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Labour-Politikerin Thangam DebonnaireZielscheibe britischer Corbyn-Linker

Debonnaire demonstrierte zusammen mit anderen Abgeordneten gegen Antisemitismus in ihrer Partei. Dafür zahlt sie nun einen hohen Preis.

Thangam Debonnaire, Wahlkreisabgeordnete für Bristol West, hatte ein Zeichen gegen das Wegschauen in ihrer Partei setzen wollen Foto: Imago/Zuma Press

Als am 26. März die jüdischen Verbände Großbritanniens gegen Antisemitismus in der Labour-Partei demonstrierten, war Thangam Debonnaire dabei. Die Wahlkreisabgeordnete für Bristol West war eine von rund 15 Labour-Abgeordneten, die mit ihrer Teilnahme ein öffentliches Zeichen gegen das Wegschauen ihres Parteichefs Jeremy Corbyn gegenüber antisemitischen Tendenzen im eigenen Laden setzen wollten. Aber für keine andere Teilnehmerin hatte dieser Schritt so unangenehme Folgen.

Ihr Ortsverein bestellte Debonnaire ein, sie sollte erklären, was ihr eingefallen sei, bei einem Angriff auf Corbyn mitzumachen. Ein Beschlussantrag führte aus, die Politikerin hätte „sich nicht zu Tory- und DUP-Abgeordneten gesellen sollen, um gegen unspezifizierte und unbewiesene Behauptungen von 'Antisemitismus’ in ihrer eigenen Partei zu protestieren“. Kurz vor den Kommunalwahlen im Mai diene das nur dazu, „die Tory-Wahlchancen zu erhöhen“, schließlich sei Antisemitismus ein Problem der Rechten, nicht der Linken.

Der Antrag, inmitten von Enthüllungen über Holocaust-Leugner als kommunale Labour-Kandidaten gestellt, wurde am Donnerstagabend ohne Abstimmung zum Beschluss erklärt – und Debonnaire wurde dermaßen in die Mangel genommen, dass sie die Sitzung vorzeitig verließ. Die entsetzte Labour-Jugendchefin von Bristol, Holly Jones, schrieb auf Twitter: „Total abscheulich, dass eine amtierende Labour-Abgeordnete von einer Gruppe störender Spinner aus einer Sitzung herausgeekelt wird.“ Debonnaire habe nicht Stellung beziehen dürfen, und als man ihr dann doch das Wort erteilte, sei sie ständig unterbrochen worden.

Als Strafe wurde sie Schattenministerin für Kultur

Dem linken Parteiflügel ist Thangam Debonnaire schon länger ein Dorn im Auge. Die Tochter eines tamilischen Einwanderers und einer englischen Mutter sitzt seit 2015 für Labour im Parlament, unterstützte dann aber nicht Jeremy Corbyn als Parteichef. Corbyn rächte sich, indem er sie erst zur Schattenministerin für Kultur ernannte, das aber zum „Versehen“ erklärte und sie wieder absetzte, ohne mit ihr gesprochen zu haben. Debonnaire wiederum rächte sich, indem sie gegen den Brexit stimmte. Bei den vorgezogenen Neuwahlen 2017 verteidigte sie ihren Wahlkreis mit einer der höchsten Labour-Mehrheiten landesweit.

Streitbarer Einsatz in widrigen Umständen ist für Thangam Debonnaire nicht neu. Kurz nach ihrer ersten Wahl 2015 wurde Brustkrebs bei ihr diagnostiziert, im Parlament hat sie sich für Menschen mit Autismus eingesetzt. Bevor sie in die Politik ging, arbeitete die studierte Mathematikerin und Cellistin zehn Jahre lang in der Organisation „Respect“, die sich dem praktischen Umgang mit häuslicher Gewalt gegen Frauen widmet. Vielleicht nicht zufällig erhielt sie eine Todesdrohung am Tag der Beerdigung der ermordeten Jo Cox, die zeitgleich mit ihr Labour-Abgeordnete geworden war.

Auch jetzt lässt sich Debonnaire nicht erschüttern. Sie dementierte Rücktrittsgerüchte und erklärte: „Ich werde mich weiterhin gegen alle Formen von Antisemitismus, Vorurteilen und Ungleichheit stellen.“

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12 Kommentare

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Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Meine Hochachtung vor einer Frau, die sich nicht wegducken lässt von Mobbing, Rassismus und Häme. Weiterhin viel Mut zum offenen Wort und eigener Meinung, wie sie ihr in einer Demokratie zustehen, die ihren Namen noch verdient haben will.

  • Angenommen, ein aktives Mitglied der Grünen demonstriert mit CSU- und AfD-Mitgliedern gegen tatsächliche oder behauptete eklige Tendenzen bei den Grünen: Gäbe es dann so etwas wie Parteidisziplin, ja oder nein?

    • @BUBU:

      Jüdische Verbände in Großbritannien = AfD-Mitglieder? Geht es noch?

      • @tm_ms:

        Die Tories und Die DUP sind keine jüdischen Verbände. Der von mir gezogene Vergleich passt durchaus.

        Ihre Behauptung, ich hätte jüdische Verbände mit der AfD gleichgesetzt, ist völlig unhaltbar und so unlauter wie die Schmitzkampagne gegen Corbyn.

        • @BUBU:

          Im ersten Abschnitt heißt es, dass jüdische Verbände gegen Antisemitismus in der Labour-Partei demonstrierten. Da sind dann auch - so verstehe ich den Vorwurf des Ortsvereins - Tories und DUP-Leute mitgelaufen. Dein schiefer Vergleich heißt doch nichts anderes als dass man von Demos wegbleiben muss, wenn da auch Rechte mitlaufen. Cool, mit einer solchen Argumentation die Veranstalter dann allein mit Rechten zu lassen.

    • @BUBU:

      Das kommt darauf an ob man eine eigene Meinung und ein Gewissen hat oder Opportunist ist.

      • @Pia Mansfeld:

        Wenn ,am es "Gewissen" nennen will, wenn jemand sich in einer linken Partei nicht mehr zu Hause fühlt, weil diese wieder links geworden ist, und jemanden weghaben möchte, der dafür steht. Ich bezweifle, dass Antisemitismusvorwürfe gegen Tony Blair denselben Aufstand des Gewissens hervorgerufen hätten.

  • Lasst uns mal konkret werden: Darf ich als Linker meine Augen verschließen vor dem, was in Gaza die ganze Zeit und vor allem am Karfreitag geschah?

    Muss ich schweigen aus Furcht, ich könne aus der eigenen Partei heraus "Antisemit" geschimpft werden?

  • Und das ist ein typischer Reflex bei vielen Linken.

     

    Wir können als moralisch überlegene Linke nicht antisemitisch sein, daß ist nur ein Problem der Rechten. Der Antisemit trägt nämlich Glatze und Springerstiefel und will Juden vergasen und das trifft auf uns nicht zu.

  • 6G
    60440 (Profil gelöscht)

    Wer nicht für den großen Vorsitzenden ist und auf seine Mao-Bibel schwört, wird weggemobbt. Wie könnte Großbritannien dastehen, wenn es einen echten Oppostionsführer gebe und keinen sturen Betonkopf ...

  • Eine notwendige und klärende Konflikteskalation, die auch in der deutschen Linken überfallig ist.

  • Gut, dass der Labour-Ortsverein die Dame mal basisdemokratisch in die Mangel genommen hat.