LGBTQ-feindliche Regelungen in Ungarn: Budapest will Verfassung ändern
Viktor Orbáns Regierung kehrt mit ihrer Definition von Elternschaft und Geschlecht ins 19. Jahrhundert zurück. Das hatte sich schon länger angekündigt
Damit bleiben Änderungen des Geschlechts ausgeschlossen, ein „drittes Geschlecht“, das sich der eindeutigen Zuordnung entzieht, ist im Ungarn von Premierminister Viktor Orbán nicht vorgesehen. Ein schon im Mai verabschiedetes Gesetz wird damit via Verfassung zementiert und der Abschaffung durch künftige Regierungen de facto entzogen.
Diese familienpolitische Rückkehr ins 19. Jahrhundert hatte sich schon länger angekündigt. Im vergangenen Oktober hatte Orbán öffentlich ein neues Kinderbuch verurteilt. Es dekonstruiert bekannte Sagen und Märchen, indem es sie mit Angehörigen von Minderheiten wie Roma, Behinderten, Armen oder LGBT-Personen bevölkert. So ist Aschenputtel lesbisch und ein Drachentöter transgender. „Lasst unsere Kinder in Ruhe“, schmetterte der Premier den Herausgebern entgegen. Und eine regierungsnahe konservative Familienvereinigung forderte den Buchhandel auf, das skandalisierte Werk aus den Regalen zu nehmen.
Schon 2018 hatte Orbán das Studienfach Gender Studies von den Universitäten verbannt. Das Musical „Billy Elliot“ mit der Musik von Elton John musste von der Nationaloper abgesetzt werden, nachdem eine wütende Medienkampagne das Werk als Propaganda für Homosexualität gegeißelt hatte. Mit unverhohlen homophoben Argumenten sagte Ungarns Staatsfernsehen die Teilnahme am jüngsten European Song Contest ab.
Homosexualität ist in Orbáns Ungarn westliche Dekadenz
Homosexualität wird in Orbáns Ungarn mit westlicher Dekadenz gleichgesetzt. Die staatsnahen Medien – also fast alle – bringen gerne Interviews mit „geheilten“ Schwulen und treten damit der wissenschaftlich weitgehend unumstrittenen Tatsache entgegen, dass die sexuelle Orientierung genetisch angelegt ist.
2009 wurde in Ungarn die eingetragene Partnerschaft unabhängig vom Geschlecht anerkannt. 2010 kam die politische Wende. Einer der Ersten, die die homophobe Ideologie der nationalkonservativen Fidesz zu spüren bekamen, war der in schwuler Lebensgemeinschaft lebende Regisseur Róbert Alföldi. 2013 wurde sein Vertrag als Intendant des Nationaltheaters vom Kulturbeauftragten der Regierung Imre Kerényi mit der Begründung nicht verlängert, dass es im Theater in Zukunft „nicht mehr um Schwuchteln“ gehen solle, „sondern um Liebe, Ehre und Treue“.
Die neuen Verfassungszusätze stehen in offenem Widerspruch zur EU-Grundrechtecharta, die den Schutz sexueller Minderheiten festschreibt. Damit eröffnet Orbán eine neue Front in einem Dauerstreit mit Brüssel, der ihm dazu dient, zu Hause den starken Mann zu spielen, der unerschrocken für die ungarischen Werte eintritt. Den gerade im EU-Haushalt verankerten Passus, der manche Förderungen mit der Einhaltung von Rechtsstaatlichkeit verknüpft, hat er mit einer Vetodrohung bekämpft. Die Approbation des Haushalts quittierte seine Propagandaabteilung mit der Mitteilung: „Jetzt ist es offiziell: Die Europäische Union exekutiert den Soros-Plan.“
Der in Ungarn geborene Milliardär George Soros, dessen liberale Central European University vor Kurzem aus Ungarn gemobbt wurde, gilt Orbán als Urheber alles Bösen und Autor eines angeblichen Plans, Europa mit Flüchtlingen und Migranten zu überschwemmen.
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