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Macrons Westafrika-ReiseFrankreichs alte Scheinheiligkeit

Kommentar von Katrin Gänsler

Beim Besuch in den westafrikanischen Ex-Kolonien sucht Frankreichs Präsident Macron nach Verbündeten gegen Putin. Menschenrechte kümmern ihn wenig.

Benins Präsident Patrice Talon trifft Emmanuel Macron im Präsidentenpalast in Cotonou, Benin Foto: Coffi Seraphin Zounyekpe/reuters

F rankreich, einst größte Kolonialmacht in Westafrika, muss sich nach dem Desaster in Mali dringend neu positionieren. Lange war klar, dass die Antiterrormission „Barkhane“ ihre Ziele nicht erreicht, Alleingänge unternimmt und Absprachen bricht. In Westafrika hat das zu einer antifranzösischen Stimmung wie schon lange nicht mehr geführt. Ein anderer Ansatz der Afrikapolitik muss her.

In Benin, der zweiten Etappe seiner Afrikareise, versucht Präsident Emmanuel Macron deshalb mit eher unverfänglichen Bereichen wie Bildung und Kultur Boden zu gewinnen. Benin hat vergangenes Jahr 26 von französischen Truppen im späten 19. Jahrhundert geraubte Objekte zurückerhalten. Macron selbst hatte 2017 Restitutionen angekündigt.

Frankreich gibt der einstigen Kolonie damit Würde und Geschichte zurück. Benins Präsident Patrice Talon wiederum konstruiert ein Gefühl von Stolz und Gemeinschaft. Beide Seiten glänzen, was ein überaus geschickter Schachzug ist.

In Kamerun, dem ersten Stopp der Reise, war das anders. Dort hat Macron Afrika „Scheinheiligkeit“ in Bezug auf den Ukrainekrieg vorgeworfen. Vor allem afrikanische Staaten würden den russischen Angriff nicht deutlich verurteilen. Präsident Paul Biya, der seit 1982 an der Macht ist, kontert mit dem Recht Kameruns auf Nichteinmischung.

Diese Scheinheiligkeit praktiziert Macron aber auch selbst. In Kamerun spricht er die anglofone Krise, durch die knapp 580.000 Menschen auf der Flucht sind, ebenso wenig an wie Gewalt gegen die LGBT-Gemeinschaft. Auch in Benin erwähnt er nicht, dass die beiden Op­po­si­ti­ons­po­li­ti­ke­r*in­nen Joël Aivo und Reckya Madougou nach fragwürdigen Anschuldigungen und Verfahren langjährige Haftstrafen verbüßen und die Demokratie weiter eingeschränkt wird.

Es ist klar: Da Russland nun offensichtlich und massiv um Verbündete in Afrika wirbt, ist Europa und gerade Frankreich unter Zugzwang. Strategische Allianzen zählen mehr als die Einhaltung von Menschenrechten und der Schutz der Verfassung.

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Westafrika-Korrespondentin
Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.
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4 Kommentare

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  • 1G
    17900 (Profil gelöscht)

    Frankreich hat sein koloniales Denken nicht aufgegeben. Das gilt vor allem für Westafrika und die dort vorhandenen Rohstoffe.



    Auch das Uran aus dem Niger wird beschützt, notfalls mit Gewalt vermute ich.

    • @17900 (Profil gelöscht):

      Sind Russland und China diesbzgl. denn so viel gewaltfreier??

  • Frau Gänsler verwendet den Vorwurf Macrons nun gegen ihn selbst.



    Scheinheiligkeit



    Aber die Relationen sind jeweils unterschiedliche:



    Biyas Diktatur nicht zu kritisieren ist ein Verzicht auf einen Vorwurf in Richtung mehr Demokratie.



    Scheinheilig ist es wenn man selbst das gleiche macht, was man anderen vorwirft.



    Macron sollte sich also für die Rechte von Minderheiten mehr einmischen oder weniger?

  • Es zeigt aber auch, dass Europa und selbst das große Frankreich in Afrika nicht mehr die alles dominierenden Kolonialherren sind und Afrika jedes willkürliche Verhalten einfach hinnimmt, weil hinnehmen muss. Dieses Bild stimmt nicht mehr so ganz. In vielen Dingen müssen Europa und Frankreich anscheinend kleine Brötchen backen in Afrika, sind nicht sehr beliebt, müssen mehr bitten als dass sie fordern können.