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Lieferung von Haubitzen an die UkraineFür den aktuellen Krieg unwichtig

Ulrike Herrmann
Kommentar von Ulrike Herrmann

Die Bundesregierung genehmigt die Ausfuhr von 100 Haubitzen. Doch die müssen noch hergestellt werden. Das verrät einiges über die Nato-Strategie.

Die Bundesregierung genehmigt die Produktion von 100 Panzerhaubitzen 2000 für die Ukraine Foto: Philipp Schulze/dpa

D ie Nachricht ist schon etwas älter, gelangte aber erst jetzt an die Öffentlichkeit. Die Bundesregierung hat am 13. Juli gebilligt, dass die Ukraine in den nächsten Jahren hundert moderne Panzerhaubitzen erhält. An diesem kurzen Satz sind gleich mehrere Aspekte interessant, die viel über die Nato und ihre Strategie verraten.

Erstens: Es handelt sich um hundert Haubitzen – nicht um tausend. So viele Geschütze wollte die Ukraine eigentlich bei den Verbündeten ordern, um sich gegen Russland zur Wehr zu setzen. Natürlich kommen Haubitzen auch aus anderen Ländern, vorneweg aus den USA. Trotzdem ist klar, dass die Wünsche der Ukraine nicht komplett in Erfüllung ­gehen dürften.

Zweitens: Die deutschen Haubitzen gibt es bisher gar nicht. Sie müssen zunächst einmal hergestellt werden, weswegen sie erst „in den nächsten Jahren“ geliefert werden können. Im aktuellen Krieg gegen Russland werden sie keine Rolle spielen. An diesem Zeitverzug lässt sich auch nichts ändern: In Deutschland hat niemand mit einem Landkrieg in Europa gerechnet, sodass weder die Bundeswehr noch die hiesige Rüstungsindustrie derzeit über genügend Waffen und Kapazitäten verfügen, um die Ukraine schnell und umfangreich auszustatten.

Drittens: Es ist kein Zufall, dass Haubitzen geliefert werden. Diese Artilleriegeschütze würden der Ukraine vor allem dabei helfen, sich gegen russische Angriffe zu verteidigen. Von Kampfpanzern ist weiterhin nicht die Rede. Damit bleibt Kanzler Scholz seiner Linie treu, dass er nicht im Alleingang handeln will. Bisher haben auch die anderen Nato-Länder keine Panzer oder Kampfflugzeuge in die Ukraine geliefert – also tut es die Bundesrepublik auch nicht.

Scholz’ Haltung ist konsequent. Da Deutschland kaum Waffen hat, hat es militärisch nichts zu melden. Die strategische Führung liegt bei den USA – weil nur sie eine leistungsfähige Rüstungsindustrie besitzen. Die US-Amerikaner könnten die Waffen liefern, die die Ukraine benötigt. Aber die Biden-Regierung geht dosiert vor, um aus dem Ukrainekrieg keinen Weltkrieg zu machen.

Das ist klug. Zum Glück kann man sich derzeit auf die Weitsicht der US-Amerikaner verlassen. Der Punkt ist schließlich: Selbst wenn die USA eine völlig falsche Strategie verfolgen würden, müssten die Deutschen hinterherdackeln. Denn wir selbst haben nichts zu bieten, wie die Meldung deutlich macht, dass mit unseren Haubitzen erst zu einem deutlich späteren Zeitpunkt zu rechnen ist. Es ist völlig abwegig, wie CDU-Chef Merz anzunehmen, dass Deutschland eine „Führungsrolle“ übernehmen könnte. Womit denn?

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).