Nach den Kämpfen im Nordkosovo: Alles eine Frage der Interpretation
In Serbien und Kosovo rollt die Propagandamaschine an. Viele Fragen bleiben offen, doch gewiss ist: Beide Seiten gießen Öl ins Feuer.
Das weiß man bis jetzt über das Blutbad im Kosovo. Alles andere sind Spekulationen – und die sind, wie immer wenn es um serbisch-albanische Probleme geht, teils widersprüchlich.
In Kosovos Hauptstadt Pristina war sofort klar: Aus Belgrad unterstützte „serbische kriminelle Banden“ hätten einen terroristischen Angriff auf kosovarische Rechtshüter ausgeübt. Eine „professionelle Formation“ sei am Werk gewesen, erklärte Kosovos Ministerpräsident Albin Kurti, die „finanziell und logistisch“ untersützt werde aus Belgrad. Er warf, abermals, Serbien vor, Kosovo destabilisieren zu wollen.
Aus der serbischen Hauptstadt Belgrad betrachtet hatte man dagegen nicht den Eindruck, dass serbische Behörden von der bewaffneten Auseinandersetzung etwas ahnten. Der Parlamentspräsident sagte am Sonntagmorgen nur Vages über den Vorfall, andeutend, dass Albaner Schuld seien an allem. Aber dann herrschte den Tag über Funktstille. Man wartete auf Staatspräsident Aleksandar Vučić.
Die serbischen Medien sind sich in der Schuldfrage einig
Der meldete sich erst zwanzig Stunden nach dem Blutvergießen zu Wort. Der „einzige Schuldige“ sei Albin Kurti, sagte Vučić in einer Ansprache an das serbische Volk. Kurtis „größter Wunsch“ sei es, Sebien wieder in einen Krieg mit der Nato hineinzuziehen. Früher hatte Vučić den kosovarischen Regierungschef „terroristischer Abschaum“ genannt.
Dementsprechend sahen am Montag auch die Titelseiten der gleichgeschalteten serbischen Boulevardpresse aus: „Kurtis Terroristen töten Serben“; „Das Blut klebt an Kurtis Händen“; „Blutige Früchte des Terrors, den Pristina ausübt“. Ein ähnlicher Ton war im Morgenprogramm der ebenfalls gleichgeschalteten serbischen Fernsehsender zu hören.
Die These der Machthaber in Serbien lautet: Die Repression gegen die Serben im Kosovo sei so inakzeptabel, dass man sich nicht wundern braucht, wenn sich jemand zur Wehr setzt. Selbst wenn Serben tatsächlich zuerst auf albanische Polizisten geschossen hätten, seien sie provoziert worden, denn die kosovarische Polizei habe, laut den Brüsseler Abkommen, in mehrheitlich von Serben bewohnten Gemeinden ohnehin nichts zu suchen.
Die wenigen kritischen serbischen Medien spekulierten, Vučić habe die Kontrolle über einen Teil der im Kosovo lebenden Serben verloren, jedoch könne allein Kurti einen Nutzen aus der jüngsten Krise ziehen. Vereinzelt hörte man auch, dass man in dem bewaffneten Vorfall eine „russische Handschrift“ erkennen könne.
Mehr Fragen als Antworten
Derweil gibt es mehr Fragen als Antworten: Wer sind die Serben, die albanische Polizisten angriffen? Woher hatten sie die Waffen? Wie kann es sein, dass niemand etwas mitbekommen hatte: weder kosovorische oder serbische Sicherheitsdienste noch die internationale Friedenstruppe Kfor der Nato, die EU-Mission im Kosovo Eulex oder die UN-Mission Unmik?
Dabei ist bekannt, dass Kosovo ein Pulverfass ist. Erst im Mai waren rund 30 Kfor-Soldaten bei Krawallen im Nordkosovo verletzt worden.
Der „Brüsseler Dialog“, Gespräche zwischen Belgrad und Pristina unter der Obhut der EU und amerikanischem Nachdruck, waren noch vor dem jüngsten Vorfall in eine Sackgasse geraten. Der Druck der EU und USA war in den letzten Wochen auf Kurti konzentriert, er sollte der Gründung einer Assoziation serbischer Gemeinden zustimmen, einer Selbstverwaltungsorganisation der Serben im Kosovo. Kurti lehnte das ab. Noch vor einem Jahr haben Serben aus Protest alle Institutionen des Kosovo verlassen.
Wie es weiter gehen soll, weiß niemand. Anstatt zu versuchen, die Situation zu beruhigen, heizen beide Seiten das Feuer immer weiter an.
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