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Landtagswahl in ThüringenEin halbes Wunder

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Der Wahlerfolg in Thüringen ist vor allem ein Verdienst von Bodo Ramelow. Eine Koalition von Linkspartei und CDU aber wäre die falsche Entscheidung.

Für die Linkspartei ist der Wahlerfolg in Thüringen ein leuchtendes Zeichen Foto: Jan Woitas/dpa

D ie Linkspartei ist in Thüringen zum ersten Mal überhaupt stärkste Partei bei einer Landtagswahl geworden. Das ist ein leuchtendes Zeichen für die GenossInnen – denn die Linkspartei steckt gerade im Osten in einer Depression. Das Wahldebakel in Brandenburg, seit Jahrzehnten Hochburg der Reformer, hat gezeigt: Das Konzept, zu regieren und dabei möglichst wenig aufzufallen, ist ein Auslaufmodell. Mit jeder Niederlage im Osten büßt die Linkspartei einen Teil ihrer Existenzberechtigung ein.

Bodo Ramelows Anteil an dem Sieg kann deshalb kaum überschätzt werden. Diesen ­Triumph verdankt er seinem Charisma, kombiniert mit klug gesetzten Gesten der Bescheidenheit. Landtagswahlen funktionieren immer mehr wie Bürgermeisterwahlen: Die Person zählt mehr als die Partei. Der Erfolg in Erfurt ist für die ratlose Linkspartei daher nicht einfach kopierbar. Aber er zeigt, dass es jenseits von Resignation oder dem regressiven Rückzug in Fundamentalopposition einen Weg gibt: selbstbewusstes Regieren.

Die Grünen können im Osten offenbar nur in Umfragen gewinnen. Das bescheidene Abschneiden der Ökoliberalen verwundert indes nur, wer Thüringen nicht kennt. Die Grünen sind eine kleine, städtische Partei in einer ländlichen Region. Dabei haben sie politisch nichts falsch gemacht. Sie müssen ihren Kurs nicht ändern – nur ihr Erwartungsmanagement.

Bestürzend ist hingegen das Ergebnis für die SPD. Der Mittelweg bringt den langsamen Tod, erst recht im Schatten des Sozialdemokraten Ramelow. Die SPD braucht eine neue Idee. Und die ist nicht in Sicht.

Bei einem Patt ist kreative Politik gefragt

Das Resultat von Rot-Rot-Grün ist, gemessen an den Umständen, schon ein halbes Wunder. Wir erleben nicht nur, aber vor allem im Osten einen wuchtigen Rechtstrend. Über ein Fünftel hat, wie in Sachsen und Brandenburg, AfD gewählt – selbst mit einem faschistoiden Führer wie Höcke.

Anti-AfD-Kampagnen mobilisieren die Klientel der demokratischen Parteien, das zeigt die gestiegene Wahlbeteiligung. Doch an den Protestwählern perlt alle Skandalisierung des Rechtsextremismus ab. Die AfD-­Erfolge sind keine Protestwahlen mehr.

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Dass CDU-Mann Mike Mohring eine solide Wand gegen eine Zusammenarbeit mit den Rechten hochgezogen hat, ist beruhigend. Man sollte diese nötige Abgrenzung aber nicht mit einer Lösung verwechseln. Die demokratischen Parteien blicken auf die Erfolge der Rechtsex­tremen mit dröhnender Ratlosigkeit.

Gibt es nun ein Patt im Erfurter Landtag, ist kreative Politik gefragt. Eine Koalition von CDU und Linkspartei wäre mit etwas Geschick machbar. Die Hürden in der Landespolitik liegen nicht so hoch. Aber als politisches Symbol wäre das falsch – ein Pendant zur Großen Koalition in Berlin. Gegen die AfD hilft das nicht.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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23 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

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  • "Doch an den Protestwählern perlt alle Skandalisierung des Rechtsextremismus ab. Die AfD-­Erfolge sind keine Protestwahlen mehr."

    Widersprechent sich diese zwei Sätze nicht selbst? Wenn die AfD-Erfolge keine Protestwahlen mehr sind, wie können dann die AfD-Wähler Protestwähler sein, an denen alles abperlt?

