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Laurie Penny über feministischen Protest„Es reicht nicht, gegen etwas zu sein“

Die britische Autorin Laurie Penny ist besorgt: Wenn sich Feminist*innen so organisieren wie derzeit, muss etwas Schlimmes passiert sein.

Jetzt geht es ums Ganze – die Debatte um die „Pussy Hats“ als Kampfsymbol muss trotzdem noch geführt werden Foto: reuters
Katrin Gottschalk
Interview von Katrin Gottschalk

Frau Penny, Sie waren am 21. Januar beim „Women's March“ in Washington – zusammen mit etwa einer halben Million anderer Menschen.

Laurie Penny: Manche sagen sogar, es wären eine Million Menschen gewesen! Auf jeden Fall waren viel mehr Leute da, als bei der Antrittsrede von Donald Trump am Tag zuvor, bei der ich auch war.

Wie war die Stimmung beim „Women's March“?

Komplett anders als am Tag zuvor. Es war verrückt. Offensichtlich hatten sie die Demo schon sehr lange geplant, aber dann kamen viel mehr Menschen als gedacht. Ich bin eine sehr kleine Person und andere wie ich hatten Panikattacken. Man konnte sich kaum bewegen. Also wollte ich mich zwischendurch in einem Busch am Rande der Demo verstecken. Und in diesem Busch waren schon sechs andere Leute! Das waren alles gender-queere, anarchistische Teenager und sie meinten: Hi, hier ist der Ort, an dem sich die Introvertierten treffen. Das ist politisch so wichtig, dass selbst die Introvertierten auf die Straße gehen, um zu protestieren! Die Energie war überwältigend.

Sehen Sie diese Energie auch in Großbritannien?

In Großbritannien nimmt sich die parlamentarische Linke gerade einfach auseinander – eine Form von Resignation. Das ist in den USA völlig anders. Da geht es darum, jetzt zusammen zu halten und sich nicht in Streitereien zu verzetteln. Nehmen Sie die Flughafenproteste. Da waren nicht nur die üblichen Verdächtigen, auch hunderte Jurist*innen. Da war eine Frau, die einfach da stand und fragte: Wie kann ich helfen? In ihrer Hand hatte sie eine Brustpumpe, weil sie erst eine Woche zuvor ein Kind bekommen hatte. Dieses Ausmaß an Leidenschaft ist unglaublich. Ich will das nicht zu sehr romantisieren, aber die Leute wirken einfach sehr entschlossen.

Welche Rolle spielen Frauen bei diesen Protesten?

Sie führen sie an, in einer sehr einzigartigen Art und Weise. Nehmen wir etwa die „Pussy Hats“. Es gab einen Moment im Flugzeug, in dem ich verstanden habe, dass das mehr als ein feministisches Symbol ist. Es war kalt, also habe ich dieses riesige wollene Ding aufgesetzt. Eine der Stewardessen, mittleres Alter, kam zu mir und meinte: Ich stimme überein mit dem, was Sie tun. Sie war extrem wütend wegen Trump, aber über Geschlecht hat sie nicht einmal mit mir gesprochen. Die Mütze bedeutete für sie vor allem, gegen diese Autorität zu sein.

Gruppen sind in der Regel dann am stärksten, wenn sie einen gemeinsamen Gegner haben. Es scheint, als sei in den USA Trump jetzt diese Person. Reicht das aber für eine große Bewegung?

Ich weiß nicht. In letzter Zeit wurde viel über das Ende der Welt und die Apokalypse gesprochen. Es reicht nicht, gegen etwas zu sein. Die Frage ist, wofür man ist. Und da ist sich die Linke vollkommen uneins. Jede*r hat ihre eigene Vision, wie die Zukunft aussehen sollte. Zumindest sind jetzt alle der Meinung, dass es eine Vision braucht. Kurzfristig ist die: Lasst nicht alles in die Luft gehen. Und danach können wir überlegen, wie es weiter geht. Wie beschützten wir diejenigen, die am verletzlichsten sind? Wie verhindern wir, dass es bestimmte Angebote irgendwann nicht mehr gibt?

Diese Fragen konnte man sich schon früher stellen.

Ja. Seit sieben Jahren erleben wir in Großbritannien eine Aufkündigung des sozialen Paktes. Bisher gibt es keinen koordinierten Widerstand dagegen, keine koordinierte Gemeinschaftsarbeit. Der Brexit ist ein komplexes Problem. Da gibt es keinen klaren Gegner, nicht einmal mehr ein Gesicht, seit sich Nigel Farrage in die USA verpisst hat.

Noch einmal zurück zu den „Pussy Hats“: Transpersonen hatten dazu eine Diskussion angeregt, weil sie die Pussy, also die Vulva, als diskriminierendes biologisches Symbol empfinden.

Das war ein interessanter Moment. Am Tag nach dem „Women’s March“ haben Leute gesagt: Ihr könnt keinen „Pussy Hat“ als Protestsymbol haben, das ist transphobisch und ausschließend. Dann haben darauf wieder Leute reagiert. Das passierte alles wahnsinnig schnell innerhalb von 24 Stunden und dann war es wieder vorbei. Es schien, als hätten sich alle darauf geeinigt: Ok, nicht heute. Offensichtlich ist es nicht perfekt, aber wir lassen das jetzt ruhen. So schnell habe ich noch keinen Beschluss innerhalb der Linken entstehen sehen. Und das heißt nicht, dass das keine wichtige Diskussion ist, sondern dass gerade unmittelbarere Dinge auf dem Spiel stehen.

dpa
Im Interview: Laurie Penny

1986 in London geboren, ist eine britische Journalistin, Autorin, Bloggerin und Feministin. Sie schreibt für The Independent, The Guardian, The Times und den New Statesman. Unter „Penny Red“ betreibt sie einen Blog.

