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Linkspartei vor dem ParteitagPartei der Beitragsschummler

Eine Mitgliedschaft in der Linken ist auch für Geringverdiener teuer. Deshalb zahlen viele weniger, als sie müssten. Ein Antrag will das ändern.

Teure Anhängerschaft: Die Linke ist nicht billig zu haben Foto: dpa

Berlin taz | Öffentlich freut sich die Linkspartei derzeit über den Zustrom vieler jüngerer Mitglieder. In der Tat hatte die Linke am Ende des Bundestagswahljahres 62.300 Mitglieder, rund 3.400 mehr als ein Jahr zuvor. Aber wenn man genau hinschaut, sieht die Lage nicht ganz so positiv aus, wie es der Parteivorstand behauptet. Wie aus internen Unterlagen hervorgeht, die der taz vorliegen, hat sich der Altersschnitt zwischen 2010 und 2017 kaum verändert. In den Westverbänden liegt er nach wie vor bei Mitte 40, in den Ostverbänden bei Mitte bis Ende 60.

Als Grund dafür führen Insider die hohe Fluktuation von Mitgliedern an. Jüngere, die den Linken in der Gründungsphase oder nach deren großem Wahlerfolg 2009 beitraten, haben die Partei inzwischen wieder ver­lassen.

Am meisten beunruhigen dürfte die Linkspartei jedoch eine andere Statistik: Die besten Beitragszahler sind Mitglieder über 86 aus dem Osten. Sie zahlen im Schnitt 22,64 Euro im Monat. Auch bundesweit sind die Beiträge der Älteren aus den neuen Ländern wichtig: Ostdeutsche Mitglieder ab 61 tragen rund 49 Prozent des deutschen Beitragsaufkommens.

Für Spannung auf dem Leipziger Parteitag im Juni dürfte ein Antrag des Berliner Ortsverbandes Friedrichshain-Nordost sorgen. Darin geht es um die Beitragsehrlichkeit der Mitglieder. Ihre Mitgliedsbeiträge sind laut Beitragsordnung weit höher als bei SPD und Grünen – und auch weit höher als bei vergleichbaren europäischen linken Parteien wie Podemos, Labour, der SPÖ oder Groenlinks. Wer zwischen 1.700 und 1.900 Euro netto verdient, soll 55 Euro im Monat zahlen. Der Mindestbeitrag liegt für Menschen ohne Einkommen bei 1,50 Euro.

Widerstand aus dem Osten

Nur wenige halten sich aber an die Beitragsordnung. Im Schnitt zahlen die Mitglieder im Osten zwischen 15 und 19 Euro im Monat, im Westen zwischen 4,30 (Saarland) und 12 Euro (Bremen). „Die Beitragstabelle verkennt die Lebensrealität der Mitglieder“, schreiben die Friedrichshainer in ihrem Antrag. Sie fordern nun vom Bundesvorstand eine neue Beitragsordnung mit einer deutlichen Reduzierung der Mitgliedsbeiträge: „Ziel ist es, den Einstieg und Verbleib in der Partei für Menschen aller Einkommensklassen zu vereinfachen.“

Der Antrag stößt vor allem in einigen Ost-Landesverbänden auf Widerstand. So argumentiert der Thüringer Schatzmeister Holger Hänsgen in einem internen Schreiben, dass „gerade die hohen Beiträge älterer Mitglieder“ die Partei handlungsfähig erhielten. Und fügt bedauernd hinzu: „Diese Mitglieder verlassen uns in zunehmendem Maße altersbedingt.“

Die Friedrichshainer berücksichtigten nicht, dass das Finanzamt die Hälfte des Beitrages von der Steuerlast abziehe, so Hänsgen. Den Vergleich mit den niedrigeren Beiträgen bei SPD und Grünen findet er unzulässig: Die beiden Parteien erhielten Unternehmensspenden. Statt einer neuen Beitragsordnung mit geringeren Beiträgen will er eine Kampagne „Beitrags­ehrlichkeit“.

