Linken-Landesparteitag in Hamburg: Drei Viertel wollen Politik machen
Nach viel Streit und einem Eklat: Beim Parteitag der Hamburger Linken setzten sich die pragmatisch Orientierten klar durch.
Sowohl mit dem Leitantrag, nach dem sich die Hamburger Linke mehr auf die konkrete Arbeit an realpolitischen Problemen konzentrieren solle, als auch bei der Wahl der beiden LandessprecherInnen am Samstag setzten sich deutlich die pragmatisch Orientierten durch. Ritter wurde mit 70,4 Prozent, Iwan mit rund 72 Prozent gewählt. Ihre Gegenkandidat:innen aus dem antiimperialistischen Lager, deren Vertreter:innen am Wochenende vor allem über den „Wirtschaftskrieg“ des Westens gegen Russland diskutieren wollten, erhielten jeweils rund 25 Prozent der Stimmen.
Bereits am Freitag beim Resümee über die Arbeit der scheidenden LandessprecherInnen waren die Fronten klar: Die Mehrheit der Delegierten äußerte heftige Kritik an Żaklin Nastić und Keyvan Taheri. Sie hätten in den vergangenen zwei Jahren kaum etwas unternommen, um für Ruhe im Landesverband zu sorgen, und stattdessen die Konflikte selbst befeuert.
Zum Eklat kam es bei der Wahl der Landessprecherin: Bijan Tavassoli ließ mitteilen, er habe kürzlich das Geschlecht gewechselt und kandidiere nun für den weiblichen Spitzenposten. Gegen Tavassoli lief in der Vergangenheit bereits ein Parteiausschlussverfahren: Er hatte Querfront-Ansichten beim verschwörungsideologischen russischen Propagandasender RT geteilt und im vergangenen Jahr den Sieg der Taliban in Afghanistan gefeiert.
Weil der Wahlvorstand den Wahrheitsgehalt der behaupteten Geschlechtsumwandlung kurzfristig nicht überprüfen konnte, ließ er die Kandidatur zu. Stellvertretend für Tavassoli las dann eine mit Maske und Kapuze vermummte Person eine wirre Erklärung Tavassolis vor, in der auch Linke-Mitglieder mit persönlichen Beleidigungen überzogen wurden.
Tavassolis Abwesenheit soll, so die Erklärung, daran liegen, dass er beziehungsweise sie an „Corona und wahrscheinlich Affenpocken“ erkrankt sei. Weil der Redner das Vorlesen trotz Ermahnungen nicht unterbrach, wurde er mit körperlichem Einsatz vom Pult entfernt. Später ließ Tavassoli mitteilen, dass die vorgelesene Rede nicht von ihm stamme.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Schwedens Energiepolitik
Blind für die Gefahren