    Ansonsten steckt in dem Satz aber ein richtiger Punkt: Die Skandalisierung der AfD-Wähler macht an der Sitation nichts besser, es ist nur eine Onanie der AfD-Gegner (also allen ausser den AfD-Wählern) mit der sie sich reihum auf die Schulter klopfen. In der Realität erzeugt die gesellschaftliche Marginalisierung der AfD-Wähler nur weiteres Potenzial für die AfD. Die können locker alles einsammeln was keine Lust mehr auf die etablierten Parteien hat. Tatsächlich ist ein Kreuz bei der AfD nichts als ein "F*** Y**" an die anderen Parteien, von dem man weiss, dass es wenig politische Konsequenzen hat, weil die AfD nie allein regieren kann und nie in eine Koalition kommen wird.



    Was sich hier also eigentlich manifestiert, ist immer mehr Politikverdrossenheit und harte Abkehr vom politischen System (und damit am Ende von unserer Form von Demokratie).

    Dieses fortschreitende Problem wird aber von allen ignoriert, höhere Wahlergebnisse für die AfD führen zu mehr Beschimpfung derer Wähler, das führt zu besseren Wahlergebnissen der AfD, ...

    Vielleicht sollte man den aktuellen politisch-moralischen Kampf gegen die AfD und im Osten also 20-25% der Wähler mal überdenken, im Bezug auf seine Wirksamkeit und Folgen.

    FJS wusste nicht viel, aber er wusste, dass es rechts von der CSU keine legale Partei geben darf. Es mag für die CDU partei- und machtpolitisch nicht opportun sein, aber wenn sie wieder mehr für rechtskonservative Wähler bieten würde, könnte man die AfD zumindest klein halten und koalitionstauglichere Wahlergebnisse produzieren. Weg bekommt man die AfD aber nicht mehr - dazu hat man zu lange die rechte Flanke offengelassen, der Geist ist nun aus der Flasche.

  • Meiner Meinung nach hat die Linke verdient gewonnen.

    Fragt sich nur, wer jetzt die Regierung bilden soll. Es ist ein Parlament, das zerfällt und damit auch die 31 Prozent der Partei die Linke. Dieses Ergebnis erzeugt nicht unbedingt linke Politik. Schade, dass die SPD an ihrem idiotischen Kurs festhält - Erfolglosigkeit scheint diese Partei nur mäßig zu schocken. Bin gespannt, wann die SPD erstmals aus einem Landtag fliegt.

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Mit heißer Nadel zu stricken führt bisweilen zu Verbrennungen ersten und zweiten Grades ...

    "Ein halbes Wunder." Jo. Fast wie: ein bißchen schwanger.

    Lebbe gehd weider. In Thüringen und anderswo. Und der Ball ist rund ... und morgen ist auch noch ein Tag.

    Warten wir es ab.

    • 8G
      88181 (Profil gelöscht)
      @76530 (Profil gelöscht):

      Das sagt wohl ihr Erwartungsmanagement.

      • 7G
        76530 (Profil gelöscht)
        @88181 (Profil gelöscht):

        Darüber muss ich erst mal etwas genauer nachdenken. I sink about it.

        Ansonsten: was unsere Schwamm-Fähigkeit angeht, bewegen wir uns häufig auf vergleichbarem Niveau. Das macht (jenseits des Trennenden) die Verständigung leicht ... und zuweilen lustvoll. Doch, doch.

  • „Gegen die AfD hilft das nicht“: zwei Fragen dazu:



    Vielleicht hilft ja eine Koalition aus Linke und AfD?



    Bisher dachte ich immer, Politik hilft ( oder besser dient) dem Bürger und hilft nicht gegen den politischen Gegner?

  • Wenn die Linke jetzt trotz aller Differenzen doch noch die CDU als Junior-Partner gewänne, könnte Rot-Rot-Grün schon bald wieder möglich sein.

    Die CDU würde sich in der Koalition mit der Linken ebenso aufreiben wie die SPD im Bund. Profitieren davon würden SPD, Grüne und FDP.

    Eine andere Möglichkeit als Dunkelrot-Schwarz sehe ich nicht. Mit dem Höcke-Flügel der AfD wird die CDU jedenfalls nicht zusammenarbeiten, auch nicht in Ostdeutschland.

    Falls es mit Linker + CDU nicht ginge, hätte die AfD in Thüringen sonst genau das erreicht, worum sie seit Jahren kämpft, nämlich die Unregierbarkeit ohne sie.

