Marco Rubio als neuer US-Außenminister: Little Marco in Osteuropa
Niemand kann Trumps Westbalkan-Politik vorhersagen. Gerade deswegen muss sich die EU gegen russisch-serbische Aggressionen wappnen.
D ie Nominierung von Senator Marco Rubio zum Außenminister durch den wiedergewählten Präsidenten Donald J. Trump kam überraschend. Der ehemalige Wettbewerber, den Trump während des republikanischen Wahlkampfes 2016 als „little Marco“ verspottete, ist ein außenpolitischer Falke und Transatlantiker.
Dass Trump prompt ihn für das wichtige Amt auswählte und nicht, wie von vielen Beobachtern erwartet, seinen engsten Berater Richard Grenell, ist erstaunlich. Letzterer wird nun als Gesandter für den Ukrainekrieg gehandelt.
forscht als Politikwissen schaftler seit 1991 zum ehemaligen Jugoslawien. Er war 20 Jahre unter anderem für die UN, die Nato, die OSZE, das OHR und die EU tätig, zumeist zur Friedensumsetzung auf dem West balkan. Als Oberstleutnant arbeitete er bis vor Kurzem als Interkultureller Einsatzberater der Bundeswehr für Auslandseinsätze.
Die Nominierung Rubios könnte eine Hoffnung für die Opfer der serbischen Aggressionen auf dem Balkan sein, denn Grenell fällt immer wieder durch eine proserbische Haltung auf. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić verlieh ihm 2023 den höchsten Verdienstorden.
Als Balkan-Gesandter Trumps war er 2020 der Drahtzieher des Sturzes von Kosovos Premier Albin Kurti. Der frei von Korruptionsvorwürfen regierende Politiker Kurti hat es geschafft, die Rechtsstaatlichkeit mit EU-Hilfe erheblich voranzutreiben, womit Kosovo nun weit besser dasteht als Serbien.
Sturz von Kosovos Präsident Kurti
„Meine Regierung wurde für nichts weniger gestürzt, weil Botschafter Grenell es eilig hatte, ein Abkommen mit Serbien zu unterzeichnen“, so Kurti im April 2020. Seine Weigerung, einem Gebietsaustausch zwischen Serbien und Kosovo nach ethnischen Kriterien zuzustimmen, beendete vorerst seine Karriere.
Geplant war, die serbischen Mehrheitsgemeinden Nordkosovos gegen das albanisch dominierte Preševo-Tal Südserbiens auszutauschen.
Dies hätte eine Kettenreaktion auf dem multiethischen Balkan auslösen können: Der serbisch dominierte Teil Bosniens, die Republika Srpska (RS), hätte sich etwa Serbien angeschlossen, Albaner in Nordmazedonien und Montenegro Kosovo.
Ein Dominoeffekt hätte bewaffnete Konflikte zur Folge haben können. Da der damalige Präsident Kosovos, Hashim Thaçi, durch das Haager Kriegsverbrechertribunal angeklagt wurde, war der Plan undurchführbar.
Serbien feiert Trumps Wahlsieg
Dieses Jahr fädelte Grenell laut New York Times einen 500-Millionen-US-Dollar Deal für die Immobilienfirma von Trumps Schwiegersohn Jared Kushner in Belgrad ein. Es ging um das ehemalige Generalstabsgebäude der Jugoslawischen Volksarmee, das von Nato-Bomben 1999 zerstört wurde.
Solch einen „guten Deal“, wie Trump sie liebt, sollte man beachten, gerade weil er Jahre vor Kushner ein Auge auf dasselbe Projekt geworfen hatte.
Es ist kein Geheimnis, dass die serbischen Führungen und die RS einem Sieg Trumps entgegenfieberten. Der Führer der bosnischen Serben, RS-Präsident Milorad Dodik, organisierte sogar eine Siegesparty zu Ehren Trumps in seinem Präsidentenpalast in Banja Luka.
Dann spekulierte er, wie Männer aus der RS Wehrdienst in den Streitkräften Serbiens ableisten könnten – ein weiterer Schritt zur Unterwanderung Bosniens.
Waffenlieferungen als guter Deal für Trump?
Niemand kann Trumps Politik voraussagen. Er wird sie so formen, wie es gerade passt, auch hinsichtlich „guter Deals“. In Trumps erste Amtszeit fielen 2017 allerdings zwei wichtige Entscheidungen, die überraschten: Er lieferte erstmals (!) „tödliche Waffen“, wie die legendäre Panzerabwehrrakete „Javelin“, an die ukrainischen Streitkräfte.
Sein Vorgänger, Barack Obama, hatte Kyjiw diese seit dem russischen Überfall 2014 versagt. Ohne die „Javelin“, die Präsident Biden vor der russischen Vollinvasion 2022 lieferte, ist es unwahrscheinlich, dass die Ukraine den Angriff hätte stoppen können.
Eine Sprecherin des State Departments unter Trump sagte 2017, die USA hätten entschieden, es der Ukraine zu ermöglichen „weitere Aggressionen abzuwehren“.
Eine weitere langfristig wichtige Entscheidung betraf Bosnien, nämlich finanzielle Sanktionen gegen den sezessionistischen RS-Präsidenten Dodik und seine Regierung zu erlassen. Diese wurden seit 2017 verschärft, zuletzt nach Trumps Wahlsieg. Die Sanktionen haben das Regieren Dodiks erheblich erschwert.
Russlands Außenposten im Westbalkan
Es stellt sich die Frage, ob Trump tatsächlich zwei der wichtigsten US-geführten Friedensprojekte nach dem Marshallplan – Bosnien und Kosovo – aufs Spiel setzen würde, sprich diese Serbien „zu überlassen“. Wenn Belgrad versuchen würde, die „Serbische Welt“ umzusetzen, wäre Moskau der Gewinner.
Vučić und Dodik sind de facto Russlands Außenposten auf dem Balkan. Putin könnte dann Nato-Kräfte hier binden, um die Friedensmissionen in Kosovo und Bosnien zu retten. Bei einen serbischen Sieg hätte er über seine Verbündeten erheblichen Einfluss im „Innenhof“ der Nato und der EU. Ein solches Chaos zugunsten Moskaus könnte Trump als Verlierer dastehen lassen, ähnlich wie es für Biden bei Afghanistan war.
Grenell als Vize U.S. Außenminister
Falls Grenell nicht zum Sondergesandten ernannt würde, könnte er „Stellvertretender Außenminister für Europäische Angelegenheiten“ werden. Während der Balkan-Kriege hatte der Architekt des Dayton-Friedensabkommens, Richard Holbrooke, diese wichtige Position inne. Holbrooke war zuvor, wie Grenell, US-Botschafter in Berlin.
Bemerkenswert bei Grenell, den Trump „meinen Gesandten“ nennt, ist: Er gilt als einziger Vertrauter außerhalb von Trumps Familie, der ihm über die Jahre stets treu geblieben ist.
Unabhängig von Trumps Politik gegenüber dem Balkan sollte die EU ihrer historischen Verantwortung nachkommen und aus den gravierenden Fehlern der 1990er Jahre lernen. Hierfür wäre eine signifikante Aufstockung der Friedenstruppe Eufor Althea in Bosnien, auch mit britischen Soldaten, unerlässlich, um eine serbische Sezession zu verhindern und serbische Angriffe abzuschrecken.
Wenn die EU dazu nicht bereit ist, sollte sie die legitimen Streitkräfte Bosniens und Kosovos so ausstatten, dass sie sich eines erneuten Angriffs erwehren könnten.
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