Linke gegen AfD und BSW: Showdown in Lichtenberg
Linke-Vorsitzende Ines Schwerdtner tritt in Berlin-Lichtenberg zur Bundestagswahl an. Doch in der ehemaligen linken Hochburg sind heute BSW und AfD stark.
![Ines Schwerdtner gestikuliert an einem Rednerpult. Im Hintergrund ist das Logo der Partei "die Linke" zu sehen. Ines Schwerdtner gestikuliert an einem Rednerpult. Im Hintergrund ist das Logo der Partei "die Linke" zu sehen.](https://taz.de/picture/7372419/14/36817822-1.jpeg)
Die linke Publizistin, vor allem als Chefredakteurin des Magazins Jacobin bekannt, hat wenig mit Lichtenberg zu tun, doch Lötzsch hat sie offenbar schon länger als ihre Nachfolgerin auserkoren: Schwerdtner trat der Linken erst im August 2023 bei, und zwar auf Anregung von Lötzsch. Sie zeigten sich gemeinsam in einer Suppenküche zum Weltkindertag in Hohenschönhausen, sie verlegten gemeinsam Stolpersteine zum Gedenken an die Reichspogromnacht. Nachdem ihre Kandidatur am Samstag feststand, postete Schwerdtner ein Bild, das sie und Lötzsch zeigt, die Genoss:innen blicken sich an, darunter steht das Motto: „Mit neuer Kraft zu alter Stärke“.
Seinerzeit fuhr Lötzsch im Wahlkreis bis zu 40 Prozent ein. Aber spätestens mit der Gründung des BSW dürfte diese Zeit vorbei sein. Auch weil Sahra Wagenknecht bei Teilen der Wähler:innenschaft im Bezirk und in der Partei hoch im Kurs stand. Auch Lötzsch stellte sich gegen einen zwischenzeitlich angedachten Parteiausschluss Wagenknechts.
Gerüchte um Wagenknecht
Es gingen sogar Gerüchte um, die große Vorsitzende höchstselbst könne im Bezirk antreten. Immerhin hat Wagenknecht einen Zweitwohnsitz im beschaulichen Karlshorst, und aus BSW-Sicht wäre es sicher reizvoll, die Linke in einer ihrer einstigen Hochburgen zu schlagen.
Doch derzeit scheint sich abzuzeichnen, dass Norman Wolf, Fraktionsvorsitzender des BSW in der Lichtenberger Bezirksverordnetenversammlung, antreten wird. Wolf, zuvor Linken-Fraktionschef im Bezirk, verließ zusammen mit zwei weiteren Linken-Verordneten Fraktion und Partei, um die erste und bislang einzige Wagenknecht-Fraktion in Berlin zu gründen.
Auf kommunaler Ebene bewirtschaftet das BSW die Ressentiments des kleinen Mannes: Wolf und seine zwei Mitstreiter stellen sich gegen Windräder, gegen Poller, die den Autofluss stören, und natürlich gegen Geflüchtetenunterkünfte. Naheliegende Verbündete in diesen Fragen sind CDU und AfD. Einige Male bildete sich bereits im Lichtenberger Bezirksparlament eine solche große Koalition der schlechten Laune: BSW und AfD stimmtengemeinsam gegen Windräder und Geflüchtetenunterkünfte und folgerichtig mit der CDU gegen die Einrichtung von Volkshochschulkursen gegen Stammtischparolen.
Eines der Themen, über die sich das BSW vor Ort profilierte, war der Widerstand gegen einen umstrittenen Poller in einem Kiez in Rummelsburg. Fraktionschef Wolf besuchte auch Bürgerversammlungen, um aus dem Publikum heraus gegen das umstrittene Metallstück zu polemisieren. In der letzten Bezirksverordnetenversammlung forderte das BSW Einwohnerversammlungen gegen die Bebauung von Innenhöfen – obgleich diese Bebauungspläne längst beschlossene Sache sind.
Wahlkampf gegen Geflüchtete
Bislang hat die Partei mit dieser Strategie Erfolg: Bei den Europawahlen im Juli erreichte das BSW aus dem Stand 15,2 Prozent und belegte Platz 2 hinter der AfD (17,5 Prozent).
Bei der sind dem Vernehmen nach zwei Namen im Gespräch, die als mögliche Direktwahl-Kandidat:innen infrage kommen: David Christopher Eckert, ehemaliger JA-Vorsitzender in Berlin und heute stellvertretender Sprecher des AfD-Bezirksverbandes Lichtenberg, und die weitaus prominentere Beatrix von Storch. Festlegen will man sich am 30. November.
Von Storch bemühte sich in den vergangenen Monaten, häufiger in Lichtenberg Gesicht zu zeigen: Sie hielt zum EU-Wahlkampfabschluss der Partei in Lichtenberg eine Rede auf einer Kundgebung. Im September mobilisierte sie mit der Lichtenberger AfD gegen geplante Geflüchtetenunterkünfte und war auch bei der Sondersitzung des Bezirksparlaments zu dem Thema anwesend. Sie kandidierte bei der letzten Bundestagswahl erfolglos um das Direktmandat in Berlin-Mitte, zog über die Liste in den Bundestag ein.
Eckert ist seit 2013 AfD-Mitglied und war zwischenzeitlich Vorsitzender der Berliner JA. Dieser wollte er nach eigener Aussage mit „Kreativität, Humor und provokanten Aktionen“ Aufmerksamkeit verschaffen. Auffällig wurde er schon zu Beginn seiner Karriere in NRW: Eckert gründete dort eine AfD-Hochschulgruppe und verhüllte eine Statue von Heinrich Heine vor der Universität Düsseldorf mit einer Burka.
Ihren Bundestagswahlkampf in Lichtenberg wird die AfD wohl vor allem um die neuen und geplanten Geflüchtetenunterkünfte im Bezirk aufbauen. Für das BSW und den CDU-Kandidaten Danny Freymark sind die Heime ebenfalls ein Kernthema. Die Linke fordert wegen der neu kommenden Geflüchteten einen Ausbau der sozialen Infrastruktur, der ohnehin nötig wäre. Ob Schwerdtner damit gegen die geballte Kraft der schlechten Laune von AfD bis BSW ankommt, bezweifeln viele.
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