Kommentar Politiker und Industrie: Fehlendes Problembewusstsein

Die Berliner Republik ist eine Lobbyistenrepublik. Dass Minister und Staatssekretäre nach ihrer Amtszeit Kontakte verscherbeln, darf nicht legal sein.

Was haben Niebel, Schröder und Pofalla gemeinsam? Einen lukrativen Job. Bild: dpa

Ab diesem Montag hat der Unternehmensberater Eutop einen neuen Geschäftsführer: Stéphane Beemelmans, früherer Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, heuert bei der Agentur für „Governmental Relations“ an. Sie bietet professionelle Interessenvertretung für Unternehmen an.

Im Frühjahr hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) den Mann, der für Rüstungsprojekte zuständig war, geschasst. Seinen Marktwert als Lobbyist mindert das offenbar nicht. Schließlich sind seine Drähte ins Ministerium noch immer warm.

Seitenwechsler wie Beemelmans müssen vor allem eins können: Türen öffnen und Kontakte anbahnen. Weil sie die Mechanismen der Macht kennen und Hürden für lukrative Projekte früh erkennen, werden sie von Unternehmen und Wirtschaftsverbänden sehr geschätzt. Die versprechen sich von ihnen nicht nur lukrative Aufträge, sondern auch Informationen über geplante Reformen und direkten Einfluss auf Gesetze.

In der Berliner Republik haben die Lobbyisten Einfluss wie nie zuvor. Dass Minister und Staatssekretäre nach ihrer Amtszeit ihre Kontakte verscherbeln, gilt als normal. Mietmaul zu werden gilt nicht als ehrenrührig. Das ist fatal. Denn diese Form des Lobbyismus ist nicht legitim. Und sie sollte nicht legal sein.

Drei bis fünf Jahre

Auch wenn sich Unternehmen Politiker erst nach deren Ausscheiden kaufen, besteht immer der Verdacht, dass sie für vorherige Entscheidungen belohnt werden. Das Insiderwissen aus der politischen Sphäre in den Dienst privater Interessen zu stellen schadet der Demokratie. Mit einer gesetzlichen Karenzzeit von drei oder fünf Jahren könnte das Problem immerhin entschärft werden.

Das Vorhaben der Großen Koalition, eine Karenzzeit für Regierungsmitglieder einzuführen und im Einzelfall über eine Dauer von 12 oder 18 Monaten zu entscheiden, zeigt vor allem eins: fehlendes Problembewusstsein. Und das gibt es nicht nur an dieser Stelle: Bundesministerien holen sich immer wieder Lobbyisten ins Haus und beteiligen sie an Gesetzgebungsverfahren.

So soll der fehlende Sachverstand einfließen, heißt es. Ist das unbedarft oder unverschämt scheinheilig? Wie auch immer, auf jeden Fall ist es verfassungswidrig, hat ein Rechtsgutachten jetzt klargestellt. Hoffentlich hat das Konsequenzen.

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Buchveröffentlichungen: „Die verlogene Politik. Macht um jeden Preis“ (Knaur Taschenbuch Verlag, 2010), „Die Angstmacher. Wie uns die Versicherungswirtschaft abzockt“ (Lübbe Ehrenwirth, 2012).

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