    • @Elroy Banks:

      In Thürigen gäbe es in einer Koalition zwischen Linke und CDU weniger Reibungen als auf Bundesebene zwischen CDU und SPD. Die größten "Streitthemen" liegen in der Zuständigkeit des Bundes.

      Auf Rot-Rot-Grün hätte das ohnehin weniger Auswirkungen. Die Grünen sind derzeit in ärmeren und ländlichen Regionen weniger ansprechend. Die SPD beschäftigt sich weiter mit sich selbst; da färbt die Bundespartei auf die Länder ab.

  • Bitte erklären Sie mir noch einmal den Unterschied zwischen einer demokratischen Partei und einer undemokratischen Partei.



    Ich dachte bisher immer, dass Parteien grundsätzlicher Wesenskern unserer Demokratie sind.



    Danke vorab.

    • @Steffen Berhorst:

      Eine "undemokratische" Partei mag zwar den demokratischen Prozess als Mittel verwenden, um an die Macht zu gelangen. Dort angelangt aber strebt sie seine weitgehende Entwertung, wenn nicht Abschaffung, und seinen Ersatz durch eine autoritäre Regierung an. Die soll dann möglichst auch den Gesetzgebungsprozess und die Rechtssprechung dominieren sowie Medien und Opposition knebeln - und dadurch verhindern, dass die Regierung nochmal eine Wahl verliert.

      Aktuelle Beispiele für Parteien, die einmal gewählt eine derartige Aushöhlung der Demokratie zumindest erkennbar anstreben, wären die AKP in der Türkei, die PiS in Polen, Fidesz in Ungarn und natürlich Putins "Einiges Russland" - aber eben auch die AfD. Historisches "Vorbild" ist die NSDAP, die auf Basis ihres besten freien Wahlergebnisses 1933 (das auch keine absolute Mehrheit gebracht hatte) einen totalitären Führerstaat errichtet hat.

      • @Normalo:

        Hallo Normalo,



        Auch Ihnen vielen Dank für die umfangreiche Ausführung. Bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aber beim lesen Ihres ersten Absatzes werde ich irgendwie an die letzten drei, vier Jahre in D erinnert. Nur, dass wir wahrscheinlich von verschiedenen Akteuren reden...

        • @Steffen Berhorst:

          Jetzt untertreiben Sie aber. Die AfD - und ihr thüringischer Landesvorsitzender im Speziellen - spielt dieses Spielchen nachweislich schon länger als nur drei, vier Jahre.

          Ein wesentlicher Unterschied zwischen der AfD und dem Rest ist, dass andere Parteien ihre Tatsachenbehauptungen nicht auf Verschwörungstheorien aufbauen. Die Medien hacken auf ALLEN Parteien herum. Ob nun die FDP als herzlos und korrupt, die SPD abwechselnd als ausgebrannt, dumm oder schlicht suizidal, die Linke als altsozialistisch und völlig in nabelschauenden Flügelkämpfen verfangen, die CDU als schlaffer Merkel-Wahlverein oder die Grünen als besserwisserische Verbotspartei verrissen werden: Sie alle verzichten darauf, ihre Kritiker samt und sonders als Verschwörer und Lügner zu verteufeln.

          Vergleichbares gilt für die Einstellung gegenüber Andersdenkenden generell. Nur AfD- (vielleicht mit Einschränkungen auch Grünen-) Anhänger kommunizieren so durchgängig die Illusion, sie allein hätten die Wahrheit erblickt, und Alle, die es anders sehen, seien verblendete Lemminge. Man kann ja durchaus mit Recht überzeugt sein, intelligenter und klarsichtiger zu sein, als ein Großteil seiner Mtmenschen. Aber dass alle (mindestens) gleich Intelligenten und Klarsichtigen die eigene politische Meinung teilen, sollte Jemand, der WIRKLICH so intelligent ist, nicht mal im Traum annehmen.

    • @Steffen Berhorst:

      Zum modernen Demokratieverständnis gehören die Gewährleistungder Gewaltenteilung, Rechtsstaatlichkeit sowie die Garantie und der Schutz von Menschen-,Bürger- und Grundrechten untrennbar zu einer Demokratie. Hierfür ist eine Bekennung zum Pluralismus notwendig. Menschen und Meinungen sind schließlich vielfältig. Minderheiten müssen geschützt werden und dürfen politisch nicht von der Partizipation ausgeschlossen werden.

      Wenn eine Partei nun aber eines oder mehrere dieser Merkmale ablehnt, ist sie eine undemokratische Partei. Schließlich plant sie die (teilweise) Abschaffung der modernen Demokratie.

      Bei der AfD ist durch viele Aussagen bestätigt, dass sie z.B. die Meinungsfreiheit von "Linksgrünen" einschränken will und Menschen mit Migrationshintergrund nicht als Deutsche ansieht und ihnen damit Rechte abspricht. Da der Islam laut AfD nicht zu Deuschland gehöre, wird auch die Religionsfreiheit nicht respektiert. Durch das permanente Hetzen gegen Migranten und Geflüchtete ist Minderheitenschutz unter der AfD sowieso nicht denkbar. Die teilweise rechtsextremen Einstellungen sind schon per definitionem antidemokratisch.

      • @Devil's Advocate:

        Herzlichen Dank für Ihre Mühe der langen Antwort.



        Zwei (zuggb. ketzerische) Gegenfragen: wenn mein Grundrecht auf Eigentum in Berlin gefährdet wird, ist dass dann auch schon undemokratisch? Oder machen es nur die Richtigen?

        Welch zauberhaftes Land wäre es doch, wenn einfach wieder die vorgetragene Sache relevant wäre und nicht allein, wer sie vorträgt...

        • @Steffen Berhorst:

          Die Frage ist durchaus berechtigt. Die Antwort wird Sie wohl weniger zufrieden stellen: Es kommt drauf an. Enteignungen sind laut Grundgesetz in bestimmten Fällen zulässig. Wenn die rechtlichen Voraussetzungen vorliegen, ist eine Enteignung also nicht undemokratisch. Wenn willkürlich enteignet würde, wäre das undemokratisch. Im Zweifelsfall meint die Politik im Recht zu sein und am Ende entscheidet das Gericht. Das soll - mindestens in der Theorie - verhindern, dass "es nur die Richigen machen."

    • 8G
      80198 (Profil gelöscht)
      @Steffen Berhorst:

      Eine Demokratie besteht nur so lange, bis sie abgeschafft wird. Eine Ein Parteien Regierung ist der erste Schritt, da dann Gesetze so geändert werden können, dass sie Minderheiten nicht berücksichtigt.

      • @80198 (Profil gelöscht):

        Also sollten wir die Parteien abschaffen.?

  • Wäre übrigends toll wenn die Taz nicht der Propaganda der anderen Medien folgen würde und auch die Nichtwähler berücksichtigen würde.

    Die Wahlbeteiligung lag nämlich nur bei ~57% was im Umkehrschulss zum Glück bedeutet das nicht 23% der Thüringer für die Afd gestimmt haben.

    wahlen.thueringen....2019&zeigeErg=Land

    • @Klappstuhl:

      Vielen Dank für den offiziellen behördlichen Link.

      Es scheint darin in den letzten Minuten noch einige SEHR WICHTIGE Veränderungen gegeben zu haben, was die 5-Prozent-Hürde angeht.

      Landesstimme:



      Grüne 4,9868 Prozent



      FDP 4,9982 Prozent



      (Stand: ca. 20:45 Uhr)

      In der ersten Prognose waren es noch je 5,5 Prozent.

      wahlrecht.de schreibt zur Anwendung der Sperrklausel in Thüringen



      www.wahlrecht.de/l...age/thueringen.htm

    • @Klappstuhl:

      Das kann auch heißen, dass die Afden noch stärker wären wenn noch mehr Thüringer zur Wahl gegangen wären.

      • @Andreas Säger:

        Das stimmt! allerdings finde ich es erschreckend wenn nur 65% der Wähler zu den Wahlen gehen.

        Bei einer noch niedrigeren Wahltbeteiligung wäre ja sogar schon der Regierungsanspruch in Frage zu stellen.

  • Welche Lösung hat der Autor denn dann?

  • 8G
    88181 (Profil gelöscht)

    Aber als politisches Symbol wäre das falsch – ein Pendant zur Großen Koalition in Berlin. Gegen die AfD hilft das nicht."

    Aber was bleibt den groß anderes übrig?

    Und wo kann man das kaufen:

    "Erwartungsmanagement"?