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Kurze HosenDer Mann rüstet ab

Seit Ende der 60er-Jahre lockern sich die bürgerlichen Hüllen im Beruflichen. Männer verstecken ihre Beine kaum noch in langen Hosen.

Nicht mehr erörtert wird, dass Männerbeine ja grässlich aussähen. Foto: imago/Westend61

In den Dörfern der Hipster ist seit jeher angezeigt, was modisch wird, angesagt ist und nachzuahmen. Etwa in Kreuzkölln, dem Teil Berlins, in dem bis vor kurzer Zeit gern gesehen wurde, was migrationspolitisch schiefläuft. Die Kolonisierung der Lebensstile zwischen muslimischen und dort neu siedelnden Student*innen nimmt in diesem Sommer indes an Intensität zu. Vor allem bei Männern. Mann trägt kurze Hose. Und zeigt Bein.

Nicht erst in den letzten fünf Wochen,seitdem auch Kreuzkölln von einer quasitropischen Dauerwitterung erhitzt wird. Schon im April, fast noch bei fröstelnder Luft, war es zu sehen. Der Mann als Träger langer Hosen verweigert sich. Er bevorzugt Kurzes, das Bein Ausstellendes. Das ist luftig, das lässt nicht weniger schwitzen, aber es fühlt sich an, als umwehe die Beine ein Hauch von Kühlung. Zuerst war es bei den Bürgern migrantischer Prägung zu sehen. Die Sonnenallee ist ohnehin ein Catwalk wie ein Wohnzimmer – weshalb also nicht gleich familiär werden und weniger förmlich?

Und die Hipster zogen mit. Inzwischen – jeder, der in diesem Sommer in Europa unterwegs war oder etwa im Silicon Valley, in Brooklyn oder Portland, konnte das notieren – ist es ein globaler Trend. Der Mann rüstet ab. Und zwar gründlich. In Start-up-Büros, öfter auch schon in klassischen Bürofluchten: Der Mann verschafft sich Lüftung. Es sind ja keine Hotpants, meist eher Exemplare, die knapp oberhalb der Knie enden.

Und zwar ohne Prüfung des ästhetischen Werts. Man sieht sehr schöne Beine, mit sichtbarem oder spärlichem Haarbewuchs, Beine als teigiges Modell oder stramm, schmal, kräftig. Über die Schuhe ließe sich streiten: Passen Camper an die Füße oder sollte es ein Paar von Converse sein? Sind Jesuslatschen okay? Birkenstocks oder Nikes? Strümpfe – ja oder nein? Socketten? Am besten immer.

Die konservative Kulturkritik an diesen Bildern des entlanghosten Mannes ließ nicht lange auf sich warten. Alexander Grau, Experte beim Debattenmagazin Cicero, schrieb jüngst ein Traktat unter dem Titel „Allgemeine deutsche Geschmacksverweigerung“, illustriert mit sechs Männerteilkörpern vom Nabel bis zur Sohle. Viel ist in diesem Text zu lesen vom Üblichen. So von wegen: Die Deutschen haben keinen Geschmack und so weiter.

Männer machen, was Frauen schon immer recht war

Aber die Zeilen sind doch ein Fortschritt, denn nicht erörtert wird, dass Männerbeine ja grässlich aussähen. Das war früher in Glossen der Zeit zu vernehmen: Mit viel Gehüstel und indigniertem Getue wurden entblößte Männerbeine als ästhetisch abwegig, Frauenbeine hingegen als eye candy verstanden. Und das auch noch von Autorinnen, nie von Autoren, als ob sie den Blick des männlichen Geschlechts sich unterwerfen wollten.

Offenbar ist der Stand der Geschlechterfrage weiter. Männer machen, was Frauen schon immer recht war, haben Lust am Zeigen der Beine. Der Unterschied ist – es möge so bleiben –, dass Frauen eher selten auf die Idee kommen, ihre Beine pur zu zeigen. Was man sieht, so sie keine langen Hosen tragen, sind behandelte Stellen, entwachste oder rasierte. Männer bestehen auf Natur, wie sie sie hervorbrachte, oder auf dem, was sie dafür halten.

