Linken-Anfrage zu Racial Profiling: Kontrollen außer Kontrolle

Praktiziert die Bundespolizei an der deutsch-tschechischen Grenze Racial Profiling? Die Bundesregierung will davon nichts wissen.

Außenansicht des Hauptbahnhofs in Dresden am Abend.

Hier treffen täglich mehrere EC-Züge aus Prag ein: der Hauptbahnhof Dresden Foto: Robert Michael/dpa

BERLIN taz | Die Zahl der unerlaubten Einreisen an der deutsch-tschechischen Grenze ist „erheblich angestiegen“. In der Folge führt die Bundespolizei eine „intensivierte Binnengrenzfahndung“ durch. So steht es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion, die der taz exklusiv vorliegt. Doch bei der zentralen Frage steht Aussage gegen Aussage: Gibt es auch immer wieder rechtswidriges Racial Profiling?

Die Linken-Bundestagsabgeordnete Clara Bünger, die sich selbst am Dresdner Hauptbahnhof ein Bild von der Lage machte, geht als Fragestellerin fest davon aus. Nach ihrer Darstellung werden seit Ende August in aus Prag kommenden Zügen „augenscheinlich ausnahmslos People of Color und Schwarze Menschen“ kontrolliert und dann in Dresden aus den Zügen geholt.

Das Bundesinnenministerium hält dagegen: Die Be­am­t:in­nen der Bundespolizei, die zum Teil schon in Bad Schandau in den Zug steigen, seien „angehalten, die Kontrollen nach objektiven Kriterien durchzuführen“. Merkmale wie das Geschlecht, die ethnische Zugehörigkeit „und vor allem die Hautfarbe“ seien „keine tragenden Kriterien bei Personenkontrollen der Bundespolizei“, betont die Behörde.

Was allerdings durchaus zähle, seien „Erkenntnisse“ etwa zu genutzten Verkehrswegen, mitgeführtem Gepäck und Kleidung. „Ausschlaggebend für weitere Maßnahmen ist die individuelle Dokumentenlage der jeweils dokumentierten Person“, heißt es in der Regierungsantwort.

Mehr Platz für Kontrollen

Die Zahl der Kontrollen erfasst die Bundespolizei nicht. Festgehalten aber wurde die Zahl der „vollzogenen Zurückschiebungen“ an der deutsch-tschechischen Grenze. Sie lag im Juli bei 134, darunter allein 103 syrische Staatsangehörige. In den Vormonaten pendelte die Zahl zwischen 35 und 63.

Verstärkt kontrolliert wird auch in den Zügen aus Prag nach München, meist werden diese Züge in Furth im Wald für durchschnittlich 20 Minuten außerfahrplanmäßig angehalten. Dresden allerdings steht mit täglich mehreren aus Prag eintreffenden EC-Zügen besonders im Fokus.

Die Bundespolizei mietete im Hauptbahnhof zusätzliche Flächen für „grenzpolizeiliche Maßnahmen“ an, da die bisherigen Räumlichkeiten der Bundespolizeiinspektion nicht mehr ausreichten. Auch Personal aus anderen Einheiten wird immer wieder eingesetzt.

Linken-Politikerin Bünger sagte der taz, anlasslose Personenkontrollen der Bundespolizei würden „der Willkür Tür und Tor“ öffnen, „gestiegene Einreisen von Geflüchteten rechtfertigen keine diskriminierenden Maßnahmen“. Sie appelliert an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), die „rassistischen Schwerpunktkontrollen“ hinter der tschechischen Grenze zu beenden.

Racial Profiling ist belegt

Dass Racial Profiling bei der Bundespolizei ungeachtet der Beteuerungen des Bundesinnenministeriums vorkommt, hatte Anfang des Jahres ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden belegt, erstritten von der Dresdner Rechtsanwältin Kati Lang mit Unterstützung der Opferberatung RAA Sachsen.

Eine Schwarze Person hatte sich im März 2018 am Chemnitzer Hauptbahnhof geweigert, sich gegenüber der Bundespolizei auszuweisen, der Asylbewerber hielt die Kontrolle für rassistisch. Er wurde damals von Be­am­t:in­nen gewaltsam zu Boden gebracht, fixiert und musste sich auf der Wache entkleiden. Das sei „rechtswidrig“ gewesen, entschied das Dresdner Gericht in dem inzwischen rechtskräftigen Urteil.

Dass die Regierung generell bei dem Thema nicht genug tue, schließt Bünger auch aus einer Rüge der Anti-Rassismus-Kommission des Europarats. Laut derer sind Empfehlungen zu Gegenmaßnahmen in Bezug auf Racial Profiling in Deutschland nicht umgesetzt worden. Die Bundesregierung hatte Bünger dazu auf Anfrage ausweichend geantwortet: Die Empfehlungen der Kommission seien „völkerrechtlich nicht bindend, sie werden aber gleichwohl von der Bundesregierung ernst genommen“.

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