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Landgrabbing in BrandenburgAgrarbetrieb geht an Immobilienhai

Ein Brandenburger Hof wird nicht an einen Landwirt, sondern an eine Beteiligungsfirma der Deutsche Wohnen verkauft. Agrarminister Vogel ist dagegen.

Auch über ihre Zukunft wird gerade entschieden: Kühe der Röderland-Gruppe in Südbrandenburg Foto: Monika Skolimowska/dpa/picture alliance

Berlin taz | Die Eigentümer eines großen Brandenburger Agrarbetriebs wollen statt an einen Landwirt an eine Beteiligungsfirma des Immobilienkonzerns Deutsche Wohnen verkaufen. „Die 30 Gesellschafter der Röderland GmbH haben sich mit einer Mehrheit von 90 Prozent aller Stimmen dafür entschlossen, ihre Geschäftsanteile an der Gesellschaft an die Quarterback Immobilien AG zu veräußern“, erklärte die Geschäftsführung des Milchviehbetriebs mit rund 2.500 Hektar Agrarfläche. Damit unterlag der Landwirt Tobias Lemm, der dem Vernehmen nach 8 Millionen Euro und damit 2 Millionen Euro weniger als die Quarterback geboten hatte. Lemm wollte nach eigenen Worten in die Region ziehen und den Betrieb in Bönitz selbst leiten.

Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) warnte am Mittwoch, dass wegen Übernahmen wie jetzt in Brandenburg die Ernährung zunehmend von immer weniger Konzernen abhänge und deshalb gefährdet sei. Der Verband forderte Landesgesetze, um Verkäufe von Höfen an Investoren von außerhalb der Landwirtschaft zu verhindern.

Branchenfremde Großunternehmen kaufen seit einigen Jahren Agrarland oder Betriebe mit umfangreichen Flächen vor allem in Ostdeutschland – zum Beispiel Eigentümer des Discounters Aldi Nord oder der Versicherungskonzern Munich Re. Eine Studie des bundeseigenen Thünen-Forschungsinstituts für Ländliche Räume zeigt, dass Anfang 2017 34 Prozent der 853 untersuchten Agrarfirmen in den neuen Bundesländern ortsfremden Investoren gehörten. Aktivisten kritisieren das als „Landgrabbing“.

Mitarbeitende sollen bleiben

Steffen Höppner, Geschäftsführer und einer der Gesellschafter der Röderland-Gruppe, rechtfertigte die Entscheidung für die Quarterback. „Der Käufer wird den landwirtschaftlichen Betrieb mit den Mitarbeitern uneingeschränkt fortsetzen“, so Höppner, der seinen Posten verlieren würde, wenn Landwirt Lemm den Zuschlag bekommen hätte. Quarterback hat nach eigenen Angaben eine „Beschäftigungsgarantie für die nächsten 5 Jahre gegeben“. Außerdem habe die Immobilienfirma genug Geld für Krisen und die „erforderlichen erheblichen Investitionen“, ergänzte Höppner. All das sei bei Lemm „nicht gegeben“. Der Preis habe nicht den Ausschlag gegeben.

Agraraktivisten drohen mit Protesten vor der Konzernzentrale der Deutsche Wohnen

„Wir beteiligen uns an landwirtschaftlichen Betrieben, die eine gewisse Ertragsschwäche haben“, sagte Quarterback-Vorstandschef Tarik Wolf der taz. Wenn etwa der Boden nicht sehr fruchtbar ist, lasse er dort Agri-Photovoltaik-Module installieren, zwischen denen Tiere weiden könnten. Den Viehbestand würde er reduzieren. Das könne eine große Firma besser als ein einzelner Landwirt stemmen. Die Quarterback wolle dort keine Wohnungen bauen. „Wir haben das gemacht, um etwas Gutes zu tun und unseren Beitrag zur Energiewende zu leisten.“ Sein Unternehmen habe bereits anderswo Agrarflächen, aber die Röderland sei der erste große Betrieb, den es übernehme.

Lemm entgegnete, auch er wolle Flächen für Solarstrom zur Verfügung stellen. „Dafür ist auch nicht viel Geld nötig, denn ich könnte die Flächen an Unternehmen verpachten, die dann die Solaranlagen installieren und betreiben.“ Mit der 5-jährigen Beschäftigungsgarantie schaffe es der 56 Jahre alte Höppner vielleicht einigermaßen bis zur Rente, aber viele andere der 35 Mitarbeiter seien jünger. „Fünf Jahre ist ja nichts in der Landwirtschaft“, so Lemm. Er würde die Zahl der Milchkühe um ein Drittel auf rund 570 erhöhen und die der Fleischrinder auf der Weide auf mindestens 300 verdoppeln.

