Lobbyismus in Brandenburg: Alle wollen Kohle
Greenpeace entlarvt in einer Untersuchung das Netzwerk der Kohlefans in Brandenburgs Politik. Außer den Grünen sind alle Parteien für den Klimakiller.
Es ist die ganz große Koalition für die Kohle: Eine Woche vor den Landtagswahlen legt die Umweltschutzorganisation Greenpeace eine Brandenburger Version ihres „Schwarzbuchs Kohle“ vor. Nach dem Report, der der taz vorliegt und am Montag veröffentlicht werden soll, gehört das Bekenntnis zur Ausbeutung der extrem klimaschädlichen Braunkohle im Potsdamer Landtag zur Staatsräson.
Und an praktisch allen wichtigen Hebeln der politischen Entscheidungen, angefangen bei SPD-Ministerpräsident Dietmar Woidke, sitzen Politikerinnen und Politiker, die die Tagebaue in der Lausitz planen und verteidigen.
Die Übersicht zeigt, dass in den Regierungsparteien SPD und Linke, aber auch in der Opposition von CDU und FDP die Freunde der fossilen Brennstoffe das Sagen haben. Die Umweltgruppe unterteilt die etwa zwei Dutzend Spitzenpolitiker nach Kriterien wie „Überzeugungstäter“, „Mitläufer“ oder „Scharfmacher“. Allein die Grünen tauchen nicht auf.
Woidke "Überzeugungstäter"
Als „Scharfmacher“ sieht Greenpeace etwa die SPD-Minister für Infrastruktur und Inneres. Jörg Vogelsänger hat die Verträge zur Umsiedlung der Bevölkerung am Tagebau Welzow-Süd unterschrieben, Ralf Holzschuher die Planung zur Verstromung der Kohle verfasst und für die umstrittene CCS-Technik zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid plädiert. Aber auch die Spitzenkandidaten von CDU und Linken bekommen dieses Etikett.
„Überzeugungstäter“ nennen die Umweltschützer Landesvater Woidke. Der ehemalige Umweltminister habe früher erklärt, neue Tagebaue werde es nur mit „sauberer Kohle“ geben, handele jetzt aber anders. Auch Abgeordnete wie SPD-Fraktionschef Klaus Ness, die energiepolitische Sprecherin der Sozialdemokraten, Barbara Hackenschmidt, oder die CDU-Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, Katherina Reiche, nennt die Liste als überzeugte Kohlefans.
Hier finden sich auch Angestellte, Aufsichtsräte und Lobbyisten des Energiekonzerns Vattenfall wie der SPD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Freese. Freese schrieb bei den Koalitionsvereinbarungen der rot-schwarzen Bundesregierung die Braunkohleförderung in das Papier. „Mitläufer“ sind für Greenpeace etwa Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke), Justizminister Helmuth Markov (Linke) oder Bildungsminister Martina Münch (SPD).
Reiche wirft Greenpeace „gefährlichen Realitätsverlust“ vor
Zwei Sonderplätze gibt es auch: Einerseits den „Lautsprecher“ Matthias Platzeck. Dem Exgrünen und Exministerpräsidenten werfen die Umweltschützer vor, er habe die Braunkohle erst wieder salonfähig gemacht. Und dann noch die energiepolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Martina Gregor-Ness. Der Ehefrau des SPD-Fraktionschefs wirft Greenpeace „Doppelspiel“ vor, weil sie neben ihrem Mandat noch im Aufsichtsrat von Vattenfall sitzt. Sie tritt bei diesen Wahlen allerdings nicht mehr an.
Die Betroffenen wehren sich: Finanzminister und Linken-Kandidat Görke erklärte, die „Verbalattacken von Greenpeace entbehren jeglicher Grundlage“. Er stehe wie seine Partei dazu, bis 2040 aus der Verstromung der Braunkohle auszusteigen, die Energiewende brauche aber die Akzeptanz der Bevölkerung und bezahlbare Erneuerbare.
CDU-Frau Reiche wirft Greenpeace „gefährlichen Realitätsverlust“ vor, weil man trotz der Krisen im Nahen Osten und der Ukraine eine Kampagne gegen eine „sichere Energieversorgung“ mit heimischen Ressourcen beginne. Wer gleichzeitig aus Atomkraft und Kohle aussteigen wolle, der „gefährdet Arbeitsplätze und letztlich den Wohlstand unseres Landes“. SPD-Fraktionschef Ness äußerte sich auf Anfrage der taz nicht zu den Vorwürfen.
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