Macht der Konzerne: Macht kaputt, was euch kaputt macht

Immer mehr Länder bringen eine Zerschlagung von Tech-Konzernen ins Spiel. Damit entsteht eine Chance, die genutzt werden sollte.

Ein Hammer symbolisiert die Zerschlagung einer Wand

Zerschlagung der zunehmenden Machtkonzentration von Tech-Konzernen Foto: John-Patrick Morarescu/plainpicture

Gefährlich aussehende Prot­ago­nis­t:in­nen mit scharfem Gebiss und spitzen Klauen sieht man an Halloween sehr oft. Die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen trat trotzdem nicht an diesem Feiertag, sondern Anfang November in Kraft. Und das, obwohl Wirtschaftsminister Robert Habeck doch ausdrücklich „Klauen und Zähne“ gefordert hatte für das neue Kartellrecht – auch wenn es das Vorhandensein von beidem erst noch unter Beweis stellen muss.

Das, was da an Scharfem und Spitzem und Zubeißendem drin sein soll, ist etwas, das vor allem bei großen Konzernen für Unruhe sorgen könnte: Entflechtung oder, für alle, die das Wort lieber mögen: Zerschlagung. Und zwar mit deutlich niedrigeren Hürden, als es das alte Recht vorsah. Huch? Zerschlagung? In Deutschland, wo doch Wirtschaftsstandort und Arbeitsplätze ganz oben stehen auf der Liste von gewichtigen Argumenten, um Unternehmen möglichst sanft zu behandeln?

Nun, was da los ist: In den vergangenen Jahren sind einige wenige Konzerne immer mächtiger geworden – und immer schwieriger zu regulieren. Allen voran sind das Tech-Konzerne wie Amazon, Meta oder Airbnb. Das liegt unter anderem daran, dass sich bei digitalen Geschäftsmodellen so elegant Dinge von einem Land ins andere verschieben lassen, dorthin, wo gerade die politischen Rahmenbedingungen günstig sind. Oder die Steuern. Oder beides. Es liegt auch daran, dass im Digitalen bestimmte Effekte die Monopolbildung begünstigen. Zum Beispiel der Netzwerkeffekt, von dem auch Amazon profitiert: Ein breites Angebot auf der Plattform zieht viele Kun­d:in­nen an. Und wo viel potenzielle Kundschaft unterwegs ist, kommen gerne neue Händ­le­r:in­nen dazu.

Dass diese zunehmende Machtkonzentration nicht nur Vorteile hat, spricht sich international immer weiter herum: So hat Anfang Oktober die britische Medienaufsicht Ofcom das dortige Kartellamt beauftragt, die Dominanz von Amazon und Microsoft auf dem Cloud-Markt unter die Lupe zu nehmen. In den USA hat die Aufsichtsbehörde Federal Trade Commission im September eine lang erwartete Kartellklage gegen Amazon eingereicht. 17 Ge­ne­ral­staats­an­wäl­t:in­nen der Bundesstaaten haben sich ihr angeschlossen. Auch hier könnte am Ende des Prozesses das Z-Wort stehen.

Selbst die EU hat mittlerweile entdeckt, dass man zum Einhegen von Konzernen vielleicht etwas mehr machen könnte, als bei einem mutmaßlichen Verstoß einige Jahre zu prüfen, sich dann einige weitere Jahre um das Ergebnis der Prüfung vor Gericht zu streiten und dann, wenn die Technologie längst weiter ist, ein halbgares Einlenken zu bekommen. Mit dem Digital Markets Act werden Konzerne Schritt für Schritt mehr reguliert. Wenn alle anderen Maßnahmen nichts helfen sollten, steht auch hier als letztes Mittel: Zerschlagung.

Doch in Deutschland war über die problematische Machtkonzentration supranationaler Konzerne noch ein weiterer Faktor nötig: Der Angriffskrieg gegen die Ukraine und die daraus resultierenden umstrittenen Marktpraktiken, etwa im Energiesektor. Die Spritpreise stiegen plötzlich und schnell und auf einmal schien die Idee, da etwas Schärferes gegen die Mineralökonzerne zu haben als die bis dato vorhandenen Instrumente, eine gute Idee.

Nun ist es bei all diesen Verfahren von USA bis Deutschland allerdings so: Die Entflechtungs-Option wirkt auf zwei Arten. Sie ist gleichermaßen Instrument zur Verbesserung der Wettbewerbssituation wie Drohung. Und eine Drohung funktioniert nur, wenn ihre Umsetzung einigermaßen realistisch ist. Eine einzelne deutsche Behörde mag da Kompetenzen haben – doch wenn etwa die US-Behörden blocken, ist eine Umsetzung schwierig. Daher gilt es nun, das Momentum zu nutzen. Gemeinsam können die Wett­ber­werbs­hü­te­r:in­nen stark sein. Und das müssen sie auch. Denn Klauen und Zähne – die Tech-Konzerne selbst haben sie schon lange.

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schreibt über vernetzte Welten, digitale Wirtschaft und lange Wörter (Datenschutz-Grundverordnung, Plattformökonomie, Nutzungsbedingungen). Manchmal und wenn es die Saison zulässt, auch über alte Apfelsorten. Bevor sie zur taz kam, hat sie unter anderem für den MDR als Multimedia-Redakteurin gearbeitet. Autorin der Kolumne Digitalozän.

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