Lösungsvorschlag für Hamburgs Zugproblem: Ein neuer Hauptbahnhof
Hamburgs Hauptbahnhof gilt als „größter Flaschenhals“ der Bahn, zu viele Züge und Menschen für zu wenig Gleise. Jetzt liegt eine Idee auf dem Tisch.
„Der jetzige Hauptbahnhof ist zu klein“, sagt Jonas Spanier, der die Pläne vorstellte. Der habe nur acht Gleise, Münchens Hauptbahnhof dagegen 30, auch andere Städte hätten mehr Gleise. Das Problem sei, dass in Hamburg die ICE und Regionalzüge schnell weiter müssen, um den Bahnsteig für die nächsten Züge frei zu machen. Deshalb führen die ICE leer zum Kopfbahnhof Altona, wo sie bleiben können.
Ein früherer Bahnchef nannte Hamburgs Hauptbahnhof mal den „größten Flaschenhals“ im Netz der Bahn. Und weil mit dem Deutschland-Takt der Schienenverkehr verdoppelt werden soll, kündigte bereits 2020 der damalige Verkehrsstaatssekretär Enak Ferlemann (CDU) an, dass die Verbindungsgleise zwischen Hauptbahnhof und Altona entlastet werden sollen. Damit vier statt zwei Gleise genutzt werden können, soll die dort fahrende S-Bahn in einem Tunnel verschwinden.
Das ist dem VCD nicht genug. Dieser Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) löse demnach das Problem nicht. Denn entscheidend sei die zu geringe Gleiskapazität am Hamburger Hauptbahnhof. Auch mit Bau des VET, das zeige ein Blick auf den Fahrplan des Deutschland-Takts, führen die Züge von Hamburg aus nicht häufiger. „Es bleibt alles, wie es ist“, sagt Spanier. „Der Hauptbahnhof stammt von 1904. Er war für 600.000 Menschen, die ihn täglich nutzen, nie ausgelegt.“
Jonas Spanier, Verkehrsclub Deutschland Nord
Hinzu komme, dass der Bahnhof für die Züge, die bald durch den Fehmarn-Belt-Tunnel aus Nordeuropa kommen, sowie für Reisende aus Lübeck eine Sackgasse darstelle. Eine Skizze des VCD macht deutlich, dass nur ein Gleis in der Mitte der Halle den Zügen ermöglicht, die Richtung nach Süden zu wechseln.
„Schiene Plus“ heißt der Plan, den die Gruppe mit Hilfe von Ingenieuren für den neuen Hauptbahnhof entworfen hat. Berliner Tor ist heute kein schöner Ort. Rund um den S- und U-Bahnhof sind breite Autostraßen. Der Ort bestehe aus Kreuzungen und Parkplätzen, sagt Spanier. „Wir haben dort eine Fläche von zwölf Hektar, die frei von Gebäuden ist.“
Auf zwei Etagen könnte dort der neue Bahnhof entstehen. Unten würden Gleise aus Richtung Lübeck im Osten und Elmshorn im Westen in zwei Bögen jeweils Richtung Süden über die Elbe führen. „Diese Gleise binden 20 Millionen Skandinavier besser an Mitteleuropa an“, sagt Spanier. Dazwischen wäre Platz für vier Kopfgleise für Regionalzüge aus dem Westen. Oben gäbe es 15 Kopfgleise für Fern- und Regionalzüge aus dem Süden, die dort dann eben auch länger stehen bleiben könnten. Etwas versetzt kämen noch vier Kopfgleise für Züge aus Richtung Lübeck dazu. Das Ganze sieht in der Präsentation noch aus wie eine Strichesammlung und ist kein Architekturentwurf.
Baute man dies, wäre der Entlastungstunnel, für dessen Bau sieben Jahre lang Hamburgs City-S-Bahn halb lahmgelegt werden müsste, verzichtbar. Der Tunnel würde Milliarden Euro kosten – eine exakte Kostenschätzung ließ der Senat schwärzen – und würde wohl größtenteils vom Bund bezahlt werden. „Unsere Gegenfinanzierung ist der VET“, sagt Spanier vom VCD. Der neue Bahnhof und alle Umbauten wären „preislich in etwa in der Gegend“.
Am Berliner Tor sollen dann gleich noch zwei kleinere Tunnel für Autos entstehen. Außerdem müsste Hamburg seine Güterumgehungsbahn ausbauen, die Platz für zwei Gleise hat. Die Strecke soll aus Bergedorf kommende S-Bahn-Fahrgäste während der Bauphase an einen U-Bahnhof anschließen. Und über sie sollen künftig die ICE zum Betriebswerk fahren.
Berliner Tor hat den Vorteil, dass dort bereits drei U-Bahn-Linien halten. Um auch die U1 anzubinden, müsste sie verlegt werden. Dies sei aber in offener Bauweise möglich. Den alten Bahnhof würden die Planer als „Altstadtbahnhof“ erhalten, für S-Bahnen und Regionalzüge.
Der VCD-Nord fordert nun, alle Varianten für den Ausbau des Bahnknotens Hamburg offen zu diskutieren. Das sei vor der Entscheidung für den Bau des Entlastungstunnels nicht geschehen, weil SPD und Grüne diese Debatte mieden. Die Bürger dürfen nur mitreden, in welcher Variante die S-Bahn unter die Erde kommt. Nicht ob.
Deshalb hatte schon im vorigen Mai Holger Busche von der Fachgruppe Mobilität von „Scientists for Future“ vorgeschlagen, statt des Tunnels zwei neue Schienenwege zu bauen, die es Fahrgästen ermöglichen, das Zentrum zu umfahren. „Ich begrüße diese neue Diskussion sehr“, sagt Busche. Er hält die Konzepte für verknüpfbar.
Noch ist der Tunnel nicht beschlossen
Auch Verkehrspolitikerin Heike Sudmann (Die Linke) sagt, der Vorschlag habe eine ernsthafte Prüfung verdient. Sie möchte ihn im Verkehrsausschuss diskutieren. FDP-Politikerin Sonja Jacobsen nennt das Konzept „verlockend“, fragt sich aber nach den Erfahrungen mit Stuttgart 21, ob es sich um eine günstige Alternative handele.
Hamburgs Verkehrsbehörde und das Bundesverkehrsministerium äußerten sich nicht zum VCD-Vorschlag. Eine Bahnsprecherin sagte, man habe diesen „zur Kenntnis genommen“. Der Plan sei eine „gesamtstädtische Angelegenheit“ mit Wirkung auf nationale und internationale Verbindungen. Mit dem VET-Tunnel als Maßnahme des Deutschland-Takts werde sich für Hamburgs Reisende die Anbindung verbessern, sagt die Sprecherin. Beschlossen sei der noch nicht. Das passiere, „wenn die Finanzierung zwischen Land, Bund und DB feststeht“.
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