In ihren Büchern „Fleischmarkt“ und „Unsagbare Dinge“ (beide auf Deutsch im Nautilus Verlag erschienen) thematisiert sie auch ihre frühere Anorexie-Erkrankung, die sie als Symptom der Entfremdung weiblicher Körper im Kapitalismus versteht.

Sagen Sie also, dass diese Fragen wichtig sind, aber um eine starke Bewegung zu haben, sollten sie erst einmal hintenan gestellt werden?

Sehen Sie, auf mich sollte niemand hören, um zu wissen, wie sie ihre Bewegung aufbauen. Ich wurde aus vielen linken Gruppen rausgeschmissen. Aber weil Sie fragen: Es geht nicht darum, nicht über bestimmte Themen zu sprechen. Es geht nur darum, mit mehr Mitgefühl und Verständnis darüber zu sprechen – und mit Blick auf die Zeit zu priorisieren. Es gibt auf jeden Fall einen Moment, um über die Symbolik der „Pussy Hats“ zu sprechen. Aber vielleicht ist dieser nicht in den drei Stunden, in denen die Demonstration organisiert werden muss. Es wird niemals eine perfekte Demonstration geben. Der „Women’s March“ war keine perfekte Demonstration. Ich zum Beispiel möchte eigentlich nicht neben Pro-Life-Feministinnen laufen. Aber ich habe das an diesem Tag runtergeschluckt. Diesen Kampf wollte ich an diesem Tag nicht haben, aber ich habe ihn gerne jetzt. Verstehen Sie den Unterschied?

Absolut. Aber ich sehe auch das Argument von Minderheiten, die sagen, dass es nie „die richtige Zeit“ für diese Diskussion gibt.

Das stimmt. Es geht nicht darum zu warten, bis sich alles beruhigt hat. Es geht darum, kleinere Kämpfe nicht als Derailing zu nutzen. Es gab sehr lebendige Diskussionen, als der „Women’s March“ in Washington geplant wurde. Welche Frauen sollten auf der Bühne sein? Manche wollten nur Celebrities, vor allem weiße Frauen, vor allem reiche Frauen. Viele der Organisator*innen meinten dann: Ok, wenn ihr Celebrities wollt, dann lasst und Angela Davis einladen. Lasst uns die Vorkämpfer*innen einladen, Women of Colour, Frauen mit verschiedener sozialer Herkunft. Das war eine konstruktive Diskussion. Ich sage nicht, dass Identitätsfragen vertagt werden sollten. Das ist schließlich das, was wir von weißen Männern in der Linken hören: Warum sollten wir über Feminismus reden? Lasst uns erst einmal unsere Revolution machen.

Unter Feminist*innen scheint es zwei Pole zu geben: Diejenigen, die manche als „Lean-In-Feministinnen“ bezeichnen, die sich vor allem mit gläsernen Decken und Aufstiegschancen beschäftigen. Und dann gibt es diejenigen, die als wütende Student*innen wahrgenommen werden, die nur darüber diskutieren, warum es für Weiße nicht ok ist, die Kopfbedeckung von Native Americans zu tragen.

Das ist nicht ok! So einfach ist das.

Ok. Aber was gibt es an Bewegung dazwischen?

Ich stimme mit dieser Charakterisierung nicht überein. Das sind die Bewegungen, von denen ich in den Medien lese, aber das sind nicht die Bewegungen, die ich als Journalistin erlebe. Klar, es gibt eine eher wirtschaftlich-orientierte Schule von hyperkapitalistischen, hyperneoliberalen Feminist*innen. Für Konservative ist das das akzeptable Gesicht von Feminismus. Also eine Frau, die der grundsätzlichen Ordnung nicht in die Quere kommt.

Und dann gibt es diese riesige Tendenz, Student*innen anzugreifen, weil studentische Politiken nicht relevant für die Gesellschaft seien. Noch vor ein paar Jahren galten Student*innen als zu brav und jetzt führen sie die Diskussionen, von denen wir doch auch wollen, dass sie sie führen. Irgendjemand muss doch über Identitätsfragen diskutieren, neue Formulierungen anbringen, die es noch nie zuvor gegeben hat. Dafür sind Student*innen da. Ich hätte mein Studium lieber so als mit Trinken und Theater verbracht.

Verharren diese Diskussionen aber nicht einfach in ihrer Blase?

Diese Diskussionen sind überhaupt nicht völlig abgetrennt von „der großen Politik“. Denken Sie an Black Lives Matter. Die Basis von Black Lives Matter ist intersektionaler Feminismus. Es ist einfach, das alles abzutun als ein paar dumme Student*innen, die sich über Kopfschmuck und Safe Spaces streiten. Aber das ist echte Politik und es hat einen Einfluss. Wenn es jemals eine Zeit gab, in der Universitäten oder Student*innen in einer Blase gelebt haben, dann war das eine Zeit weit vor dem Internet. Die Student*innen heute sind online, organisieren Dinge, diskutieren mit Menschen, die nicht auf der Universität sind. Mehr Leute sollten über die Welt nachdenken und wie man sie verändern kann. Deshalb ist eine freie universitäre Ausbildung so wichtig.

Es gibt diese generelle Anklage, dass Identitätspolitiken zu politisch korrekt seien. In Deutschland gibt es das Bild des „kleinen Mannes“.

So wie bei uns Joe everyday?

Genau. Der soll sich jedenfalls von der ganzen politischen Korrektheit ausgeschlossen fühlen. Weil die Linke ihn vergessen hat, hätten Rechtspopulist*innen nun leichtes Spiel: mit einer einfachen Sprache, mit Einheit statt Vielfalt.

