piwik no script img

Kommentar Vorwürfe gegen Labour-ChefCorbyn ist kein Antisemit

Ralf Sotscheck
Kommentar von Ralf Sotscheck

Die Antisemitismus-Vorwürfe gegen Jeremy Corbyn sind nicht haltbar. Sie sind Teil einer Verleumdungskampagne des rechten Flügels der Labour-Party.

Seine rechten Parteikollegen wollen ihn stürzen: Jeremy Corbyn, Chef der britischen Labour Party Foto: reuters

S ie lassen nicht locker. Der rechte Flügel der britischen Labour Party hat den Kampf gegen den Parteichef Jeremy Corbyn längst nicht aufgegeben. Was man bei den parteiinternen Wahlen, bei denen Corbyn zweimal mit deutlicher Mehrheit siegte, nicht geschafft hat, soll nun durch eine Verleumdungskampagne gelingen. Man unterstellt ihm antisemitische Ansichten. Corbyn ist kein Antisemit.

Damit soll die Sache keineswegs kleingeredet werden. Antisemitismus ist auch bei der Labour Party verbreitet, wie auch in der vergangenen Wochenendausgabe der taz zu lesen war. Es gibt Holocaustleugner und Menschen, die Israel das Existenzrecht absprechen, vor allem unter den neuen Mitgliedern, die eingetreten sind, um Corbyn zu unterstützen. Corbyn hat die Sache allerdings schlecht gemanagt, weil er einen innerparteilichen Streit vor den Kommunalwahlen Anfang Mai vermeiden wollte.

Aber man kann ihm nicht vorwerfen, dass er den Sederabend bei der radikalen linken jüdischen Organisation Jewdas verbracht hat. Der Abgeordnetenausschuss der britischen Juden, der oft Ziel des Spotts von Jewdas war, hat das dennoch getan. Jewdas seien keine richtigen Juden, sagte der Vorsitzende, Jonathan Arkush. Jewdas fragte, ob eine Einteilung in gute und böse Juden nicht antisemitisch sei?

Corbyn hatte zuvor den Abgeordnetenausschuss sowie den Führungsrat der britischen Juden um eine dringende Beratung über mögliche Maßnahmen gegen den Antisemitismus bei Labour gebeten. Die Organisationen lehnten ab: Der Kampf gegen den Antisemitismus ist zu einer Kampagne gegen Corbyn umfunktioniert worden.

Dass die BBC und einige Boulevardzeitungen auf den Zug aufspringen, war zu erwarten. Aber dass auch Labour-Abgeordnete versuchen, Corbyn zu destabilisieren, ist perfide. Labours überraschend gutes Ergebnis bei der Wahl voriges Jahr hat diese Leute nicht überzeugt. Ihnen wäre bei den nächsten Wahlen eine Niederlage lieber als eine Corbyn-Regierung – um den verhassten Parteichef doch noch loszuwerden.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
Mehr zum Thema

20 Kommentare

 / 
  • Wie ausführlich haben die Tazzis eigentlich über den Windrush-Skandal berichtet --- bevor Amber Rudd deswegen flog? Es gibt wichtigere Themen als die Frage, ob Corbyn ein Antisemit ist, weil er sich schon mal mit als selbsthassende Juden verschrienen Leuten getroffen hat.

  • 3G
    39201 (Profil gelöscht)

    Luciana Berger, the MP for Liverpool Wavertree, delivers an impassioned speech during the parliamentary debate on antisemitism. Berger details the torrent of abuse she has endured as a campaigner and MP and says that antisemitism is now more commonplace in 2018: https://www.theguardian.com/world/video/2018/apr/17/labour-mp-applauded-by-mps-for-antisemitism-speech-video

  • 3G
    39201 (Profil gelöscht)

