Mark Zuckerbergs Männlichkeitsbild: Der neue Tech-Boss-Maskulinismus
Meta-Chef Mark Zuckerberg fordert mehr „maskuline Energie“ in Unternehmen und Gesellschaft. Dadurch befördert er den Antifeminismus.
Was macht einen Menschen am schnellsten zu einem Libertären? Die Lust am Kapitalismus oder das Misstrauen gegenüber dem Staat? Die Liebe zum Individualismus und zur uneingeschränkten Freiheit? Laut Joe Rogan, dem weltweit erfolgreichsten Podcast-Moderator, ist es Brazilian Jiu-Jitsu. Der brasilianische Kampfsport für den Bodenkampf ist nicht nur ein vermeintlich libertärer Inkubator, sondern auch das Lieblingshobby von Meta-Chef Mark Zuckerberg. In seinem Podcast „The Joe Rogan Experience“ sprach er mit Zuckerberg über künstliche Intelligenz, die neuen Meta-Richtlinien und Zuckerbergs Faszination für den Kampfsport. Doch fanden sich in dem Gespräch auch sexistische und verstörende Aussagen.
Anfang Januar talkten Zuckerberg und Rogan knapp drei Stunden miteinander und streiften allerlei Themen. Besonders am Kampfsport arbeiteten sich die beiden ab, denn der Facebook-Gründer trainiert seit 2022 regelmäßig Mixed Martial Arts (MMA). In dem populären Kampfsport werden Techniken im Stand mit denen am Boden verbunden. Die Sportler:innen müssen also Ringen, Brazilian Jiu-Jitsu, Boxen und Kickboxen beherrschen. Während der junge Sport in den 1990er Jahren noch das Image proletenhafter Gladiatorenkämpfe hatte, konnte er sich mittlerweile professionalisieren und etablieren. Die Ultimate Fighting Championship (UFC) hat ein Monopol auf den Sport und ist zur größten Kampfsportliga der Welt avanciert. Zuckerberg ist großer Fan der Organisation, die dem US-Präsidenten Trump eine Bühne geboten hat, als andere Sportligen ihn ausluden.
Im Podcast ist Zuckerberg voll des Lobes für UFC-Präsident Dana White. Auch über seine MMA-Leidenschaft kommt der 40-Jährige ins Schwärmen: „Es ist eine Superkraft. Es ist interessant, weil ich denke, dass ein großer Teil unserer Gesellschaft wirkt, ich weiß nicht einmal das richtige Wort dafür, als ob sie kastriert oder entmannt wäre.“
Es ist nicht die einzige kontroverse Aussage, die der Firmenchef tätigt. Er spricht auch darüber, Aggressionen zu zelebrieren: „Ich denke, eine Kultur, die die Aggression ein bisschen mehr zelebriert, hat ihre eigenen Vorzüge. Und das ist eine positive Erfahrung für mich. Es ist etwas, das ich mit meinen männlichen Freunden machen kann, und es ist einfach so, dass wir uns gegenseitig ein bisschen prügeln.“ Und damit nicht genug. So behauptet der dreifache Familienvater, dass die Gesellschaft Männlichkeit inzwischen als etwas Schlechtes ansieht: „Ich denke, wir sind kulturell in den Bereich des Spektrums gerutscht, in dem es heißt: Okay, Männlichkeit ist giftig. Wir müssen sie komplett abschaffen. Aber beide Dinge sind doch gut, richtig. Es ist doch so, dass man auch weibliche Energie will. Du willst männliche Energie. Ich denke, dass Teile der Gesellschaft mehr von dem einen oder dem anderen haben.“ Doch eine Erklärung, was überhaupt weibliche und männliche Energien sind, bleibt Zuckerberg schuldig.
Zuckerberg hat sich verändert
Spätestens seit Zuckerberg MMA für sich entdeckt hat, scheint er sich verändert zu haben. Der Firmenchef hat in den vergangenen zwei Jahren ohnehin eine optische und wertetechnische Transformation durchlaufen. Während er bei seinem ersten Auftritt in der „The Joe Rogan Experience“ im August 2022 noch in Polohemd und mit glatten Haaren saß, sieht man ihn nun mit Goldkettchen, lockerem Oversize-Shirt und trendiger Lockenfrisur. Es ist passend, dass nun auch Facebook, Instagram und Threads einen Prozess durchlaufen. Zuckerbergs Firmen passen nach Trumps Rückkehr ihre Richtlinien an, wodurch Hate Speech und Fake News freier verbreitet werden können. Er rechtfertigt das mit „einem kulturellen Wendepunkt hin zu einer erneuten Priorisierung der freien Meinungsäußerung“.
Der Unternehmer äußert seine Meinung auch frei im Podcast, wenn er darüber spricht, dass die männliche „Unternehmenskultur sich in dieser Hinsicht in eine kastrierte Richtung bewegt. Und ich habe das nicht wirklich gespürt, bis ich mich mit Kampfsport beschäftigt habe, was meiner Meinung nach immer noch eine viel männlichere Kultur ist.“ Dabei sind MMA, Boxen und andere Kampfsportarten längst keine Männerdomänen mehr, auch wenn knapp bekleidete Ring Girls auf ein antiquiertes Geschlechterbild hindeuten.
In der UFC sind Amanda Nunes und Valentina Shevchenko legendäre Champions, Claressa Shields gilt als Jahrhundertboxerin. Dazu erleben Selbstverteidigungskurse für Frauen eine Hochkonjunktur. Wenn Frauen es für nötig halten, sich selbst zu verteidigen, liegt das sicher nicht daran, dass sie nicht genügend männliche Energie in ihrem Leben haben. Das Gegenteil ist der Fall.
Zuckerberg kreiert sich sein eigenes Narrativ
Doch das blendet Zuckerberg aus. Stattdessen stimmt Rogan ihm in seinen Ansichten und seiner undifferenzierten Liebe zum MMA zu. „Es ist auch gut zu wissen, dass man Menschen töten kann“, so Rogan. „Wenn etwas schiefgeht, ist es gut, das zu wissen. Ich denke, das gibt ein gewisses Vertrauen und das ist eine wichtige Fähigkeit.“ Der Moderator ist nicht nur ein langjähriger Kommentator in der UFC, sondern auch ein enger Vertrauter von Trump und lud ihn im Vorfeld der Wahlen zu sich ein. Dass Zuckerberg sich dort präsentiert, ist nicht nur eine Anbiederung an die neue Politik in den USA, sondern auch an den in ihr liegenden Rechtskonservatismus und Autoritarismus.
In der Philosophie nimmt der Kampfsport eine gegenteilige Rolle ein. Der mentale Kampf mit sich selbst, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Körper und das Überwinden des gegnerischen werden bereits von Platon, Musashi und Konfuzius erwähnt – ganz ohne krude Vergleiche zu weiblichen und männlichen Energien. Zuckerberg kreiert sich sein eigenes Narrativ des harten Kämpfers, der das Maskuline mit anderen Männern auslebt. Er macht deutlich, dass in dieser Erzählung Frauen keinen Platz haben.
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