Die AbL kritisierte, der Deal trage zur Konzentration in der Landwirtschaft bei. „Branchenfremde Investoren treiben die Bodenpreise nach oben und gefährden bäuerliche Betriebe“, sagte Jan Brunner, Geschäftsführer der AbL Mitteldeutschland. Er befürchtet, dass die Quarterback den Betrieb irgendwann wieder verkauft, während Bauern in Generationen dächten und vor Ort wohnten. Er kündigte eine Protestaktion am Berliner Sitz der Deutsche Wohnen am Montag an, sofern sie nicht ihre Position ändert.

Brandenburgs Landwirtschaftsminister Axel Vogel (Grüne) hat die Deutsche Wohnen seinem Ministerium zufolge in einem Schreiben aufgefordert, „ihre Beteiligung an der Quarterback Immobilien AG geltend zu machen und ihre Zustimmung zu dem Erwerb der Agrargesellschaft zu verweigern“. Außerdem prüfe der Landkreis Elbe-Elster gerade, ob der Verkauf das geltende Grundstücksverkehrsrecht umgehe, schrieb das Ministerium der taz. Denn Äußerungen der Quarterback ließen befürchten, „dass kein langfristiger Erhalt des Landwirtschaftsbetriebs geplant ist“.

Die Deutsche Wohnen wies darauf hin, dass sie nur 40 Prozent der Quarterback halte. Trotzdem bemühe man sich, „die Kommunikation zwischen allen Beteiligten zu fördern“.

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20 Kommentare

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  • Man sollte verbieten, dass Immo-Konzerne sich nun auch noch im Agrarbereich tummeln.



    Wahrscheinlich gibt es x



    Paragraphen, die alle dagegen sprechen.



    Aber was nutzt ein Recht, wenn es der Gemeinschaft schadet?

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Akkummulierender Großgrundbesitz ist das Programm. Wer wird künftig wen kontrollieren im Nahrungsmittelbereich?

  • Und ist doch super!

    Das gibt weniger Fleischindustrie und mehr Photovoltaik.

    • @Rudolf Fissner:

      Genau. Vielleicht sollte ich einen Handel mit schwarzen Koffern aufmachen.

  • Fadenscheinige Diskussion !!!



    Solange in Deutschland jeden Tag 55 Hektar Fläche zugebaut werden, auf ewig als Produktionsraum verschwinden, auf ewig keinen Lebensraum für Pflanzen und Tiere ermöglichen, ist es egal wer so einen Hof bewirtschaftet. Wie viel Fläche ist bei diesem Objekt dabei ?? Nehmen wir mal 1000 Hektar, dann würde es keine 3 Wochen dauern bis die Fläche verbraucht ist. Das ist das wahre Landgrabbing !!

    • @Günter Witte:

      Es sind 2500 Hektar. Steht oben. schmälert ihr Argument aber nicht.

      • @LeSti:

        DANKE, dann halt 6,5 Wochen

  • "so Lemm. Er würde die Zahl der Milchkühe um ein Drittel auf rund 570 erhöhen und die der Fleischrinder auf der Weide auf mindestens 300 verdoppeln."

    Nochmal für die langsamen Kinder. Herr Maurin, sonst immer Fraktion, die Viehwirtschaft muss schrumpfen, es werden zu viele Tiere gehalten, der Fleischkonsum muss sinken, ist hier also für den Verkauf an die Partei, die den Viehbestand massiv erhöhen will, ja warum genau, weil es sich hier um ein ein anderes "Spielfeld" handelt?

    • @Sven Günther:

      Genau der Punkt ist mir auch aufgefallen. Fürs Klima ist wohl die "Variante Quarterback" besser.....

  • Wir haben soziale Marktwirtschaft und einen freine Markt, warum also sollte Quarterback die Flächen, zumal zu besseren Konditionen nicht kaufen dürfen? Der Agrarsektor wird subventioniert wie kein anderer. Man kann wohl davon ausgehen, dass auch das Betriebsergebnis von Lemm zu einem beträchtlichem Teil von der öffentlichen Hand gestuzt wird und dennoch ist er nicht wettbewerbsfähig. Deshalb sollte man - und vA Lobbyvereine wie die AbL - sich endlich ehrlich machen und eine klare Position beziehen: entweder man will Markt und freies Unternehmertum, dann muss man aber eben auch Markt und Wettbewerb zulassen, oder aber man steuerfinanzierte Biotope für hergebrachte Strukturen abseits von ökonomischen Notwendigkeiten, muss dann aber auch konsequenterweise die Höfe unter öffentliche Kontrolle oder Verwaltung stellen.

    • @Ingo Bernable:

      Wenn man keine Interesse an gesunder Landverteilung und Landwirtschaft in der Hand von Familienbetrieben hat, dann haben Sie sicher recht. Ich möchte aber in keinem Land leben in dem die Nahrungsmittelproduktion von nur wenigen Großkonzernen kontrolliert wird.



