen ablehnen wollte.
Nein, an eine solche SMS könne er sich nicht erinnern, sagt Söder. Er schreibe sehr viele Nachrichten und lösche die immer sofort wieder. Er habe auch Zweifel, ob das sein Schreibstil sei. Umso mehr Eindruck scheinen die 47 Zeichen aus der Staatskanzlei bei den Mitarbeitern im Ministerium gemacht haben. Von „massivem Druck aus der StK“ ist da in internen Mails die Rede. Und: „Dann werden wir das Angebot wohl akzeptieren müssen, aber wie BM Scheuer das garantieren will, weiß ich nicht.“ Ein Vorhalt aus den Akten des Ausschusses, den Söder lediglich mit dem Kommentar quittiert: „Wir alle haben uns unter Druck gefühlt.“
Mit operativen Details der Maskenbeschaffung habe er gar nichts zu tun gehabt, behauptet der Ministerpräsident, dafür seien „die Profis“ zuständig gewesen, vornehmlich die Zuständigen im Gesundheitsministerium. Er habe da keinen Einfluss genommen oder gar Weisungen gegeben. Er selbst sei für die große Linie zuständig gewesen. „Das glaubt doch keiner im Ernst, dass der Ministerpräsident gesagt hätte: die eine Maske und die nicht.“ Er sei ja schon froh gewesen, wenn überhaupt Maskenlieferungen in Bayern angekommen seien. „Es war ja immer alles zu wenig in der Anfangszeit. Ohne Masken wären Leute reihenweise gestorben.“
Zu Beginn der Pandemie oft gebetet
So erinnere er sich durchaus noch an dem Termin am Flughafen und die Freude darüber, dass endlich mal eine große Menge an Masken geliefert worden sei. „Das war ein schöner Tag. Da war ich mal für ein paar Stunden erleichtert.“ Es sei ein Termin gewesen, „wo sich jeder gefreut hat wie ein Schnitzel“.
Den Großteil der übrigen Fragen beantwortet Zeuge Söder mit: „Kann ich mich nicht daran erinnern.“ Oder: „Keine Kenntnis, keine Erinnerung.“ Stattdessen erzählt er gern und ausführlich und ohne Angst vor dem Pathos, wie das denn damals so war zu Beginn der Pandemie.
Er spricht von der schwersten Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Einen solchen Ausnahmezustand, vor allem aber auch eine solche Verantwortung habe er noch nicht erlebt. Schutz- und wehrlos habe man sich gefühlt, keine Blaupause, keinen Notfallplan gehabt. Viele Menschen seien gestorben, die Zahlen erschreckend, die Zeiten bewegend gewesen. Und ja: Er habe auch oft in dieser Zeit gebetet.
Natürlich sei nicht alles immer perfekt gewesen. Aber: „Wir haben Bayern gut beschützt.“ Viele derjenigen, die heute alles besser wüssten, hätten sich damals allerdings weggeduckt.
Es sei darum gegangen, Menschen das Leben zu retten. Und das habe seine Regierung getan. Söder hat sogar eine Zahl parat: 130.000 Leben habe seine Regierung gerettet. Für ihn als engagierten Christen sei das eine Verpflichtung gewesen. „Charaktertest bestanden“, bescheinigt er sich selbst.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Pistorius lässt Scholz den Vortritt
Der beschädigte Kandidat
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Haftbefehl gegen Netanjahu
Begründeter Verdacht für Kriegsverbrechen
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin