piwik no script img

Längere Dauer von AsylverfahrenNeue Aufgabe für neue Bundesregierung

Kommentar von Raweel Nasir

Aus einer Anfrage der Linken geht hervor, dass sich die Bearbeitung von Asylanträgen verlängert hat. Für Betroffene hat das harte Konsequenzen.

12 Monate dauert inzwischen die Bearbeitung eines Asylantrags Foto: Wolfgang Fiilser/picture alliance

K ein anderes Wort hat man in diesem Wahlkampf häufiger gehört als Migration. Allen voran Friedrich Merz, der wahrscheinlich nächste Bundeskanzler, ließ keine Möglichkeit aus, Asyl­be­wer­be:­innen und Mi­gran­t:in­nen als „kleine Paschas“ zu bezeichnen, ihnen vorzuwerfen, sie würden Zahnarzttermine wegnehmen und ins Sozialsystem einwandern. Das Versprechen war klar: Wählt ihr Merz, wird in der Migrationspolitik aufgeräumt.

Nun geht aus einer Anfrage der Linken hervor, dass die Dauer der Bearbeitung von Asylverfahren sich im vergangenen Jahr verlängert hat. Von 6,8 Monaten im Jahr 2023 auf inzwischen auf 12 Monate am Ende des Jahres 2024. Die Bundesregierung argumentiert, dass dies einem statistischen Effekt geschuldet sei, dass es sich um ältere liegengebliebene Fälle handelt. Aus Sicht der Linken ist die längere Zeit der großen Zahl mangel- oder fehlerhafter Bescheide des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) geschuldet.

Was Merz bei seinen Äußerungen über Menschen, die in Deutschland Asyl suchen, nicht berücksichtigt, ist ihre Lebensrealität. Denn verlängerte Wartezeiten heißt auch, kein Bürgergeld erhalten zu können, keine Möglichkeit zu haben, irgendwann arbeiten zu dürfen und sich ein würdevolles Leben in Deutschland aufzubauen.

Längere Verfahren kosten die Bundesrepublik viel Geld. Anstatt unbegründeterweise auf das Bürgergeld zu schimpfen, sollte Merz sich vor Augen führen, in welcher Lage Betroffene damit geraten. Es braucht keine Expertin, um zu erkennen, dass dieser Wartezustand, in dem die Menschen verharren müssen, nachdem sie traumatische Dinge in ihrem Herkunftsland erlebt haben und eine nicht weniger traumatische Flucht nach Deutschland angetreten sind, psychisch extrem belastend ist.

Wenn es Merz ernst meint, dass er in der Migrationspolitik Verbesserungen bewirken will, dann sollte er an dieser Stellschraube im System als Erstes drehen und endlich erkennen, welche die wahren Probleme sind. Aus dem, was er bisher von sich gegeben hat und wie er auftritt, ist das aber leider nicht zu erwarten.

Lesen gegen das Patriarchat

Auf taz.de finden Sie eine unabhängige, progressive Stimme – frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

11 Kommentare

 / 
  • „ Denn verlängerte Wartezeiten heißt auch, kein Bürgergeld erhalten zu können, keine Möglichkeit zu haben, irgendwann arbeiten zu dürfen und sich ein würdevolles Leben in Deutschland aufzubauen.“

    Nach 3 bzw. 6 Monaten Aufenthaltsgestattung (also Verfahrensdauer) dürfen Asylbewerber prinzipiell arbeiten. Je nachdem, ob sie eine Wohnverpflichtung in einer Erstaufnahmeeinrichtung haben.

    Daran ändert eine längere Verfahrensdauer doch nix.

  • Die Wartezeit kommt vor allem aufgrund der MASSE an Anträgen zustande die unser System überfordern.



    Nicht nur deswegen verlangen die Kommunen eine Pause.

    Passt leider nicht ins linke Schema - da passt es doch besser auf Merz zu schimpfen.