Das ist ein großer Strohmann, der kleine Mann. Wie kommt es, dass „echte Politik“ immer darauf ausgerichtet ist, weiße, heterosexuelle Mittelschichtsmänner anzusprechen? Warum ist das unser Bild für das politische Subjekt? Die meisten Menschen in den meisten Ländern sind nicht diese Person. Selbst wenn all diese Männer gleich politisiert wären, wären sie nicht in der Mehrheit. Ich verstehe nicht, warum alles darauf ausgelegt sein muss, dass sich dieser Typ wohl und sicher fühlt. Warum fragen wir nicht, was die Politik tun kann, um mehr Frauen zu gefallen? Oder Personen of Colour? Oder Queers? Das ist hoch problematisch.

Hat die Linke aber nicht vielleicht doch zu wenig auf diese Gruppe geschaut?

Die Linke liebt es, sich selbst die Schuld an allem zu geben, was in der Welt falsch läuft. Ich denke aber nicht, dass der Ausgang der Wahl die Schuld der Linken ist. Es ist nett, das zu glauben – das würde der Linken gewissermaßen Macht verleihen. Denn das hieße, wir hätten das Ergebnis verändern können. Aber ich denke nicht, dass das der Fehler der Liberalen oder der Linken ist. Und ich glaube erst recht nicht, dass es der Fehler von LGBT-Aktivist*innen ist.

Das beantwortet die Frage nur halb.

Ok. Sehen Sie, jede Politik ist Identitätspolitik. Und die kann nicht getrennt von ökonomischen Zwängen betrachtet werden. Das Patriarchat ist ein System, das manche Menschen ohne Entlohnung arbeiten lässt und die physische und biologische Arbeit einer bestimmten Gesellschaftsgruppe kontrolliert. Das sind ökonomische Fragen. Die wütenden weißen Männer, die denken, dass ihr Leben bedroht werde – was machen die anderes als Identitätspolitik? Diejenigen, die wegen Identität wirklich ausflippen, sind nicht die linken Student*innen. Das sind die AfD, Ukip und US-amerikanische Neonazis. Das sind die gefährlichen Identitätspolitiken.

Es scheint eine Lücke zu geben zwischen dem linken Diskurs und dem sogenannten echten Leben. Das hat etwas mit Sprache zu tun. Eine Schwarze Person in Deutschland, die sich als Person of Colour beschreibt, kann durchaus auf das Unverständnis ihrer Eltern stoßen, die gar nicht verstehen, was sie meint.

Aber welche Eltern verstehen schon, wie man sich selbst identifiziert? Welche Eltern verstehen ihre Kinder wirklich?

Aber Sie können ja nicht leugnen, dass es eine Kluft gibt zwischen dem Diskurs, der mitunter recht theoretisch ist und dem Wunsch, möglichst viele Menschen zu erreichen. Haben Sie Ideen, wie sich diese Lücke schließen lässt, oder sagen Sie einfach, diese Lücke existiert gar nicht?

Ich verstehe schon, was Sie sagen. Ich bin eine Autorin, deshalb ist Sprache sehr wichtig für mich. Wie wir sie nutzen und welche Machtstrukturen sie schafft, ist wichtig. Es ist kein Fortschritt, wenn Leute in der Linken ein bestimmtes Level an intellektueller Beteiligung verlangen, bevor man sich überhaupt einbringen kann. Ich habe das nicht oft erlebt und wenn dann nur auf beschissenen Hipster-Partys, zu denen ich ohnehin nicht mehr gehe, seit ich mit dem Trinken aufgehört habe.

Was meinen Sie genau?

Mir wurde auch schon vorgeworfen, dass meine Sprache nicht komplex genug sei und dass ich nicht genügend Derrida gelesen hätte. Ich schreibe aber nun einmal keine akademischen Artikel, sondern journalistische und Kolumnen. Die Person, die das liest, soll am Ende mehr wissen, als zuvor. Ich schreibe für Mainstreammedien.

Ich glaube, diese stark akademische Sprache in linken Diskursen ist vielleicht auch besonders für Deutschland.

Es gibt schon ein Problem mit verständlicher Sprache. Wir müssen nicht immer auf demselben Level kommunizieren. Wie ich jetzt mit Ihnen spreche unterscheidet sich davon, wie ich erst gestern mit einem Freund gesprochen habe. Oder wie ich mit meiner Mutter spreche. Oder wie ich mit meinen akademischen Freund*innen spreche. Es gibt verschiedene Optionen für verschiedene soziale Anlässe. Jeder Mensch macht das. Aber ja, ich glaube auch, dass es kulturelle Unterschiede gibt. In Großbritannien und in den USA gibt es gerade diese tiefe Abneigung gegen Intellektuelle und Expert*innen. Also generell gegen die Idee, dass irgendwer Expert*in in einer bestimmten Sache sein kann. Das ist ein Angriff auf Wissen und Wissenschaft überhaupt.

Ist es gerade eine gute oder eine schlechte Zeit für Feminismus?

Manche elektrisiert diese Weltuntergangstimmung. Es ist ja auch eine sehr spannende Zeit, politische Journalistin zu sein. Das möchte ich nicht leugnen. Plötzlich sehe ich, wie die feministische Bewegung zusammenkommt und Hunderttausende sich dafür interessieren. Ich hatte mich aber eigentlich eher darauf gefreut, die nächsten vier Jahre zu diskutieren, ob Hillary Clinton feministisch genug ist oder nicht. Zu diskutieren, ob ihr Gesetz zur Kinderversorgung weit genug geht oder nicht. Stattdessen sprechen wir darüber, dass Frauen gezwungen werden, ein Kind gegen ihren Willen zu gebären. Über Menschen, die ausgewiesen werden. Das erregt auf eine Art, aber ich denke nicht, dass es positiv ist. Auf einem breiteren politischen Level hat der Backlash ein Stück weit gewonnen. Und das macht mir Angst.

Macht der „Women's March“ nicht vor allem Hoffnung?

Es ist toll gewesen, wie beim „Women's March“ in Washington alle zusammen gekommen sind. Wir müssen das öfter machen. Gleichzeitig: Das hier ist doch die feministische Bewegung. Die kommt normalerweise nie zusammen! Und alle, die rufen, dass wir die Welt verändern könnten, wenn wir nur alle zusammen halten würden, frage ich: Habt ihr jemals Feminist*innen getroffen? Ich war elektrisiert, da unter all den Leuten zu sein, aber es hat mich auch besorgt. Da sind Transaktivist*innen und Anti-Transaktivist*innen, die auf derselben Seite laufen. Selbst die Introvertierten sind raus gekommen. Das ist gruselig. Etwas wirklich Schreckliches muss passiert sein. Es ist gerade eine aufregende Zeit, ja, aber nicht auf eine gute Art.

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20 Kommentare

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  • 6G
    6474 (Profil gelöscht)

    1)

    "Das ist ein großer Strohmann, der kleine Mann. Wie kommt es, dass „echte Politik“ immer darauf ausgerichtet ist, weiße, heterosexuelle Mittelschichtsmänner anzusprechen?"

     

    -Irgendwie beeindruckend, wie man bzw Frau sich das zurecht legen kann, damit das einfache Gut/Böse Weltbild wieder passt.

     

    Wer ist der "kleine Mann" eigentlich?

    Ist der "kleine Mann" ein Mittelschichtsmann? Dann ist der "kleine Mann" also kein Arbeiterklassemann? Weil Frau Penny das gerne so hätte und sich Mittelschichtsmänner einfacher angreifen lassen, wischt sie einfach mal so die Arbeiterklasse weg und macht sie unsichtbar.

     

    Ist der "kleine Mann" überhaupt ein Mann? Es haben zwar "nur" 40 Prozent der Frauen für Trump gestimmt, aber wenn man "weiße Frauen" als gesonderte Gruppe betrachtet, dann waren es 53 Prozent weiße Frauen die Trump gewählt haben.

    Noch deutlicher wird es bei "weißen Frauen ohne College-Abschluß": Die haben zu 62(!) Prozent Trump gewählt! Nochmal: 62 Prozent!

     

    Also wenn Frau Penny schon so freimütig zugibt das ihr die Rechte von Typen scheissegal sind, solange sie nicht schwul oder farbig sind; ist das nicht genau die Wählergruppe die Feministinnen gerne ansprechen und repräsentieren würden?- Frauen in prekärer Lage, mit dem einzigen Manko (aus Pennys Sicht) das sie nicht farbig sind. Oder will man nur noch für behinderte, arme, lesbische, farbige Frauen Politik machen?

    • 6G
      6474 (Profil gelöscht)
      @6474 (Profil gelöscht):

      2)

      "Die meisten Menschen in den meisten Ländern sind nicht diese Person. Selbst wenn all diese Männer gleich politisiert wären, wären sie nicht in der Mehrheit. Ich verstehe nicht, warum alles darauf ausgelegt sein muss, dass sich dieser Typ wohl und sicher fühlt."

       

      Wir sind hier aber nicht "in den meisten Ländern" sondern eben hier mit den Realtitäten die hier stattfinden.

       

      Was wird von mir als weißer, bisexueller Mann der sich trotzdem vom Feminismus nicht vertreten fühlt, nun eigentlich verlangt?

      (Ignorieren wir mal einen Moment meine Sexuelle Orientierung)

       

      Soll ich aus reiner Nächstenliebe eine politische Agenda gutheißen, die darauf pfeift das ich mich "wohl und sicher" fühle und gar kein Interesse daran hat, mich in irgendeiner Form mitzunehmen? Wie rührend das so urchristliche Werte von anderen eingefordert werden, da hat sich wohl jemand auf dem Weg zur Bibelstunde verirrt.

       

      In Wahrheit ist es doch so: Es gibt gesellschaftlich etablierte Homosexuelle die sich ganz offensichtlich von der AFD, CDU, FDP politisch mehr vertreten fühlen, als von Linken, weil der Umstand alleine homosexuell zu sein, einen nicht dazu zwingt antirassistisch zu denken.

       

      Dagegen ist Homophobie bei farbigen Menschen nicht seltener anzutreffen als bei Weißen. In vielen Ländern sogar deutlich stärker ausgeprägt.

       

      Und Frauen die wohlhabend geboren werden, interessiert der Umstand das andere alleinerziehende Mütter häufig arm dran sind, möglicherweise überhaupt nicht.

       

      Kurz: Diese Mehrheiten die sich Laurie Penny gegen den "weißen Mann aus der Mittelsicht" herbei fantasiert existieren nicht.

      • 6G
        6474 (Profil gelöscht)
        @6474 (Profil gelöscht):

        3)

        "Warum fragen wir nicht, was die Politik tun kann, um mehr Frauen zu gefallen? Oder Personen of Colour? Oder Queers? Das ist hoch problematisch."

         

        -Eine obdachlose Frau wird zu einem obdachlosen Mann mehr Bezug sehen, als zu ihren Geschlechtsgenossinnen.

        Eine weiße Verkäuferin im Burgerladen in West-Virginia wählt Trump, weil sie Schwarze nicht leiden kann, auch wenn der nicht so nett zu Frauen ist.

