Lockerungen für Geimpfte in Bayern: Heim ohne Hoffnung
Geimpfte und Genesene sind laut Ministerpräsident Markus Söder keine Gefahr mehr. Es soll wieder mehr Freiheiten geben – aber nicht für Heimbewohner.
Vergangenen Dienstag twitterte Markus Söder stolz: „Bayern geht voran: Für vollständig Geimpfte und Genesene gibt es keine Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren mehr. Das gilt ab 6. Mai noch vor dem Bund.“ Und er fügte hinzu: „Grundrechte sind äußerst wichtig. Geimpfte sind keine Gefahr mehr für sich und andere. Deshalb ist Impfen so wichtig.“
Doch wenn Bayern und sein Ministerpräsident voranschreiten, bleibt so mancher zurück. In diesem Fall gehören die Alten und Pflegebedürftigen zu dieser Gruppe. Vielfach wurde bereits auf die besonders schwierige Situation der Menschen in den Heimen hingewiesen. So vereinsamen die Menschen zunehmend angesichts der Unmöglichkeit, mit ihren Mitbewohnern in Kontakt zu treten.
Gerade für demente und schwerhörige Heimbewohner ist es über eine Distanz von anderthalb Metern kaum möglich Kontakt untereinander aufzunehmen. Heimpersonal berichtet, wie sich diese Menschen immer mehr zurückzögen, wie sie vereinsamten, verwahrlosten und selbst bei Gruppenaktivitäten nur noch teilnahmslos herumsäßen.
CSU zweifelt an Schutzwirkung der Impfung
Hätte Söder mit der Behauptung recht, dass Geimpfte keine Gefahr mehr für sich und andere seien, wäre die Sache klar: Es gäbe keinen Grund, vollständig geimpften, gemeinsam in der Wohngruppe eines Heims lebenden Menschen den Umgang miteinander zu verbieten – auch nicht Berührungen, die für Demenzkranke die wichtigste Form der Kommunikation sind.
Aber der Logik scheint die bayerische Staatsregierung zumindest in dieser Sache keinen allzu großen Stellenwert einzuräumen. Das durfte vor zwei Wochen auch die Landtags-SPD erfahren, als sie einen Dringlichkeitsantrag in das Parlament einbrachte. Darin forderte sie, „dass in Wohn-und Pflegeeinrichtungen für Seniorinnen und Senioren sowie Menschen mit Behinderung wieder mehr Nähe und soziales Miteinander ermöglicht wird“. Insbesondere das Abstandsgebot müsse für diese Menschen fallen.
Doch der Antrag wurde im Gesundheitsausschuss abgeschmettert. Nicht nur die CSU, sondern auch ihr sonst so lockerungswütiger Koalitionspartner, die Freien Wähler, stimmten dagegen. Es war derselbe Tag, an dem die Regierung die Auflagen für zweifach Geimpfte beim Einkauf, beim Friseur- oder Tierparkbesuch lockerte.
Besonders bemerkenswert die Begründung: Man wisse ja nicht, ob die Menschen durch die zweifache Impfung tatsächlich geschützt seien, hätten ihre Kollegen der Regierungsparteien argumentiert, berichtet die SPD-Abgeordnete Ruth Waldmann aus der Ausschusssitzung und schimpft: „Schon wieder werden die Älteren und Menschen mit Behinderung im Stich gelassen.“
An der Haltung der Koalitionspartner scheint auch Söders Erklärung, dass Geimpfte weder für sich noch für andere eine Gefahr seien, nichts zu ändern. Auf taz-Anfrage teilt das bayerische Gesundheitsministerium mit: „Das allgemeine Abstandsgebot welches in § 1 Abs. 1 der 12. BayIfSMV sowie in weiteren Allgemeinverfügungen betreffend die stationären Pflege- und Behinderteneinrichtungen geregelt ist, bleibt trotz der Erleichterungen für Geimpfte und Genesene, die sich u.a. auf die Zahl der zulässigen Kontakte beziehen, zunächst weiter bestehen.“
Heimleitungen geben vorsorglich Anweisungen an ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter heraus, in denen es dann etwa heißt: „Die in Bayern diese Woche beschlossenen Erleichterungen für vollständig Geimpfte und Genesene gelten ausdrücklich nicht in Bereichen mit besonders Schutzbedürftigen. Insbesondere Pflegeeinrichtungen sind ausgenommen.“
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