  • Ich würde noch eine optimistische Anerkennung von Bildungsabschlüssen ergänzen wollen. Das würde noch so manchen Knoten am Arbeitsmarkt lösen helfen.

    • @Gorch:

      Würden Sie sich von z.B. von einem Syrer mit Abschluss als Elektriker (ungeprüft) ihr Haus installieren lassen ? oder wenn er einen Abschluss als Mechaniker hat die Bremsen ihres Autos (ungeprüft) richten lassen ? Der gleiche Titel besagt nicht die gleichen Standards wie bei uns.

      • @Günter Witte:

        Was so mancher hiesige Handwerker so leistet, würde ich dem gemeinen Syrer allemal zutrauen. Wir haben ja auch die polnischen Handwerker lieb gewonnen. Warum dann nicht auch den syrischen. Zu guter Letzt: wo gibt es noch verfügbare deutsche Handwerker?

        Ich stimme @Andreas J uneingeschränkt zu. Training on the sozialversicherten-Job ist allemal besser als eine Sozialhilfe-Warteschlange in der Zeltstadt.

      • @Günter Witte:

        Meinen sie woanders in der Welt fahren die Menschen andere Autos als bei uns und legen keinen Wert auf funktionierende Bremsen? Die leben auch nicht alle in Slums mit wilden Elektroverkabelungen. Deutsche Standards können von Firmen auch schnell nachgeschult werden. Die werden schon selbst wissen wer qualifiziert ist und wer nicht.

  • Asylbewerber müssen korrekt behandelt werden. Der Staat muss dafür die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Allerdings lässt sich so was nicht besonders gut planen. Aber es gibt in Deutschland sehr unterschiedliche Formen und Standards in den Erstaufnahmen. Bürgergeld ist nicht unbedingt die Lösung für diese Menschen, es sollte immer um Deutsch gehen, die Sprache lernen und einen vernünftigen Zugang zum Leben hier bekommen. Gerade das scheint die CDU nicht mehr zu wollen. Andererseits füllen italienische und griechische Beamte nie rechtzeitig die Dublinpapiere aus. Das kann Merz nicht ändern und die Asylbewerber können dafür auch nichts. Aber sie werden dafür durch den Dreck gezogen.

  • Erstmal abwarten wen unsere am 23.02. 2025 legitimierten Abgeordneten zum Kanzler wählen und wem unser Bundespräsident zum Kanzler, als würdig erachtet - und dann vereidigt.



    .

    • @Alex_der_Wunderer:

      Die gegenwärtigen Wartezeiten in Asylverfahren liegen an der Masse von mehr als 500000 neuen Erstanträgen 2023/24 und der Zahl der Mitarbeiter des Bamf die jeden Einzelfall bearbeiten müssen. Da kommt es bedauerlicherweise zu Wartezeiten für die Anhörung von mehr als einem Jahr. Wer sich erinnert der kann leicht recherchieren dass der Ende des letzten Jahres entlassene Finanzminister zu Beginn der Ampel noch versuchte durchzusetzen dass alle Bundesbehörden Personal abbauen sollten und nur zögerlich weitere neue befristete Stellen für das Bamf 2023 genehmigt hat. Politische Entscheidungen haben langfristige Folgen für Verwaltungsverfahren.

      • @MaCo:

        Dabei hatte die Ampelregierung doch schon zweieinhalb Jahre nach ihrem Amtsantritt 2021, insgesamt 1.710 neue Beamtenstellen geschaffen. Scheinbar nicht im Bereich Asyl und Migration.

  • Die Linke hat eine Anfrage zu der durchschnittlichen Länge von Asylverfahren gestellt. Und was ändert die auf 8,8 % "erstarkte" Linke jetzt. Nichts.

    In der letzten Wahlperiode von 3 Jahren hat die Linke über 700 Anfragen an den Bundestag gestellt.

    Die Linke fragt regelmäßig nach rechten Straftaten. Nur werden diese Zahlen für jeden vom Bundesinnenminsterium in der BKA Kriminalstatistik veröffentlicht. Da gib es keine Geheimnisse