Der Bundesvorstand versucht nun nach Informationen der taz den Streit zu schlichten. In einem Änderungsantrag will er demnach das Ziel einer „deutlichen Reduzierung der Mitgliedsbeiträge“ aus dem Friedrichshainer Antrag streichen lassen. Begründung: Es gehe nicht „um niedrigere Beiträge, sondern um eine neue Bei­trags­tabelle, die der Realität und der Leistungsbereitschaft der Mitglieder näher kommt“. Ein Sprecher des Bundesvorstandes konnte oder wollte allerdings nicht bestätigen, dass der Änderungsantrag, der der taz vorliegt, vom Bundesvorstand tatsächlich eingereicht werden wird.

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4 Kommentare

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  • Religiöse zahlen 10 % ihres Nettoeinkommens. Auch Kommunisten brachten es in den 1970er Jahren, zusammen mit den antiimperialistischen Soli. auf mehr als 10 Prozent. In manchen Monaten, für die Unterstützung der internationalen antiimperialistischen Befreiungsbewegung, auf die Hälfte ihres Monatseinkommens und mehr! Auch Tausend DM im Monat -von einem Handwerker- und Facharbeiterlohn- waren keine Seltenheit für Kommunisten und Antifaschisten!

  • Ich bitte doch genauer zu recherchieren. "Groenlinks" ist keine sozialistische Partei! Es ist die Partei des linken Flügels der Grünen in der BRD. Der ist ja bekanntlich recht klein. In den Niederlanden ist die Partei in den letzten Jahren stärker gewachsen, weil die PvdA durch ihre neoliberale Politik in die Bedeutungslosigkeit abstürzte. Das Pendant zur deutschen "Linke" ist die Socialistische Partij (SP). Sie besitzt ebenso viele Sitze wie Groenlinks in der Tweede Kamer. Beide sind also die fünftstärkste Fraktion im 13-Parteienparlament. Ihr Mitgliedsbeitrag beträgt 5 Euro/Monat.

     

    Die Linke dagegen verlangt für einen mittleren Angestellten den vierfachen Gewerkschaftsbeitrag, welcher bekanntlich 1 % vom Bruttolohn beträgt. Wer also sich den Luxus leistet in der Gewerkschaft und der Linken zu sein drückt 5% vom Brutto seine Gehaltes monatlich ab.

     

    Das wäre selbst bei dem Spaßfaktor eines Gregor Gysis noch zuviel. Für eine so dilettantische politische Arbeit wird nicht nur zu wenig Leistung geboten, es wird seitens des Parteivorstandes schlicht ignoriert, dass die Linke kein Religionsersatz ist.

     

    Also wird jeder Durchschnittsverdiener entweder zuwenig Beitrag, oder gar keinen zahlen und es nicht bedauern, wenn er aus der Partei geworfen wird. Wer will schon mit Illusionisten zusammen sein?

     

    Diese Partei hat nie die Realität seit ihrem Zusammenschluss mit der WASG zur Kenntnis genommen. Boshafterweise könnte man sagen; in ihrer Realitätswahrnehmung entspricht sie durchaus dem alten Politbüro unter Erich Honecker.

     

    Aber, man beachte: das Erwachen war damals furchtbar und nicht mehr zu korrigieren.

  • 9G
    98589 (Profil gelöscht)

    Oh ha, 55 Euro monatlich, bei 1900,- netto? Das ist Wucher und wozu? Damit die oberen Funktionäre ihr Face in die Kamera halten können und Reden schwingen, aber ansonsten wenig tun.

    Das ist bei den anderen Parteien nicht anders, aber gerade bei den Linken hätte ich das nicht erwartet.

    Die Mitarbeit in einer Partei sollte für alle möglich sein. Die Parteifunktionäre verdienen gut und nagen nicht am Hungertuch.

    Das ist alles so unglaublich.....undemokratisch.

    • @98589 (Profil gelöscht):

      Die Linke wird nicht von Konzernen mitfinanziert, so wie es bei allen bürgerlichen Parteien üblich ist. Folglich können sich sozialpolitisch verantwortliche Linke nur über Beiträge finanzieren!

       

      Unabhängig davon, es gibt auch bürgerliche, ökologische und religiöse Vereinigungen, bei denen die Mitglieder*innen mehr als 10 Prozent ihres Einkommens bezahlen, unabhängig von der jeweiligen sozialen Stellung. Für Humanisten ist das kein Problem!