Leo Fischer über Intrigen bei „Die Partei“: „Unbegrenzter Machtdurst“
Leo Fischer, Mitglied im Bundesvorstand, kündigt den Sturz von Parteichef Sonneborn an. Er fordert mehr Hörigkeit und Rückbesinnung auf Ossi-Feindlichkeit.
taz: Herr Fischer, Sie haben am Wochenende angekündigt, sich von der Partei „Die Partei“ gemeinsam mit dem Bündnis „Chance 5000“ abzuspalten. Warum eigentlich? Der bisherige Bundesvorsitzende Martin Sonneborn hat doch genau das umgesetzt, was er im Wahlkampf versprochen hat: die Europäische Union zu melken und in Brüssel abwechselnd mit Ja und Nein zu stimmen.
Leo Fischer: Von einer Abspaltung kann keine Rede sein, sondern von einem Neustart. Nur eben ohne Sonneborn. Ich bin überzeugt davon, dass Sonneborn in Brüssel hervorragende Arbeit leistet. Doch vernachlässigt er „Die Partei“ in ihrer Tiefe. Viele Landesverbände haben den Eindruck, dass sie bei wichtigen Entscheidungen übergangen werden, dass alle interessanten Dinge in Berlin ausgehandelt werden. Ich möchte einen Bundesvorsitzenden, der vor der Provinz zu Kreuze kriecht, wie das zum Beispiel in der CDU gut etablierte Praxis ist – siehe die Homo-Ehe.
Martin Sonneborn muss in Brüssel schon jetzt neben Beatrix von Storch von der AfD und einem Vertreter der Neuen Rechten aus Polen während der EU-Debatten sitzen. Haben Sie eigentlich keine Skrupel, ihn da so ganz ohne Parteirückhalt zurückzulassen?
Als Parlamentarier hat Sonneborn meine volle Unterstützung und, was die Benannten angeht, auch mein Mitgefühl. Aber wir müssen auch bedenken, was die Aufgabe des Parlaments ist: die sozialverträgliche Entsorgung von Altpolitikern, die der Partei zur Last fallen. Hier muss Sonneborn endlich Nägel mit Köpfen machen.
33, ist Mitglied des Bundesvorstands der Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (Die Partei) ohne besonderen Geschäftsbereich. Er ist Titanic-Redakteur, bis 2013 war er Chefredakteur.
Springen Sie mit der Idee der Abspaltung nicht auf einen allgegenwärtigen Trend auf? Derlei mutet doch wenig originell an.
„Die Partei“ hat sich stets an den populistischen Bewegungen orientiert. Ich sehe wirklich nicht, warum wir darauf jetzt verzichten sollten.
Geht Ihnen mit der Bezeichnung „Chance 5000“ nicht Ihre komplette inhaltliche Richtung verloren? „Die Partei“ stand ja immer sehr präzise für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative.
Gerade an der basisdemokratischen Initiative fehlte es in der letzten Zeit doch stark – denn damit ist traditionell die „Die Partei“-Basis gemeint. Auch hier gibt es eine Chance auf Erneuerung – nämlich die „Chance 5000“.
Sie wollen als Bundesvorsitzender kandidieren. Welche Qualifikation würden Sie denn für diesen neuen Posten mitbringen?
Dieselben wie der aktuelle Vorsitzende: sieben Jahre Titanic-Erfahrung und unbegrenzten Machtdurst. Außerdem bin ich vereidigter Schiedsrichter für Flunkyball-Ligaspiele. Ich bringe also die nötige Street Credibility mit.
Aber Frankfurt am Main wollen Sie als Frankfurter nicht zufällig zum neuen heimlichen Stützpunkt der Partei machen?
Nein, ich bin ohnehin dafür, dass wir uns wieder auf unsere alte Ossi-Feindlichkeit besinnen sollten, „Die Partei“ als westdeutsche Bewegung erkennen und Berlin wieder als das sehen, was es ist: eine Stadt im Belagerungszustand. Ich fände Karlsruhe sehr schön, weil ich mich sehr für Grundrechte und Menschlichkeit interessiere.
Sie versprechen jedem Ihrer Unterstützer „bis zu 5.000 Euro“, und zwar sofort. Wäre dieses Geld nicht viel besser in den Mauerbau investiert?
Die Versorgung der Kader steht für mich an erster Stelle. Erst gut ausgeruhte, wohlgenährte Partei-Soldaten mit einer Playstation vor jedem Haus sind in der Lage, die schweren, aber notwendigen Aufgaben eines Mauerschützen wahrzunehmen. So hat es ja auch in der SED funktioniert.
Von der Website der „Chance 5000“ wird man direkt auf den „Die Partei“-Shop weitergeleitet. Ist es mit der Spaltung möglicherweise doch nicht so weit her?
Noch mal: Wir wollen keine Spaltung, sondern einen Neustart. Mit Reboot, Bluescreen und endlosen Treiber-Updates. Wir stehen hinter der „Partei“ und hinter ihren Idealen. Wenn morgen die Welt untergehen sollte, würde ich heute einen Mitgliederbeschluss dagegen organisieren.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Desaströse Lage in der Ukraine
Kyjiws Wunschzettel bleibt im dritten Kriegswinter unerfüllt
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt