Linkes Tradtionsgedenken in Berlin: Enver grüßt Rosa und Karl
Zum Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ziehen wie jedes Jahr Tausende zur Gedenkstätte nach Friedrichsfelde. Putin finden nicht alle gut.

Am Aufstellungsort nahe dem Frankfurter Tor bildet sich um 10 Uhr ein Meer an roten Fahnen. Einige verteilen innerhalb ihrer Gruppen rote Nelken, die an der Gedenkstätte der Sozialist:innen am Zentralfriedhof Friedrichsfelde niedergelegt werden – ganz so wie jedes Jahr. Andere wollen ihre Zeitungen, Flugblätter oder auch Bücher an die zur Aufstellung eilenden Teilnehmer:innen ausgeben. Die neue Ausgabe der Jungen Welt etwa, die am Vortag die Rosa-Luxemburg-Konferenz organisiert hatte, oder Arbeit Zukunft.
„Wir sind gegen den Krieg und die Vorbereitung des dritten Weltkrieges durch die deutsche Regierung“, schallt es aus einem Lautsprecher. Die Rednerin steht auf einem Wagen und begrüßt die einzelnen Gruppen, die sich entlang der Frankfurter Allee einreihen. In ihrer Rede kritisiert sie die Waffenlieferungen Deutschlands an die Ukraine, aber auch die Nähe einzelner Gruppen und Organisationen zu China und Russland.
Recht schnell wird in den verschiedenen Wortbeiträgen, Rufen und anhand der Transparente deutlich: Bei aller Einigkeit im Gedenken an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht auf der LL-Demo und den Forderungen, die Nato müsse sich im Ukraine-Krieg raushalten, widersprechen sich die verschiedenen linken Strömungen vehement. Während die einen eine klare Abgrenzung fordern, wünschen sich die anderen „Frieden mit Russland und China“.
Es gibt noch bekennende Stalinisten
Am Rande der Aufstellung stehen zwei Teilnehmer:innen. Sie wirken unschlüssig. Warum sie da sind? „Das Gedenken ist wichtig“, sagt eine:r der beiden. „Luxemburg und Liebknecht haben die Geschichte maßgeblich beeinflusst, und viele Forderungen sind gerade jetzt aktuell.“
Damit meinen sie die Aufrüstung in Deutschland, das Budget für die Bundeswehr, die wirtschaftliche Lage. „Als Studentin spüre ich die steigenden Kosten durch die Inflation“, sagt die Demonstrantin. An ihrer Jacke ist ein Pin mit Hammer und Sichel befestigt. Zu einer bestimmten Gruppe der Demo wollen sie sich nicht zählen. Sie gucken erst noch, wo sie mitlaufen.
Ein anderer Teilnehmer zählt sich zum Sympathisantenkreis der „Kommunistischen Internationale – Stalinisten-Hoxhaisten“. Er trägt zwei Fahnen und ein selbstgebasteltes Demoschild, auf dem er zur Rückbesinnung auf das Parteiprogramm der KPD aufruft. „Gegen die Verdummungsphasen der DKP“ steht etwa darauf. „Ich bin hier, um unseren Martyrern und den glühenden Weltrevolutionären zu gedenken“, sagt der Fan des albanischen Ex-Diktarors Enver Hoxha, bevor er weiterzieht.
Es ist ein bunter Strauß, der durch die Berliner Straßen zieht. Statt stillem Gedenken gibt es Trommeln und Blasinstrumente mit einer Kapelle der FDJ, Gesang und Gitarre mit selbst geschriebenen Liedern („Nein zur Nato-Kriegsarmee“). Es reihen sich Marxist:innen an Leninist:innen an Maoist:innen. Mancherorts schwingt die gewohnte Ostalgie mit, die Romantisierung der DDR. Im Block der TKP hört man „Jin, Jiyan, Azadî“ – Frau, Leben, Freiheit.
Und irgendwo dazwischen schieben Demonstrant:innen der Antifa die nächste Generation im Kinderwagen vor sich her.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen