Long-Covid-Demo in Berlin: „Das ist unterlassene Hilfeleistung“
Am Freitag demonstrieren Betroffene in Berlin für mehr ärztliche Unterstützung bei Long-Covid. Vor allem geht es ihnen um Zugang zu Medikamenten.
Viele Menschen haben wieder Corona, aber außer für Risikogruppen ist es kaum ein Thema. „Sommerwelle“ klingt harmlos – aber ein Teil der Infizierten wird Long-Covid entwickeln. Weltweit sind laut einer neuen Studie schätzungsweise 400 Millionen Menschen betroffen.
Am Freitagnachmittag um 15:30 Uhr demonstrieren Betroffene von Long-Covid und Chronischem Erschöpfungssyndrom (ME/CFS) vor dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) in Berlin für Verbesserungen in der medizinischen Versorgung. Sie fordern, dass die vom BMG angekündigte Liste der Off-Label-Medikamente umgehend veröffentlicht wird und für Long-Covid und ME/CFS-Betroffene gleichermaßen gilt.
Off-Label-Medikamente sind Medikamente, die eigentlich für die Behandlung anderer Krankheiten zugelassen sind. Da es noch keine medikamentöse Therapie für Long-Covid und ME/CFS gibt, greifen Betroffene auf sie zurück.
Der Arbeitsfortschritt der vom BMG eingesetzten Expertengruppe kann online verfolgt werden. Demnach ist die Off-Label-Liste noch nicht fertiggestellt, aber ein externes Institut sei im Juli beauftragt worden, vorhandene Studiendaten auszuwerten, und es sei bereits eine „Übersicht zur Therapie von Long-Covid-assoziierten Symptomen mit zugelassenen Arzneimitteln“ erstellt worden. Einen konkreten Zeitplan nannte eine Sprecherin des BMG gegenüber der taz nicht.
Die Betroffene Felicia G. hat die Demonstration angemeldet. Sie sagt: „Wir finden: Medikamente zu verweigern, die die Krankheitslast reduzieren, ist unterlassene Hilfeleistung.“ Solange es noch keine passende Behandlung gebe, sei es wichtig, „dass wir Medikamente erhalten, die die Symptome lindern, und diese auch bezahlt bekommen“. Den Aufruf zur Demonstration gestaltete das Künstler*innenkollektiv „Berlin Buyers Club“, das Aufkleber, Poster, Kleidung und Social-Media-Grafiken designt, um auf Long-Covid aufmerksam zu machen.
„Ein Weg in die Armut“
Die Entwicklung von Therapien und Medikamentenstudien – insbesondere bei einem neuen Virus – braucht Zeit. Erfahrungen deuten jedoch darauf hin, dass bestimmte Medikamente zumindest die Symptome lindern können.
Nur übernehmen die Kassen die Kosten nicht, weil sie für andere Anwendungsgebiete zugelassen sind. Zudem haben Betroffene oft Schwierigkeiten, sie von Kassenärzt_innen verschrieben zu bekommen. So kommen zum Verdienstausfall noch die Kosten für private Behandlungen hinzu. „Ein Weg in die Armut“, sagt Felicia G.
Auch für ME/CFS gibt es bisher keine zugelassene Therapie. Die Beschwerden werden oft als psychosomatisch interpretiert und behandelt. Das ist fatal: Während Bewegung und Aktivierung bei Depressionen oft helfen, können sie bei ME/CFS sogar schaden. Denn das Kernsymptom der Erkrankung ist die Post-exertionelle Malaise (PEM): Schon nach geringer Anstrengung verschlimmern sich die Symptome, Betroffene „crashen“.
So gibt es Berichte, dass Patient_innen die Reha in deutlich schlechterem Zustand verlassen. Das Prinzip „Reha vor Rente“ knüpft die Teilnahme an einer Reha jedoch an die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente. Vor diesem Hintergrund lautet die zweite Forderung der Demonstration am Freitag: Menschen mit PEM dürfen nicht zur Reha gezwungen werden.
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