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Linke will in Karlsruhe klagenDer alte Bundestag darf das

Christian Rath
Kommentar von Christian Rath

Eine Klage der Linkspartei würde Klarheit bringen: Ja, der alte und noch amtierende Bundestag darf für ein Sondervermögen das Grundgesetz ändern.

Der alte Bundestag darf noch ziemlich viel entscheiden Foto: Michael Kappeler/dpa

D ie Linkspartei hat eine Organklage beim Bundesverfassungsgericht angedroht. Sie will nach Karlsruhe gehen, falls der Alt-Bundestag doch noch eine Grundgesetzänderung beschließt, für die es im Neu-Bundestag keine Zweidrittelmehrheit mehr gibt. Konkret geht es um eine massive Erhöhung des Bundeswehr-Sondervermögens im Grundgesetz, also um eine neue Ausnahme von der Schuldenbremse für Militärausgaben, die natürlich auch den Gesamthaushalt entlasten würde.

Eine Klage der Linken wäre gut und begrüßenswert. Schließlich gibt es bisher keine Rechtsprechung zur Frage, ob kurz nach der Wahl noch schnell das Grundgesetz geändert werden kann. Und wenn die Linke die Klage (voraussichtlich) verliert, dann hätte das derzeit diskutierte Manöver von CDU/CSU, SPD und Grünen zumindest deutlich an Legitimität gewonnen.

Formal ist der alte Bundestag jedenfalls zweifellos noch im Amt, bis der neue Bundestag spätestens 30 Tage nach der Wahl, also am 25. März, zusammentritt. Damit hat der Alt-Bundestag grundsätzlich alle Kompetenzen; er könnte Gesetze beschließen oder Gesetze abschaffen, eine neue Nationalhymne beschließen – oder eben auch das Grundgesetz ändern.

Aber verstößt es nicht gegen das geltende Demokratieprinzip, wenn der alte Bundestag etwas beschließt, was im neuen Bundestag aufgrund der neuen Mehrheiten nicht mehr beschlossen werden könnte? Ein klares Nein. Es ist gerade das Wesen einer Verfassungsänderung, etwas festzuschreiben, was längerfristig gelten soll – auch in Zeiten mit anderen Mehrheiten. So könnte der Bundestag ganz eindeutig und unstreitig vor einer Bundestagswahl noch das Grundgesetz ändern, auch wenn anhand der Umfragen bereits klar ist, dass im neuen Bundestag keine Zweidrittelmehrheit mehr gegeben wäre.

Eine Erhöhung des Bundeswehr-Sondervermögens wäre auch nicht zu kompliziert für eine Grundgesetzänderung zwischen Tür und Angel. Schon jetzt ist in Artikel 87a ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro vorgesehen. Um dieses auf 200 oder 400 Milliarden Euro zu erhöhen, müsste wohl nur eine Ziffer ersetzt werden. Das sollte auch binnen weniger Tage möglich sein.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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8 Kommentare

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  • Ob die Linke wohl auch gegen eine Last-Minute-Vollabschaffung des Abtreibungsparagraphen geklagt hätte? Wegen "Wählerwillen" und so weiter?

  • "Ja, der alte und noch amtierende Bundestag darf für ein Sondervermögen das Grundgesetz ändern."



    Natürlich darf er.



    Ob es geschickt wäre, ist eine andere Frage, Stichwort Respekt vor dem Wählerwillen und Politikverdrossenheit.

  • Wenn ein neuer Bundestag gewählt wurde und dadurch andere Mehrheiten zustande kommen, ist es ein Akt der absoluten Demokratieverachtung, in dieser Situation eine Grundgesetzänderung zu beschließen, die mit dem neuen Bundestag nicht in gleicher Weise möglich wäre.

  • Das ist tatsächlich eine naheliegende Lösung.



    Einerseits wäre es abzulehnen, die Ukraine in der prekären Situation im Regen stehen zu lassen.



    Andererseits muss die Bundeswehr weiter gestärkt werden, denn die USA springt für uns nicht mehr in die Bresche.



    Das Wort der Kriegstüchtigkeit, das so empört abgelehnt wurde, hat die aktuelle Lage vorweg genommen. Wir müssen uns jetzt selbst verteidigen können.



    Das bedarf nicht nur einer Menge Geld, sondern auch grundsätzlicher Entscheidungen.



    Die Wehrpflicht ist der einzig realistische Weg, die benötigten Fachleute heran zu ziehen.



    Das soll natürlich mit einem Zivildienst wahlweise Klimadienst einhergehen.



    Es wird Zeit, für den Erhalt der Demokratie einzustehen und unsere Gesellschaft auf allen Ebenen zu stärken.



    Darüber hinaus muss unsere Wirtschaft unterstützt werden, denn nur so können wir unsere schöne Demokratie und den Sozialstaat erhalten. Daher ist die Anpassung der Schuldenbremse geboten.



    Förderung von Investitionen ist der sinnvolle Weg, die Wirtschaft anzukurbeln. Im Bereich Photovoltaik haben wir gesehen, wie erfolgreich derartige Eingriffe innerhalb von drei Jahren sein können.



    Merz muss endlich die Realität anerkennen.

  • Ja und er darf einen Verbotsantrag gegen die AFD beim BVerfGE stellen, was genau so wichtig wäre.

  • Bleibt nur zu hoffen, dass die Klage scheitert. Russlands Angriffskrieg und Trumps Großmächtdenken kann nur eine Starke und wehrhafte EU den Frieden gewährleisten.

    Natürlich brauchen wir auch genug Geld für Bildung, Soziales usw.

    Beschützt aber nicht uns selbst oder unsere Nachbarn. Und ob es der Linkspartei gefällt oder nicht. Wenn Russland etwa Finnland oder Polen angreift werden wir helfen müssen. Also besser Putin nicht durch Schwäche auch noch dazu animieren.

  • nur wird ein Sondervermögen nicht helfen. Vielleicht um das Militär zu finanzieren. Gesamtwirtschaftlich gibt es immer noch die Fußfesseln, die die Wirtschaft an der Erholung hindern werden.



    Einzig positiver Effekt, mit einem Sondervermögen wird wahrscheinlich die Sozialpolitik nicht gegen Militärausgaben ausgespielt werden. (Aber da findet sich bestimmt ein anderer Grund für Merz den Rotstift anzusetzen)

  • Ich sehe einer Klage auch gelassen gegenüber, aber die Linkspartei gibt sich damit die Blöße: sie, deren Wahlerfolg zuallererst auf der verbalen Abgrenzung gegen rechts beruht, würde anscheinend tatsächlich gerne eine Querfront zusammen mit der AfD in Kauf nehmen. Wie gesagt: Gewählt wurde die Linkspartei nicht wegen, sondern trotz ihrer dogmatischen Außenpolitik. Sie sollte als demokratische Partei Respekt gegenüber ihren tatsächlichen Wähler*innen zeigen, die zu einem Gutteil die Ukraine unterstützen wollen, auch mit für Waffenlieferungen!

    Juristisch frage ich mich: Im Grundgesetz steht dass der neue Bundestag 30 Tage nach der Wahl zusammenkommen soll.



    Aber wie bestimmt sich eigentlich das genaue Datum? Definiert das der Bundespräsident, wird das im Konsens zwischen den gewählten Fraktionen ausgesucht, oder ist gar der designierte Altersvorsitzende des neuen Bundestags verantwortlich für die Terminfindung (in diesem Fall könnte Gregor Gysi theoretisch zündeln)?