Liberale im EU-Parlament: Statt Erneuerung Verlierertruppe
Die Liberale Fraktion Renew Europe büßt mehr als 20 Prozent ihrer Sitze ein. Die Verluste sind besonders in Frankreich groß.
Während die FDP feiert, dass sie im Gegensatz zu ihren Koalitionspartnern in Deutschland bei der EU-Wahl nicht so schwer abgestraft wurde, herrscht bei ihren liberalen Schwesterparteien Katerstimmung. Die liberale Fraktion Renew Europe verliert laut den Prognosen von Montag 22 Prozent ihrer Sitze im Europäischen Parlament. Neben den Grünen, die sogar 26 Prozent ihrer Mandate verlieren, sind die Liberalen mit ihren nunmehr 79 Sitzen die großen Wahlverlierer. In den kommenden Tagen stehen bei Renew harte Auseinandersetzungen an – dabei könnten Äußerungen aus Frankreich über die Abgrenzung der Liberalen nach rechts die Fraktion weiter zersetzen.
Doch davon will FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann erst einmal nichts wissen. Die Spitzenkandidatin der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE) zeigte sich am Montag in Berlin zufrieden mit der Leistung der FDP. „Ich freue mich, dass es uns gelungen ist, die fünf Mandate, die wir haben, zu erhalten“, sagte sie. Die europäischen Liberalen würden in den kommenden Tagen ihre Aufstellung besprechen. „Ich bin sehr optimistisch, dass wir da einen guten Weg finden.“
Dabei dürften sich die Konflikte in der Fraktion wegen der großen Verluste weiter verschärfen. Renew ist ein Zusammenschluss der ALDE, der Europäischen Demokratischen Partei (EDP) und des Renaissance-Bündnisses des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die herben Einbußen für die Liberalen in Frankreich, die fortan nur 13 statt 23 Abgeordnete nach Straßburg entsenden, verändern das Tableau der liberalen Fraktion im Europaparlament deutlich.
Unklar war, ob sich die französische Renew-Chefin Valérie Hayer mit ihrer Ankündigung durchsetzen würde, über den Ausschluss der niederländischen VVD aus der liberalen Fraktion abzustimmen. Hayer hatte Mitte Mai eine solche Entscheidung gefordert, nachdem die niederländische Schwesterpartei in Den Haag ein Regierungsbündnis mit den Rechtsextremen von Geert Wilders eingegangen war. Die Schwächung der französischen Liberalen und Hayers lässt einen solchen Schritt unwahrscheinlicher werden – zumal Renew mit einem Ausschluss der VVD vier weitere Sitze verlieren würde.
Für Strack-Zimmermann ist ein Ausschluss der niederländischen Schwesterpartei kein Thema. „Wir sind Partner in Europa, und das ist überhaupt keine Frage, ob wir mit der VVD weiterarbeiten“, sagte sie. Bei der Abgrenzung zu den Rechtsextremen sah sie dagegen die konservative EVP und Ursula von der Leyen in der Pflicht. Eine neuerliche Unterstützung der CDU-Politikerin für das Amt der Kommissionspräsidentin könne es nur geben, wenn diese sich nicht mit den Stimmen der rechtsextremen Italiener*innen von Giorgia Meloni wählen ließe.
Strack-Zimmermann, die im Wahlkampf bei jeder Gelegenheit „weniger von der Leyen und mehr von der Freiheit“ forderte, sah die amtierende Kommissionspräsidentin nun in der Pflicht, die demokratischen Parteien hinter sich zu versammeln.
Marie-Agnes Strack-Zimmermann, FDP
Die FDP stellte für die Wahl der Kommissionspräsidentin auch Bedingungen. Parteichef Christian Lindner machte eine Abkehr vom Verbrenner-Aus für 2035 zu einer Vorgabe für die Wahl von der Leyens, obwohl der entsprechende Kompromiss von einem Renew-Abgeordneten ausgehandelt wurde. „Ein Verbot des Verbrennungsmotors darf es mit uns nicht geben“, sagte Lindner nun. Diese Linie muss Strack-Zimmermann in einer geschwächten Fraktion in Europa vortragen – keine leichte Aufgabe.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour