Lieferung von Haubitzen an die Ukraine: Für den aktuellen Krieg unwichtig
Die Bundesregierung genehmigt die Ausfuhr von 100 Haubitzen. Doch die müssen noch hergestellt werden. Das verrät einiges über die Nato-Strategie.
D ie Nachricht ist schon etwas älter, gelangte aber erst jetzt an die Öffentlichkeit. Die Bundesregierung hat am 13. Juli gebilligt, dass die Ukraine in den nächsten Jahren hundert moderne Panzerhaubitzen erhält. An diesem kurzen Satz sind gleich mehrere Aspekte interessant, die viel über die Nato und ihre Strategie verraten.
Erstens: Es handelt sich um hundert Haubitzen – nicht um tausend. So viele Geschütze wollte die Ukraine eigentlich bei den Verbündeten ordern, um sich gegen Russland zur Wehr zu setzen. Natürlich kommen Haubitzen auch aus anderen Ländern, vorneweg aus den USA. Trotzdem ist klar, dass die Wünsche der Ukraine nicht komplett in Erfüllung gehen dürften.
Zweitens: Die deutschen Haubitzen gibt es bisher gar nicht. Sie müssen zunächst einmal hergestellt werden, weswegen sie erst „in den nächsten Jahren“ geliefert werden können. Im aktuellen Krieg gegen Russland werden sie keine Rolle spielen. An diesem Zeitverzug lässt sich auch nichts ändern: In Deutschland hat niemand mit einem Landkrieg in Europa gerechnet, sodass weder die Bundeswehr noch die hiesige Rüstungsindustrie derzeit über genügend Waffen und Kapazitäten verfügen, um die Ukraine schnell und umfangreich auszustatten.
Drittens: Es ist kein Zufall, dass Haubitzen geliefert werden. Diese Artilleriegeschütze würden der Ukraine vor allem dabei helfen, sich gegen russische Angriffe zu verteidigen. Von Kampfpanzern ist weiterhin nicht die Rede. Damit bleibt Kanzler Scholz seiner Linie treu, dass er nicht im Alleingang handeln will. Bisher haben auch die anderen Nato-Länder keine Panzer oder Kampfflugzeuge in die Ukraine geliefert – also tut es die Bundesrepublik auch nicht.
Scholz’ Haltung ist konsequent. Da Deutschland kaum Waffen hat, hat es militärisch nichts zu melden. Die strategische Führung liegt bei den USA – weil nur sie eine leistungsfähige Rüstungsindustrie besitzen. Die US-Amerikaner könnten die Waffen liefern, die die Ukraine benötigt. Aber die Biden-Regierung geht dosiert vor, um aus dem Ukrainekrieg keinen Weltkrieg zu machen.
Das ist klug. Zum Glück kann man sich derzeit auf die Weitsicht der US-Amerikaner verlassen. Der Punkt ist schließlich: Selbst wenn die USA eine völlig falsche Strategie verfolgen würden, müssten die Deutschen hinterherdackeln. Denn wir selbst haben nichts zu bieten, wie die Meldung deutlich macht, dass mit unseren Haubitzen erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt zu rechnen ist. Es ist völlig abwegig, wie CDU-Chef Merz anzunehmen, dass Deutschland eine „Führungsrolle“ übernehmen könnte. Womit denn?
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen