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Laubbläser gefährden TiereVom Wrroooooooo verweht

Laubbläser schießen auch Käfer und Jungigel mit 250 Stundenkilometern durch die Luft. Unser Autor fordert herzhafte Verbote zur richtigen Zeit.

Mit dem Rucksacktornado durch den Herbst Foto: Daniel Reinhardt/dpa/picture alliance

V or meinem Fenster leuchtet die Ampel. In diesen Tagen der Vor-Parallel-und-Jetzt-aber-wirklich-Sondierungen ist das ja schon eine Schlagzeile. Knallig rot, gelb und grün strahlen die Bäume in unserem Hinterhof in den schönsten Herbstfarben.

Und am Boden liegen die Blätter, auf denen … Wrroooooooo … Entschuldigung, wo war ich? Können Sie mich hören? Ja, das ist hier gerade ein bisschen schwierig zu verstehen, der Hausmeister ist mit dem Laubblasgerät unterwegs, um den Fallout des Ahorns zu …­wrroooooooo …

Auch in unserem Hof wütet also einer dieser Rucksacktornados, die jetzt wieder als Ohrenpest Stadt und Land überziehen. Zu den Holzbläsern und Blechbläsern kommen im Oktober die Laubbläser, die mir mit ihrem an- und abschwellenden Wrroooooooo das Hirn weichklopfen. Der Hausmeister hat einen Kopfhörer, während ich hier in die Tischkante … ­wrroooooooo…

In meiner Wut bin ich nicht allein. Die Deutsche Wildtierstiftung liefert „Gründe, warum der Laubbläser (und auch der Laubsauger) endgültig in die Schuppenecke gehört“: Mit 250 Stundenkilometern werden nicht nur Blätter, sondern gleich alle Spinnen, Käfer und sogar Mäuse und Jungigel „mit 70 Metern pro Sekunde durch die Luft geschossen“. Dabei dröhnt das ­Wrroooooooo wie ein Presslufthammer mit bis zu 100 Dezibel.

Laubsauger wiederum zerhäckseln gleich alles, was sie ansaugen. Und mit dem Laubteppich, der vom Winde verweht wird, verschwinden auch die Winterquartiere für Spitzmaus, Erdkröte, Ringelnatter, Schmetterling und Molch. Also … Wrroooooooo … lieber Harke und Besen nehmen, Beete mit Laub bedecken, Feinstaub und Kohlendioxid sparen.

Mich wundert nur, was die WildtierhüterInnen nicht fordern: diese Folterinstrumente schlicht zu untersagen. Denn die wirklichen Sprach- und Denkverbote in diesem Land betreffen nicht durchgeknallte Querdenker-Theo­rien, sondern das Wort Verb­wrrooooooooot. Qualfleisch, Inlandsflüge, Dieselmonster? Nicht schön, aber bitte nicht verbieten!

Ganz falsch. Ein herzhaftes Verbot zur richtigen Zeit ist eine feine Sache. Wenn man es anders nennt, finden es sogar SPD und FDP gut. Denn was sonst sind rote Ampeln, die Verpflichtung zum Steuerzahlen, der Zwang zur Kfz-Versicherung oder die Einschränkung beim Waffentragen? All das beschneidet unsere Freiheit!

Gut so. Und psst, nicht weitersagen: Es gibt sogar Verbote, die auch die liberalsten Liberalen gut finden. Etwa die Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente, die den Apotheken nützt. Oder Subventionen für Dienstwagen, die ja untersagen, alle Autofahrer gleich zu behandeln.

Und huch!, wenn man mal nachdenkt, ist sogar der Emissionshandel für CO2-Zertifikate, von der FDP zum Heiligen Gral der Klimapolitik erhoben, wegen seiner Obergrenze an Emissionen eigentlich auch ein Verbwrroooooooo …

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Bernhard Pötter
Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).
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6 Kommentare

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  • Bei mir steht die Motorsense in der Garage, seit ich zuletzt unseren Graben freischneiden wollte... da waren voll viele Frösche, die entsetzt geflüchtet sind. Vielleicht waren's auch Kröten. Was weiß ich. Naja, der Graben ist immer noch zugewachsen. Was soll ich nur tun?! (Nee, mit Hand freischneiden wäre nicht genauso schnell, und leider wesentlich rückenschadender.)

  • Biologie ist zwar nett, aber von Physik sollte man auch etwas verstehen. Die Jungigel werden bestimmt nicht auf 250 km/h beschleunigt, sondern die Austrittsgeschwindigkeit der Luft aus der Düse beträgt 250 km/h. Ein Igel mit 250 km/h würde schließlich gute 300 m weit fliegen, genauso wie Steine, Eicheln oder Kastanien. Fazit>: Laubbläser sind blöd, aber bei der Wahrheit sollte man trotzdem bleiben.

  • Zur richtigen Zeit kommt dieser Kommentar, aber für Verbote jedenfalls dieses Jahr zu spät. Sowas darf man dann nicht gleich vergessen, um sich in einem Jahr erneut zu wundern. Die Verwechslung von Autobahnen mit Rennstrecken wäre ein besserer Vergleich denn im Unterschied zu Inlandsflügen und Qualfleisch scheint wenigstens das in einigen anderen Ländern zu funktionieren, da sind sie nämlich schon aus dem Verkehr und mitunter seit Jahren. Selbst in solchen, die man sonst mit lebhaften Lärmpegeln assoziiert (etwa USA, lokal) und einschließlich einiger europäischer (lokal oder regional); da heißt es hier ein Verbot sei aus "europa- und wettbewerbsrechtlichen" Gründen gar nicht möglich. Hmm. Also es gibt offenbar auch mehr als ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten und sowieso Möglichkeiten. Der Gedanke, ob es in einer Seniorenrepublik in der Fläche u.U. auch aus anderen Gründen etwas am nötigen Druck und Bewusstsein mangeln könnte, bzw. es als nicht ganz so drängend i.e.S. tatsächlich wahrgenommen wird, vielleicht etwas despektierlich, kann sich aber bisweilen aufdrängen. Da ich doppelt beglückt auch noch einem Flughafen anwohne, kann ich nicht nur Menschen, die zeitgleich arbeiten müssen wie dem Hausmeister, der vermutlich Gehörschutz trägt, nur Kopfhörer empfehlen. Möglichst gute, so dass man die Musik oder was einem beliebt nicht selbst auf Anschlag drehen muss. Gibt natürlich noch andere Mittel, aber Mittel der Wahl wär ein Verbot zumindest im öffentlichen Raum und das ist überfällig.

    www.oekoloewe.de/u...eren-verboten.html

  • Verbot ist halt nicht gleich Verbot. Es gibt Verbote, die verboten gehören, und solche, die erlassen werden sollten.







    Zur ersten Sorte gehören alle Verbote, von denen kein oder nur sehr wenig Nutzen für die Allgemeinheit ausgeht, die aber einzelne Private stark bevorteilen. Ich denke hier etwa an das Verbot, im Abfall der Supermärkte nach Verwertbarem zu suchen, oder Videoaufnahmen von gequälten Tieren in Stallanlagen zu machen.







    Zur zweiten Sorte gehört zweifellos das Verbot von Laubbläsern und -saugern oder das Verbot besonders lauter Motorräder. Davon profitieren lediglich die (private) Industrie, der (private) Handel und einzelne Trottel, die unbedingt akustisch protzen müssen. Die Mehrheit aller Menschen, vor allem aber die Natur leiden darunter.







    Generell gilt immer noch: Jedes Ver- oder Gebot, für das eine Ausnahme oder eine Aufhebung übergeordneter, ansonsten allgemeingültiger Rechte und Pflichten (Extrawurst) nötig ist (z.B. ein punktuelles Außerkraftsetzen des Immissions-, Tier- oder Naturschutzrechts) lassen auf das (heimlich-unheimliche) Wirken sogenannter Lobbys, auf geldwerte Partikularinteressen und unzulässige Privilegierungen schließen. Auf gut deutsch: Hinter jeder Extrawurst stecken in einer Demokratie (mindestens) ein dummer und/oder korrupter Politiker und ein dummer und/oder bösartiger Egoist mit Einfluss.







    Es kann allerdings nicht mehr sehr lange dauern, bis die Extrawurst die Regel ist, auch und grade in Deutschland. Egoismus und Dummheit sind Wachstumsbranchen hierzulande. Welche mit extrem „positiven“ Zahlen. Irgendwann, schätze ich, werden uns zusätzliche Ver- oder Gebote nicht mehr helfen. Dann nämlich, wenn jeder einzelne der rund 80 Millionen Deutschen seine eigenen Gesetze hat und nicht mal mehr das BVerfG weiß, welche Regeln es gerade gibt und welchen Sinn oder welchen Inhalt die genau haben.







    Dann bricht hier die Anarchie aus. An Regeln, die keiner mehr kennt, kann man sich nämlich beim besten Willen nicht halten.

  • Es war mir schon immer schleierhaft warum diese Motorgebläse benutzt werden. Krach und Gestank sind eine Zumutung. Mit guten Besen wäre ich genauso schnell. An die Kleintiere hatte ich bislang nicht einmal gedacht. Also noch ein Punkt gegen diesen Schwachsinn!

    • @joaquim:

      Das ist ja der Witz, dass man mit Rechen oder Besen genau so schnell wäre. Aber das wäre halt dann mehr körperliche Arbeit, die imagemäßig unter der Handhabung einer Maschine steht.