         

        Die Politik die gemacht wird, wird eben nicht nur für den "weißen, Mittelschichtsmann" gemacht, sondern genauso sehr für die weibliche Rassistin, den farbigen Homophoben, den schwulen Millionär usw.

         

        Die Frage was für eine Politik "den Frauen" gefallen würde, ist also gar nicht zu beantworten.

        • @6474 (Profil gelöscht):

          Ich mag ja nun auch nicht unbedingt absolut alles an Penny, aber Ihre obige Tirade verstehe ich ehrlich gesagt nicht ganz. Das Denken in Kategorien wie "der weiße Hetero-Mann" stammt doch hier gar nicht von ihr, sondern von all jenen, die von links bis rechts behaupten, man habe den "kleinen/abgehängten/wasauchimmer weißen Hetero-Mann" wegen des ganzen blöden Minderheitengedöns zu sehr vernachlässigt, und deshalb müssen die armen Vernachlässigten jetzt eben Trump wählen.

          Pennys Aussage, dieser abgehänge "weiße Mann" sei doch ein Strohmann, geht doch genau in Ihre Richtung und nicht dagegen: Erstens macht es keinen Sinn, gegen "Identitätspolitik" zu wettern aber dann Politik für den "weißen Hetero Mann" einzufordern, was selber schon immer Identitätspolitik war und ist.

          Und zweitens gibt es eben nicht nur abgehängte weiße Heteromänner, sondern auch abgehängte schwarze bisexuelle Männer, privilegierte Frauen, linke weiße, erzkonservative oder rassistische Schwule, etc.

          Kurzum, es geht darum, billige Dualismen von "wir gegen die" zu vermeiden. Nichts anders sagt Penny, und nichts sehr viel anderes sagen Sie. Mir scheint, Ihr blanker Hass geht hier nicht nur vollkommen in die falsche Richtung, sondern offenbart das Problem im Denken auch eher bei Ihnen als bei ihr.

        • @6474 (Profil gelöscht):

          Unabhängig davon, was frauman von Penny’s Ansichten hält, habe ich den Eindruck, dass sie in einer ziemlich hermetischen Politblase lebt. Ähnlich wie viele andere extrem politisierte Leute aus unterschiedlichsten Lagern, die gesellschaftliche Vorgänge nur noch über das Koordinatensystem ihrer jeweiligen Ideologie interpretieren können.

          Entsprechend kann sie den „kleinen Mann“ wohl nur als einen latent rassistischen Privilegienbewahrer sehen. Ich frage mich ob ihr klar ist, dass ein Großteil der kleinen und großen Leute, wenn überhaupt, nur eine vage Ahnung von der bloßen Existenz dieser ganzen Diskussionen und Bewegungen hat. Soviel zur im Interview gestellten, aber nicht beantworteten, Frage zu der „Lücke im Diskurs“.

  • Im Englischen gibt es die Redewendung "barking up the wrong tree", was mit "sich an die falsche Adresse wenden" oder "auf dem Holzweg sein" übersetzen lässt. Sie bellen den falschen Baum an, Genosse.

     

    Die Tatsache, dass sich Menschen mit "kanonisierten Stigmata" (hüstel!) politisch organisieren und, wenn überhaupt, von links Solidarität erfahren, liegt an den Schwächen des von Ihnen naiv verklärten Humanismus selbst. "Naiv", bitte verzeihen Sie, weil Sie den Begriff idealistisch und nicht historisch verstehen wollen. Historisch war Humanismus allerdings die Rechtfertigung für unzählige Verbrechen: in Kolonialstaaten für Umerziehung und Gewalt, da die "Wilden" ja erst zu Menschen gemacht werden müssen; oder für unzählige "humanitäre Kriegseinsätze", die nicht nur während des Kalten Krieges vor allem geopolitische und ökonomische Ziele durchsetzten; uvm.

     

    Die ganze politische Pointe von Penny und anderen besteht darin, dass die von Ihnen denunzierend so genannten "modischen Minderheiten"(hüstel! hüstel!) nichts anderes machen, als sich auf das Versprechen des Humanismus zu berufen, nämlich dass nicht nur idealerweise, sondern real, hierheutejetzt, alle Menschen gleich behandelt werden. Sie können kaum bestreiten, dass es täglich Diskriminierung und Dehumanisierung gibt, und zwar hier vor unseren Haustüren. Oder wie würden Sie die unzähligen Angriffe auf geflüchtete Menschen und deren Unterkünfte nennen? Oder die Alltäglichkeit sexistischer Übergriffe?

     

    Wenn Sie nun mit dem Hinweis auf die benachteiligten Menschen der Mehrheit gegen die gefährdeten Minderheiten ausspielen, zeigt sich, wie wenig Sie zur Solidarität fähig sind und das positioniert Sie vermutlich ungewollt in der Nähe der aufstrebenden Neofaschisten, die die Macht der Mehrheit gegen die (flüchtenden, muslimischen, feministischen…) Minderheiten mobilisieren wollen. Wollen Sie das? Wie sie wissen endet das bekanntlich, ganz unhumanistisch, in grausamer Gewalt von Menschen gegen Menschen.

    • @Comandanta Ramona:

      @Thomas Friedrich

  • "Denken Sie an Black Lives Matter. Die Basis von Black Lives Matter ist intersektionaler Feminismus."

    Und ich dachte immer, die Basis von "Black Lives Matter" wäre sex- und gender-unabhängiger Anti-Rassismus, ausgelöst durch Morde durch Polizisten an Schwarzen.

     

    "Sehen Sie, jede Politik ist Identitätspolitik."

    Und jeder bezieht sich dabei auf die Identitätspolitik, für die er selbst primär kämpft. Siehe Fr. Pennys Betonung des Feminismus bei "Black Lives Matter". Und wehe, ein anderer hat eine andere Gewichtung, dann setzt es was. Siehe diesen komischen Pussy-Hat-Streit.