Zu erklären ist das neue Körperlichkeitsphänomen sehr wohl: Seit Ende der sechziger Jahre sind westliche Gesellschaften dabei, die bürgerlichen Hüllen im Beruflichen zu lockern. Nichts soll mehr steif und fest sein. Die Uniform des Angestellten – der Anzug – wird als solche getragen, nicht als natürliches Habit. Seit 50 Jahren gibt es auf dem Markt sogenannte Freizeitkleidung – und das mag man bemeckern, ästhetisch an ihr verzweifeln: Wer lebt, hat es gern bequem. Und auf Sneakern läuft es sich weniger eingeschnürt – und in T-Shirt, krawattenlos und in weiteren Hosen fühlt sich ein Arbeitstag weniger korsettiert an. Nun sind die Beine dran, hergezeigt zu werden.

Man sieht nun eben Haare und Adern, Muskeltraktionen und überhaupt Bewegungen wie auf dem Spielplatz (des Lebens). Man flaniert in heutigen Zeiten weniger, als dass man läuft. Kulturkritiker mögen sagen: als ob eine To-do-Liste abgehakt werden müsste. Mag sein, doch es fühlt sich weniger eingezwängt an – und nur das zählt.

Ob das gut ist oder schlecht? Urteile einE jedeR selbst. Die einen sagen so, die anderen so. Die Augen jedenfalls haben mehr zu tun.

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12 Kommentare

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  • Sinnvoller als kurze Hose: Barfuß gehen!

  • Rätsel:

    Die kluge "Bauerntochter" kommt nicht nackt und doch nicht angezogen. Klügere Männchen findet man darin nur noch unter den Tieren.

  • Hm, wo ist das "Problem"? Ich habe schon öfter Männer in "kurzen" Hosen gesehen... Hässlich? Weshalb?

     

    Ich finde es gut, wenn man/frau es überhaupt irgendwie "finden" muss.

  • @LA - Genau

    " . .Mann trägt kurze Hose. Und zeigt Bein. . ."

     

    Wie pflegt Dr Borg -

    "Papst des Unterground" anzumerken:

    "Gibt´s die auch in schön?"

     

    kurz - Hosen zu Fluchbarem.

  • 2G
    21405 (Profil gelöscht)

    Mon oeuil!

    Kurze Spielhosen?

    Habe ich getragen,

    als ich zehn Jahre alt war.

  • „Zwischen Knie und Sockenrand ist erotisch ödes Land. Schön ist zwar die Wade, doch sie bringt´s nicht. Schade." dichtete schon F.W. Bernstein.

    Also kommts doch auf die Hose an!

  • Aber der Fußpilz wird weiterhin in den Socken versteckt. War letztens in Berlin , die Armut sieht man dort an jeder Ecke: Billigschuhe, Billighose, Jogginghose, Alditüten egal ob ausländisch oder deutsch, coole Stadteile total komerzieliesiert mit Touristenramsch wie Mützen und Schnapsgläser mit Berlin Logo.Alditüten. Riesenflohmärkte. Sonderposten von Flohmärkten. Müll, Alte S-Bahnen ohne Klima bei 36 grad. Ohne den See hätte der Aufenthalt überhaupt keine Freude gemacht.

  • "Seit 50 Jahren gibt es auf dem Markt sogenannte Freizeitkleidung"

     

    Und auch Sie, Herr Feddersen, sehen keinerlei Notwendigkeit, etwas gegen diese anhaltende skandalöse Entwicklung zu unternehmen?

     

    Schockierend.

  • Unterwerfen wir uns nicht dem Geschmacksdiktat der Frauen. Wir Männer können selbst bestimmen, welche Körperteile wir herzeigenswert finden. Wenn eine Frau ihr Achselhaar färbt und es präsentiert statt rasiert, wird sie als Befreierin gefeiert. Wenn wir Männer unsere Beine herzeigen, kann es nicht anders sein.

  • "bemerkenswert, dass nackte oder teilnackte Männer von Frauen als hässlich empfunden werden..."

     

    Ich habe das noch nie bemerkt. Im Gegenteil. Die Mädels pfeifen immer noch auf den Fingern...

  • "Männer verstecken ihre Beine kaum noch in langen Hosen..."

     

    Der Reichstag wurde durch Christo erst schön.

  • Ich finde es bemerkenswert, dass nackte oder teilnackte Männer von Frauen als hässlich empfunden werden. Ich kann diese Behauptung aus eigener Erfahrung bestätigen. Nur nackte, haarige Männergesichter werden zum Glück nicht als hässlich empfunden und müssen zum Glück noch nicht hinter einer Burka verschwinden.

    Versteh' Einer die Frauen...