    Dave Rich: ‘‘Corbyn himself was on video in 2010 making a speech in which he called Hamas and Hezbollah his friends and he described Hamas as a movement for social justice and political justice, which, coming from someone on the left, is language that really means an ideological connection. Corbyn didn't answer these questions very well. In fact, he didn't really like being asked them. And so this whole question of antisemitism hung around the Labour Party. It came to a head in April 2016 with the suspensions of Naz Shah and Ken Livingstone. It made antisemitism a national, political story in Britain, a headline story for the first time in decades and to try and get control of the story, the party launched the inquiry. […] And the other reason it [the inquiry] failed is because the launch of the inquiry was effectively sabotaged by supporters of Jeremy Corbyn who turned up in large numbers; cheered everything he said; booed the media who were there whenever they asked difficult questions. And one of his supporters actually insulted a Jewish Labour Member of Parliament called Ruth Smeeth who was in the room by claiming that she was somehow conspiring with the right-wing newspaper against Jeremy Corbyn. She then left the room in tears and that became the dominant motif of the launch of the inquiry itself.‘‘ http://kantorcenter.tau.ac.il/sites/default/files/Dave%20Rich%20180128.pdf

  • 7G
    76530 (Profil gelöscht)

    Das neueste Kapitel in Sachen billiger Propanda, das da aufgeschlagen wurde.

     

    Die Intentionen der scharfen Corbyn-Kritik wenige Wochen vor den Kommunalwahlen in GB sind leicht durchschaubar. In der Sache selbst sind wirklich neue Argumente ausgeblieben. Nur alte, verfilzte Hüte wurden hervorgekramt.

     

    Wer hat wohl das größe Interesse daran, einen zunehmenden Einfluß von Corbyn zu verhindern? Die neo-liberalen Glaubenskrieger auf ihrem Kreuzzug gegen Abweichler.

  • Komischerweise lese ich hier in der TAZ mehr zu Antisemitismus von Corbyn als über sein politisches Programm. Andersherum wäre bessser. Erstmal wissen, was politisch angstrebt wird.

     

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

  • Wenn es gegen den Liebling geht, darf keine Relativierung ausgelassen werden.

    Unfassbarer Beitrag.

    • @Demokrat:

      ganz genau:

      some semites are more semite than others.

      some hebrews are more hebrew than others.

      some jews are more jewish than others.

  • Nein, Corbyn ist kein "wissenschaftlicher" Antisemit im Sinne der Rassentheorie des 19. Jahrhunderts. Aber er ist der Vorsitzende einer wichtigen progressiven Partei und vielleicht bald Regierungschef. Es ist ihm leider schlicht egal, was die Leute um ihn herum denken, sagen, schreiben. Es scheint ihn überhaupt nicht zu stören, dass der ideologische Antizionismus der Linken und die Judenfeindschaft in den Migrantenmilieus und die uralten "Argumente" der rechten Verschwörungstheoriker gerade eine unheimliche Hochzeit feiern. Das reicht, um Corbyn gruselig zu finden. Dass AUCH die Tories Corbyn klein halten wollen, ist kein Argument, dass die progressive Welt geistig krank werden kann und alle Progressiven den Mund halten sollen. Die Progressiven sind mal dafür angetreten, ALLES besser zu machen. Also bitte. Ein bisschen Mühe und klarer Verstand ist schon erlaubt.

  • Ob Corbyn Antisemit oder nur ein eigenwillger Kauz ist sei dahingestellt. Unter ihm ist Antisemitismus erneut Salonfähig geworden und das ist gefährlich und zu kritisieren. Dieser Artikel misst mit zweierlei Maß.

    Wäre es eine rechte Partei, würde der Autor wahrscheinlich nicht die erwähnten Entschuldigungen gelten lassen (schlecht gemanaged, interne Intrige).

    Der Besuch bei JEWDAS tatsächlich nur ein Feigenblatt nach dem Motto "some of friends are jewish", da die Organisation nicht repräsentativ für die Jüdische Gemeinde ist und in dieser Debatte nur weiter polarisiert.

  • 6G
    64662 (Profil gelöscht)

    Einen Premierminister Corbyn zu verhindern, dürfte ganz oben auf der Prioritätenliste der neoliberalen Strippenzieher stehen! Ich gehe fest davon aus, dass in der Angelegenheit bei Bedarf *alle* zur Verfügung stehenden Mittel zum Einsatz kommen werden, einschließlich des Auftretens einer plötzlichen schweren Erkrankung des Kadidaten, eines bedauerlichen technischen Versagens beim Personentransport oder eines Vorfalls durch einen "verwirrten Einzeltäter"!

     

    Es *darf* keine Alternative zur neoliberalen Agenda geben!

    https://www.nachdenkseiten.de/upload/bilder/170608_02.png

  • Klare Worte von Sotschek.

    Wer ständig mit der A-Karte wedelt, stärkt nur die Torys.

    Cui bono...

  • 8G
    81331 (Profil gelöscht)

    ...find' ich gut, immer mehr neoliberale/grüne Kommentare/Artikel. Die taz ist 'endlich' in der sog. Mitte angekommen.

    Darauf einen taz-presso ; )

  • "...Jewdas fragte, ob eine Einteilung in gute und böse Juden nicht antisemitisch sei?..."

     

    "Wir selektieren nicht!" Ignatz Bubitz

     

    (btw //http://www.taz.de/!5264615/ m.w.N.)

  • "Antisemitismus ist auch bei der Labour Party verbreitet, wie auch in der vergangenen Wochenendausgabe der taz zu lesen war. Es gibt Holocaustleugner und Menschen, die Israel das Existenzrecht absprechen, vor allem unter den neuen Mitgliedern, die eingetreten sind, um Corbyn zu unterstützen. Corbyn hat die Sache allerdings schlecht gemanagt, weil er einen innerparteilichen Streit vor den Kommunalwahlen Anfang Mai vermeiden wollte". Also wenn der Autor ernsthaft die Antisemitismus-Vorwürfe entkräften wollte, hätte er diesen Satz besser nicht geschrieben.

  • Wie wäre es denn, wenn wir mehr darüber sprechen, was Menschen konkret tun und dann ihre Taten kritisieren, anstatt uns in Zuschreibungen von Personen zu ergehen?

     

    Es ist egal ob jemand Anti-/Pro- Semit-/Islam-/Whatever-* ist. Wichtig ist, was Personen tun und was sie antreibt.

     

    Auch in diesem Artikel funktioniert die Taktik des rechten Labour-Flügels, die sich primär darum dreht, das Gespräch auf Personen und Zuschreibungen zu lenken um ad hominem-Argumenten den Weg zu bahnen, wunderbar. Danke! Sie haben gut mitgearbeitet!

     

    Wie wär's im nächsten Artikel mit Inhalten? Wofür, zum Beispiel, hat sich J. Corbyn stark gemacht? Welches Feld vernachlässigt?

  • Auch die taz beteiligte sich mit einem Beitrag von DANIEL ZYLBERSZTAJN gegen die Hatz auf Linke und brachte im Zusammenhang mit Corbyn den alten Vorwurf des Antisemitismus.

     

    Kommentar gekürzt. Bitte vermeiden Sie Unterstellungen.

    Die Moderation

    • @Rolf B.:

      Alter Schwede - wat war denn nu wieder ditte - wa?

      &

      Ich Tränentier machtderweil Mittagsschlaf - altersgerecht!;)

      Bedenke aber - doch doch & aber Hallo! Gellewelle.

       

      "Du sollst keinen Unterstellplatz haben neben mir!"

      &

      "...Jewdas fragte, ob eine Einteilung in gute und böse Juden nicht antisemitisch sei?..."

      &

      So sindse - Die Alleinseligmachenden dieser Welt!

      Voller Bekloppter - hie&da&dorten - mit&ohne - kerr!

      KettenabdieSäge!;) Wollnichwoll.

      Da mähtste nix. Normal.

      Na - Si´cher dat.

       

      Aber "nett sind sie alle - Vorsicht Falle!" (Wiglaf Droste;) http://www.laut.de/Wiglaf-Droste-das-Spardosen-Terzett/Songs/Nett-Sind-Sie-Alle-22856

  • Von Anfang an bläst die taz ins gleiche Horn. Es geht ausschließlich um die Verhinderung linker Parteien, die statt Gedöns wieder die Frage der Umverteilung in den Mittelpunkt stellen.

    • @agerwiese:

      Gedöns stellt sehr gut die politischen Ansichten der modernen Linken wieder.

      Wir dürfen hier übrigens auch mal vielleicht namentlich erwähnen, wer die Antisemiten zum Großen Teil in der Corbyn Fangruppe darstellen. Muslime! Lässt sich leicht nachlesen!

      • @Tomy:

        Da die ihm allerdings beim Wahlsieg demnächst helfen sollen, kann man das schwer verurteilen.