     

    Das Problem ist weniger eine unverständliche Sprache oder der kleine weiße Mann, der sich nicht angesprochen fühlt. Das Problem ist, dass man als "Außenstehender" (sprich: nicht in der Szene Aktiver) zwar mit den grundsätzlichen Zielsetzungen vollkommen einverstanden sein kann, aber man die in der Öffentlichkeit präsente Szene einfach nicht mehr ernst nehmen kann.

     

    Tut mir Leid, aber das ganze hat was Loriot, nach dem Motto: "Verein zur Integration der Begriffe Karneval und Umwelt in die Frau"

  • "Warum fragen wir nicht, was die Politik tun kann, um mehr Frauen zu gefallen? Oder Personen of Colour? Oder Queers?"

     

    Linke Politik definiert sich eigentlich darüber, das Wohlergehen aller Menschen im Blick zu haben und nicht die Interessen bestimmter Gruppen zu bevorzugen. Das ist ja das Schöne am Begriff "Humanismus", dass er, anders als "Feminismus" keinem In Group/Out-Group-Denken folgt.

     

    Politik, die sich nur noch um die Belange von modischen Minderheiten kümmert und völlig übersieht, dass man auch ohne die kanonisierten Stigmata (weiblich, Queer, People of color, behindert...) in dieser Welt benachteiligt sein kann, darf sich halt auch nicht wundern, wenn Menschen, die nicht zu diesen Gruppen gehören, sich auch nicht mehr vertreten fühlen.

    • @Thomas Friedrich:

      Achja, das derzeitige Dauermantra vom armen kleinen weißen hetero-Mann, der sich nicht mehr vertreten fühlt. Alles wenn irgendwas eine bescheuerte "Mode" ist, dann doch das. Sie überlesen nicht nur geschwind, was der Artikel dazu bzw. dagegen zu sagen hat, sondern vergessen in ihrem Argument auch mal wieder eines: Das Ziel linker Politik ist sehr wohl ein gutes Leben für alle. Dieses Ziel wird aber nicht erreicht, indem Ausbeutungs- und Unterdrückungsformen (Kapitalismus, Rassismus, Sexismus/Patriarchat, Homophobie etc.) und deren Opfer nicht mehr benannt werden dürfen. Wenn linke Politik im Namen der "Arbeiterklasse" oder des "Proletariats" gemacht wird, greinen Sie und Ihre Kollegen hier doch auch nie "aber was ist mit den armen Kapitalisten, die fühlen sich da ja gar nicht vertreten?!"

      Nur wenn Frauen "nieder mit Sexismus" rufen oder dunkelhäutige Menschen "Stopt Rassismus", dann haben Sie ein Problem damit.

      Also immer dann, wenn Sie selber mal fünf Minuten nicht der Hauptfocus sind oder, Gott behüte, Sie auch mal eigene Privilegien hinterfragen oder aufgeben müssten.

      Da werden dann absolut alle, die nicht zu ihrer kleinen Minderheit an weißen hetero Männern gehören, mal eben zur lästigen Minderheit erklärt und die Thematisierung von jahrhundertealten Ausbeutungs- und Unterdrückungsformen zur bloßen "Modeerscheinung."

       

      Man kann ja trefflich darüber diskutieren, ob die Linken den Aspect "Klasse" aus der berühmten Triade von race-class-gender in letzter Zeit vielleicht vernachläsigt hat, aber doch bitte nicht so und nicht mit diesem billigen Ausspielen gegen die anderen zwei.

  • Wie es kommt, dass "echte Politik" immer auf weiße, heterosexuelle Mittelschichtsmänner ausgerichtet ist? Warum die (und nicht Frauen, Farbige oder quere Menschen) das "Bild für das politische Subjekt" schlechthin sind?

     

    Ganz einfach: Menschen lernen aus Erfahrungen. Weiße, heterosexuelle Männer sind in der Vergangenheit immer wieder gefährlich geworden für die Herrschenden. Wenn sie sich zusammengetan und "Revolution!" gebrüllt haben, sind Köpfe gerollt, und zwar nicht nur im übertragenen Sinne. "Die Politik" (und nicht nur sie) hat einfach Angst vor den unbeherrschten Emotionen des "kleinen weißen Mannes", den sie eigenhändig auf Krieg programmiert hat, weil er im Zweifel als Soldat gehen sollt.

     

    Von sprachbegeisterten Studentinnen und aufstiegsorientierte Glasdecke-Sprengerinnen ist so viel Gefahr für "das System" und seine Einzelteile noch kaum je ausgegangen. Dafür sind sie zu neu auf den Politbühnen der Welt. Die legen sich zudem, wenn überhaupt, nur mit den eignen Leuten an. Und militärisch ausgebildet sind sie schon gar nicht. "Die Politik" kann sich einfach nicht vorstellen, dass sie so eine "Macht" befrieden muss, bevor sie explodiert. Das könnte eine Chance sein, denke ich.

     

    Wer jetzt meint, Frauen, Personen of Colour oder Queers müssten sich dringend militarisieren, ist aber auf dem Holzweg. Wenn der "Backlash" zuletzt "auf einem breiteren politischen Level [...] ein Stück weit gewonnen" hat, dann vermutlich vor allem deswegen, weil Angst ein ziemlich alter Antrieb ist. Einer, dem wir den ganzen Ärger erst verdanken. Einer, der überwunden und ersetzt gehört durch etwas Neues, Positives.