      Leider wird durch die immer stärkere politische Einflussnahme der Familienbetrieb sowieso zerstört.

      • @Farmer:

        Kleine Betriebe gut, große Betriebe böse. Das ist mir zu einfach. Zumal die krassesten Tierschutzskandale zuletzt deutlich überwiegend auf netten, kleinen Familienbetieben auf denen die Welt ja angeblich noch in Ordnung ist aufgetreten sind. Da bevorzuge ich als Verbraucher doch lieber einen größeren Betrieb wo tendenziell eher eine ausreichende Personaldecke da ist und es durch mehr Leute im Stall auch strukturell schwieriger sein dürfte Missstände unter dem Deckel zu halten.

        • @Ingo Bernable:

          das ist Komik oder?



          eine aureichende Personaldecke, in einem von BWLern auf Optimum getrimmten Produktionsablauf... na hoffen darf man ja noch...



          Amazon ist ja auch bekannt dafür, dank der ausreichend dicken Finanzdecke anständige Löhne und zumutbaren Arbeitsbedingungen zu bieten...rosige Zeiten für die Landwirtschaft und das Tierwohl...

    • @Ingo Bernable:

      das ist bei den institutionellen Investoren wie Dt Wohne genauso. Die haben die Subventionen alle schon mit einkalkuliert, in die Kosten / Nutzen Rechnung. Der Hauptgrund ist aber Spekulation und Geldparken.

      • @nutzer:

        Kaum anzunehmen, dass die sich auch auf 50 Mrd. p.a. summieren, die dann im Durchschnitt(!) 46% (bei Nebenerwerbsbetrieben 93%!) des Einkommens von Immobilienunternehmen ausmachen.



        Und Spekulation gehören zu einem Markt eben dazu, sobald irgendetwas handelbar ist kann damit auch spekuliert werden.



        www.praxis-agrar.d...rte-in-deutschland

        • @Ingo Bernable:

          Sie postulieren ja einen Gegensatz von "steuerfinanzierte(n) Biotope(n) für hergebrachte Strukturen" vs. Markt und Wettbewerb.



          Mein Punkt ist, dass Ihr sog. freier Markt genau die selben steuerfinanzieren Subventionen abgreift und genau auch nur deshalb funktioniert. Die Subventionen sind da genauso Bestandteil des Programms.



          Deshalb sehe ich Ihren Punkt nicht, weshalb das eine konsequent marktwirtschaftlich sein soll und das andere nicht...

          • @nutzer:

            Sicher gibt es auch für andere Branchen Förderungen, aber "genau die selben steuerfinanzieren Subventionen"? Wo sind denn die entsprechenden Posten im EU- oder Bundeshaushalt? Und welche andere Branche erzielt ihr Einkommen im Durchschnitt fast zur Hälfte aus Subventionszahlungen?

            • @Ingo Bernable:

              Ich meine die Dt Wohnen als künftiger Landwirt kalkuliert genauso mit den Subventionen und bekommt sie auch wie jeder andere Landwirt auch. Gäbe es die Subventionen nicht, wäre das Investment für die Dt Wohnen wohl nicht lukrativ. So etwas rechnen BWLer ganz schnell durch.



              Die Dt Wohnen ist kein besserer Landwirt, der weniger Subventionen einstreicht, weil sie wirtschaftlicher oder sonstwas sind, sondern ganz im Gegenteil. Das Investment lohnt sich, weil es Subventionen nach Größe gibt.



              Die großen Landwirte, die mit den großen Flächen, greifen die meisten Subventionen ab. Deutlich mehr als die kleinen.



              Da ist nix mit Wettbewerb und freier Markt, je größer desto mehr Subventionen.



              Und genau damit kalkuliert ein Investor wie Dt Wohnen, die künftigen Subventionen sind Teil der Gewinnkalkulation und Bestandteil der Kosten Nutzen Rechnung bei der Investitionsentscheidung.



              Der Vorteil der Dt Wohnen ist, dass sie Kapital haben um langfristige Investitionen zu tätigen, dieser Kauf wird erst der Anfang sein. Auch wenn dieser Kauf ein kleiner Fisch ist, die Richtung ist klar.

  • 3G
    31841 (Profil gelöscht)

    Finanzfeudale Landnahme durch den neuen Landadel. In einem Bundesland, in dem Bürger und Politiker noch oder keine ? Erinnerungen haben an die marxistischen Lehrstunden früherer Jahre. Geschichten zum vergessen.

  • "Wir haben das gemacht, um etwas Gutes zu tun..."

    Mir kommen die Tränen.

    Sie werden es mir sicher nachsehen, dass ich Ihnen kein Wort glaube, Herr Wolf.