Marktführer bei der Elektromobilität: China schaltet auf Elektro
Der weltgrößte Fahrzeugmarkt steckt in einem tiefen Abschwung. Umso kräftiger drückt die Führung in Peking bei der Elektromobilität auf's Gas.
Noch ist der M-Byte nicht auf dem Markt. Der chinesische Autohersteller Byton will sein erstes Modell Mitte des kommenden Jahres in China auf den Markt bringen. Byton wird in der Volksrepublik trotzdem schon als Shooting-Star gefeiert. Schließlich könnte es das erste E-Auto aus der Volksrepublik sein, das auch international erfolgreich ist. 2021 ist der Markteintritt für Nordamerika und Europa vorgesehen.
Chinas Autoindustrie hat einen Erfolg dringend nötig. Denn auf dem größten Automarkt der Welt kriselt es. Im November ist der Absatz zum 17. Mal in den vergangenen 18 Monaten gesunken, wie der Branchenverband PCA (China Passenger Car Association) mitteilte. Lediglich im Juni dieses Jahres waren die Verkaufszahlen gestiegen, nachdem Händler die Kunden mit hohen Rabatten in ihre Häuser gelockt hatten. Branchenkenner sprechen bereits von einer „historischen Flaute“. Auch die deutschen Autobauer Daimler, BMW und Volkswagen spüren die sinkende Nachfrage, sind auf dem auch für sie wichtigsten Auslandsmarkt der Welt aber bei weitem nicht so stark betroffen wie die lokalen Hersteller. Umso mehr ist die chinesische Führung nun darum bemüht, die heimische Autobranche auf Elektromobilität umzupolen.
Sie heißen Thunder Power, Lucid Motors, Faraday Future – es vergeht kaum ein Monat, an dem nicht ein weiterer Anbieter für Elektroautos die Bühne betritt. Schon etwas länger von sich reden macht BYD: Das Unternehmen, das einst ein reiner Batteriehersteller war, ringt nun mit Tesla um den ersten Platz als weltgrößter Elektro-Autohersteller. Trotz allgemeiner Absatzkrise hat der chinesische E-Auto-Bauer bis Mitte des Jahres seinen Gewinn im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf rund 1,6 Milliarden Yuan mehr als verdreifachen können.
Subventionen laufen aus
Nach Einschätzung des Beratungsunternehmen Roland Berger belegt China im Rennen um E-Mobilität einen Spitzenplatz. „Kein anderes Land ist so fortschrittlich und offen für neue Technologien“, sagt Wolfgang Bernhart, Partner bei Roland Berger. Dieser Erfolg ist aber keineswegs der technischen Überlegenheit geschuldet. Mit massiver Förderung und rigiden Regeln hat die chinesische Führung massiv zu dieser Entwicklung beigetragen. Seit Anfang des Jahres muss jedes zehnte in der Volksrepublik produzierte Auto in China ein Elektroauto oder mit einem Hybridmotor ausgestattet sein.
In den vergangenen Jahren hat der chinesische Staat den Verkauf von Elektroautos massiv gefördert: Bis Mitte des Jahres gab es auch noch kräftige Subventionen beim Kauf eines E-Autos. Diese direkten Subventionen sind zwar ausgelaufen. Doch dahinter steckt die Logik, dass das Elektroauto ab sofort die Normalität sein soll und die Regierung schlecht den gesamten Fahrzeugmarkt subventionieren kann. In den letzten Monaten sind die Verkaufszahlen auch bei der Elektromobilität eingebrochen.
China ist Ladesäulenweltmeister
Der Ausbau der Ladesäulen geht dennoch weiter. Bereits eine Million Strompunkte stehen in den chinesischen Städten bereit, die nationale Elektrizitätsgesellschaft hat zudem für eine ununterbrochene Kette von Lademöglichkeiten entlang der Autobahnen gesorgt. Bis Ende des kommenden Jahres sollen es erstaunliche 4,8 Millionen Ladepunkte sein.
Das alles zeigt Erfolg: 700.000 rein elektrisch betriebene Autos wurden allein 2018 in China verkauft. Nach Schätzungen der Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) werden die Verkäufe umweltfreundlicher Fahrzeuge in China bis 2020 auf 1,4 Millionen Stück in die Höhe schießen. Bis 2025 soll dann ein Fünftel aller verkauften Fahrzeuge in China elektrisch fahren.
Chinesen setzen auf die Froschtaktik
Im traditionellen Geschäft mit Benzinern haben es die chinesischen Hersteller hingegen all die Jahre nicht geschafft, mit der Konkurrenz aus dem Ausland mitzuhalten. Vor allem die deutschen Autobauer waren nicht mehr zu schlagen und eilten von einem Verkaufsrekord zum nächsten. Inzwischen setzen die Chinesen auf die Froschtaktik: Statt sich ein aussichtsloses Duell mit deutschen Ingenieuren um die filigransten Motoren und Getriebe zu liefern, sind sie dabei, eine Technologiestufe zu überspringen, und setzen daher umso massiver auf die Entwicklung von E-Autos.
Zum Teil pumpt der Staat selbst massiv Geld in diese neuen Unternehmen. An Byton etwa ist FAW (First Automotive Works) beteiligt, Chinas wichtigster Autobauer, der unmittelbar der chinesischen Zentralregierung unterstellt ist. Und auch die chinesischen Technologie-Riesen investieren kräftig: Byton etwa weiß auch den IT-Giganten Tencent hinter sich sowie den Apple-Auftragsfertiger Foxconn aus Taiwan.
Treibende Kraft bei Batterietechnologie
Vor allem aber auf dem Markt für Batterien, der Schlüsseltechnologie bei E-Mobilität, sind die Chinesen zur treibenden Kraft aufgestiegen. Das zeigt sich derzeit auch in Thüringen: Nachdem der chinesische Batterie-Hersteller Catl den chinesischen Markt aufgerollt hat, soll bei Erfurt bald der Bau einer der größten Batteriezellen-Fabriken Europas beginnen. Europäische Konkurrenz ist bislang nicht vorhanden. Und so bleibt selbst Autobauer BMW bislang nicht viel Auswahl, als ebenfalls auf chinesische Batteriehersteller zurückzugreifen.
Die deutschen Hersteller in China sind auf diesen Zug zwar spät aufgesprungen. Und doch werden ihnen noch gute Chancen eingeräumt. „Derzeit beherrschen die Chinesen den E-Markt ihres Landes“, sagt der chinesische Autoanalyst Jia Xinguang. Im Angebot hätten die meisten von ihnen bislang aber meist nur „mittelmäßige Technik“. Byton und NextEV seien eine Ausnahme, ihre Bewährungsprobe stehe aber noch bevor.
Der Analyst ist sich sicher, dass nicht nur VW mit seiner ID3-Plattform, dessen Autos auch bald in seinen chinesischen Fabriken hergestellt werden, sondern auch BMW und Daimler rasch mit Modellen nachziehen, „die dann den heimischen Anbietern überlegen sein werden“. Die Markenwirkung sei nicht zu unterschätzen, die die Deutschen noch immer haben. Analyst Jia: „Ein Mercedes ist hier ein Statussymbol. Egal ob er mit Benzin oder Strom fährt.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Angriffe auf Neonazis in Budapest
Ungarn liefert weiteres Mitglied um Lina E. aus
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Im Gespräch Gretchen Dutschke-Klotz
„Jesus hat wirklich sozialistische Sachen gesagt“