     

    Merke: Ein falsches Prinzip wird nicht richtig, wenn man die Köpfe austauscht, die es repräsentieren. Es hilft auch nichts, mit den gleichen Leuten ein anderes System aufzubauen. Aufgabe und Mensch müssen zu einander passen. Das ist schwer machbar. Vor allem da, wo alle anonym sind für den/die jeweils andere*n.

  • Die Debatte, ob Pussy Hats nun transphob seien oder nicht, wurde nicht deshalb so schnell beendet, weil Trans*personen oder irgend jemand anderes zurückstehen soll oder nicht zählt bei diesem Protest, sondern weil die Debatte kompletter Schwachsinn war.

     

    Der Women's march mit seiner "Pussy Hat"-Symbolik war eine offensichtliche Replik auf Trumps unsäglichen "Grab them by the pussy" Ausspruch. Deshalb haben Millionen Frauen und auch Männer oder alles dazwischen mit oder ohne eigener pussy diese Mütze getragen, um ihren Widerspruch gegen Trump und alles wofür er steht symbolisch auszudrücken. Kann man toll finden oder doof, aber bitte wie bescheuert muss man denn sein, um an der Stelle "Es gibt aber auch Frauen ohne pussies ihr seid ja alle total transphob" zu heulen? Darum ging es überhaupt nicht.

     

    Ziemlich bezeichnend übrigens, dass diese bescheuerten wannabe-"*aktivist/*_Innen" (nicht gleichzusetzen mit seriösen VertreterInnen von Trans*Rechten!) nicht etwas aufgeheult haben, dass es ja auch Frauen ohne pussies gebe, als Trump denselbigen an dieselbige grapschen wollte. Oder vielleicht mal dagegen aufgeschrien haben, dass der überhaupt irgendwem ungefragt irgendwohin grabschen will.

    Nur den Widerstand dagegen, den "derailen" sie dann mit diesem Nonsens.

     

    Diese Art von "special snowflake" macht jede ernsthafte Diskussion um echte Probleme kaputt, spaltet unter Freunden statt gegen echte Gegner aufzustehen, und ist Wasser auf die Mühlen neurechter Bewegungen -wie ja auch einiger Kommentatoren hier, die so einen Schwachsinn dann genüsslich mit "Linken" gleichsetzen.

    • @kami:

      Danke, dass Du mir diesen Beitrag abgenommen hast. ;-) Dekadenz hat halt viele Gesichter. - (Wie wärs, wenn man pinke Mützen mit oder ohne Schlitz, mit oder ohne Bommel strickt?)

      Aber "an und für sich" ist das mal ein gutes Interview, sowohl die Fragende als auch die Befragte sind recht differenziert.

  • "Das war ein interessanter Moment. Am Tag nach dem „Women’s March“ haben Leute gesagt: Ihr könnt keinen „Pussy Hat“ als Protestsymbol haben, das ist transphobisch und ausschließend. Dann haben darauf wieder Leute reagiert. Das passierte alles wahnsinnig schnell innerhalb von 24 Stunden und dann war es wieder vorbei. Es schien, als hätten sich alle darauf geeinigt: Ok, nicht heute. Offensichtlich ist es nicht perfekt, aber wir lassen das jetzt ruhen. So schnell habe ich noch keinen Beschluss innerhalb der Linken entstehen sehen."

     

    Potemkinsche Dörfer und Paralleluniversen. Das macht keinen Menschen satt, es sei denn, Essen gibt es im Supermarkt (oder in der Mülltonne dahinter) und muss nur abgeholt werden.

  • 8G
    85198 (Profil gelöscht)

    Die Frage für mich als linken weißen Hetero-Mann ist nicht, ob Feminismus notwendig ist. Ganz klar ist er das, wie auch eine Emanzipation der Männer vom Patriarchat notwendig ist, das für Männer eine kürzere Lebenserwartung, Kriegsdienst (ist nur ausgesetzt), legale Beschneidung, Karriereerwartungen etc. mit sich bringt. Jede Prinzessin will ihren Traumprinzen. Frauen werden "Schlampen" oder "Fotze" genannt, Männer werden zum "Loser", "Wichser" oder "Schwanzträger" (beliebt besonders bei Feministinnen). Sexismus ist keine Einbahnstraße. Frei bin ich davon auch nicht.

     

    Mir stellen sich folgende Fragen:

    Dürfen Männer (insbesondere Heteros) im Feminismus nur mitlaufen? Ich habe das Gefühl, das ist so.

    Ist die Emanzipation der Männer vom Patriarchat etwas feministisches? Ich weiß es nicht. Für mich ist meine Emanzipation zumindest nichts feministisches, sondern etwas menschliches.

    Reicht Feminismus aus, um gegen die Ungerechtigkeiten im Kapitalismus zu kämpfen? Ich denke nicht, dass sich Patriarchat und Kapitalismus einfach gleichsetzen lassen. Ohne Kritik an den gesellschaftlichen Produktionsbedingungen und an den Eigentumsverhältnissen lässt sich keine positive Alternative zum Kapitalismus aufbauen. Ohne feministische Ideen und individuelle Emanzipation auch nicht. Deswegen bin ich Syndikalist.

