Lage in Mariupol: Gemetzel mit Ansage
In der ukrainischen Stadt Mariupol nimmt eine Tragödie unaufhaltsam ihren Lauf. Die Welt sieht zu – wohl nicht zum letzten Mal.
Hilfe, holt uns hier raus!“ Dieser flehentliche Aufruf eines ukrainischen Marinekommandeurs auf Facebook an die internationale Öffentlichkeit umschreibt das Grauen, das sich seit Wochen in Mariupol abspielt.
Die unerbittliche Schlacht, die die Hafenstadt in eine Ruinenlandschaft verwandelt und Zehntausende Menschen das Leben gekostet hat, geht in ihre finale Phase. Es ist wohl nur noch eine Frage von Tagen, wenn nicht gar Stunden, bis russische Truppen mit dem Stahlwerk Asowstal die letzte Bastion erobert haben werden. Oder um im Moskauer Sprachduktus zu bleiben: Die Maulwürfe ausräuchern und dann aus ihren Löchern treiben.
Die „Maulwürfe“, das sind auch rund 1.000 Frauen, Kinder und alte Menschen, die in der Fabrik unter unmenschlichen Bedingungen ausharren. Die Öffnung von humanitären Korridoren wäre die einzige Möglichkeit, um wenigstens diese Leben zu retten.
Doch ebendiese „humanitären Korridore“ sind es, die ihren Namen nicht verdienen – in einem russischen Vernichtungskrieg, in dem jedes auch noch so kleine Fünkchen Menschlichkeit schon längst abhanden gekommen ist. Die Anzahl der Versuche, Einwohner*innen aus Mariupol zu evakuieren, sind kaum noch zu zählen. Dafür wurden Zivilist*innen immer wieder Ziel von russischen Angriffen.
Wer garantiert ihnen, dass das jetzt anders sein sollte? Im „besten“ Fall werden die Menschen in den besetzten Donbass oder gleich ganz nach Russland zwangsdeportiert. Ebenso realistisch ist allerdings auch, dass sie gleich an Ort und Stelle niedergemetzelt werden.
Und die Soldaten – warum sollten die sich ergeben? Sie alle haben ohnehin ihren sicheren Tod vor Augen. So zynisch es klingt: Sie werden den Kampf in die Länge ziehen und mit dieser Verzweiflungstat, die russische Truppen in Mariupol aufhält, versuchen, den Kampf ihrer Kameraden an anderen Abschnitten der Front zu unterstützen. Derweil nimmt diese absehbare Tragödie unaufhaltsam ihren Lauf. Die Welt sieht zu – und das wohl nicht zum letzten Mal.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Putins Atomdrohungen
Angst auf allen Seiten
Die Wahrheit
Der erste Schnee