    • @85198 (Profil gelöscht):

      (Teil 1/2)

      Abgesehen von einer verschwindend geringen Anzahl an 60er-Fundamentalfeministinnen wie Mary Daly werden Sie wohl kaum feministische Strömungen finden, die behaupten würden, dass sich alle Unterdrückungs- und Ausbeutungsformen dieser Welt allein durch das Patriarchat erklären lassen oder dieses mit Kapitalismus einfach gleichzusetzen sei. Was spricht denn dagegen, diese als verschieden aber miteinander verzahnt zu thematisieren? (Stichwort Intersektionalität.) Sie aber fordern einerseits, verschiedene Unterdrückungsformen nicht einfach gleichzusetzen... aber leugnen gleichzeitig jegliche Spezifik geschlechtsbasierter Unterdrückung, indem Sie erklären, Emanzipation vom Patriarchat sei ja nichts Feministisches sondern einfach "Menschlich." (Auffällig dabei: Beim Kampf gegen den Kapitalismus sagen Sie aber nicht, dass der doch einfach nur "menschlich" sei. Könnte das damit zu tun haben, dass Sie sich in einem der beiden Beispiele mehr als Teil des spezifischen Problems mitdenken müssten?) Mit Verlaub: Das klingt mir ein wenig so wie die Weißen in den USA, die jahrhundertelang nicht gegen Rassismus aufgestanden sind aber dann der Black Lives Matter-Bewegung vorhalten, dass es ja ganz gemein sei, weil doch "All Lives Matter" gelten sollte. Ach, und wo war deren "All Lives Matter"-Bewegung vorher?

      Und mal abgesehen davon, dass es ja auch Feministen und nicht nur Feministinnen gibt: Was ist denn so schlimm daran, bei einer Bewegung auch mal "nur" unterstützend mitzulaufen, um sich für Rechte anderer einzusetzen? Noch dazu, wenn Sie richtig erkannt haben, dass eine Befreiung von patriarchalen Normen gar nicht nur für Frauen sondern auch für Männer gut ist?

      • @kami:

        (Teil 2/2)

        Last but not least: Klar, nicht heulen oder mit Puppen spielen zu dürfen, immer stark sein und das Geld ranschaffen zu sollen etc. etc. ist auch für Männer Mist. Nur: Menschen zweiter Klasse waren und sind vielerorts noch immer die Frauen, auch wenn Patriarchat für alle doof ist. (Aber nicht für alle gleichermaßen.) Und: Wenn Patriarchat auch für Männer doof ist, wo war denn jahrhundertelang die hetero-männliche "Nieder mit dem Patriarchat"-Bewegung? Die Männer hatten jahrhundertelang Gelegenheit dazu.. aber wenn Frauen Feminismus machen, heißt es dann "Ich fühle mich jetzt aber irgendwie zu wenig angesprochen"?

        Ich finde, in Ihrem Kommentar gibt es ganz schlaue und vernünftige Ansätze. Aber mit Verlaub, ein kleines Bisschen davon klingt nach der Gekränktheit weißer Heteromänner, wenn mal fünf Minuten nicht der Focus auf Ihnen liegt oder man(n) auch mal selbstkritisch seine eigene Privilegiertheit betrachten soll. (Man kann als armer, weißer, heterosexueller Mann durchaus aufgrund seiner Armut unterprivilegiert sein und gleichzeitig aufgrund seiner weißen, heterosexuellen Männlichkeit privilegiert. Genau das ist Intersektionalität… aber einige hier wollen Strukturen von Privilegierung, Ausbeutung und Unterdrückung immer nur dann thematisieren, wenn sie sich selber grade als armes Opfer hinstellen können.)

        Dass Minderheitenrechte auch gut für die Mehrheit sind und Unterdrückung letztlich auch schädlich für Unterdrücker, ist ein guter und wichtiger Punkt. Aber er sollte immer als Basis für gemeinsame Veränderung genutzt werden und nicht in einer Verkehrung der Ursächlichkeiten als Vorwurf gegenüber Minderheiten oder Unterdrückte, die aufbegehren. Wobei ich Ihnen letzteres gar nicht unterstellen möchte, aber ich sehe diese Tendenz verstärkt als neuen Trend in den neurechten Bewegungen, und leider auch zuhauf im weißen, hetero, männlichen taz-Kommentariat.

        • @kami:

          Ziemlich harsche Reaktion auf einen klugen Kommentar.

           

          Hannibal Corpse sagt „Dürfen Männer (insbesondere Heteros) im Feminismus nur mitlaufen? Ich habe das Gefühl, das ist so.“

          Solche Strömungen gibt/gab es nicht zu knapp. Aus guten Gründen, wohlgemerkt.

           

          Seine Reaktion darauf: „Ist die Emanzipation der Männer vom Patriarchat etwas feministisches? Ich weiß es nicht. Für mich ist meine Emanzipation zumindest nichts feministisches, sondern etwas menschliches.“

          Auch nachvollziehbar. Er spricht von sich selbst und delegitimiert die spezifisch feministische Emanzipation damit in keiner Weise. Sollte denn die Emanzipation nur „feministisch“ möglich sein? Das überdehnt den Feminismusbegriff m. E. komplett.

          Die patriarchale Ordnung generiert geschlechtliche Identitäten, schafft getrennte Geschlechtersphären und presst alle in diese Strukturen. Männer stehen ja nicht einfach kollektiv auf der Gewinnerseite des Geschlechterkampfes sondern werden (genauso wie Frauen von klein auf, und oft extrem schmerzhaft) ins Kollektiv eingepasst. Haben Sie ja auch angedeutet. Daher kann sich männliche Emanzipation völlig anders darstellen als weibliche oder andersgeschlechtliche.

          Das übergreifend als „menschlich“ zu bezeichnen, passt ziemlich gut finde ich; als persönliches Programm formuliert enthält es schon das angedachte Ziel.

           

          Und auch die Sache mit der Kapitalismuskritik, passt doch was er sagt. Kapitalismus kann mit Feminismus kompatibel sein (was er nicht sagt), oder auch nicht. Warum mit „menschlich“ nochmal extra betonen, dass es alle betrifft? Das ist in dem Fall doch ohnehin klar und gar nicht Thema.

  • Interessantes Interview, vor allem weil auch die kritischen Punkte angesprochen und diskutiert wurden.