Kurden-Demonstration in Köln: Tänze in der Sonne
Rund 30.000 Kurden feiern in Köln neben Öcalan-Bildern und politischen Redebeiträgen. Die türkische Regierung kommt dabei nicht gut weg.
Rund 30.000 Kurden feiern hier, dazwischen verkaufen ein paar biodeutsche Kurdistan-Aktivisten ihre Broschüren. An den Bücherständen findet man Dostojewski und Nietzsche auf kurdisch. Der Mainzer FDP-Politiker Tobias Huch, der macht Selfies mit jungen Frauen. Auf der Bühne hängt ein Bild des PKK-Vorsitzenden Abdullah Öcalan. „Wir sind für die Aufhebung des PKK-Verbots“, erklärt Linke-Vorsitzender Bernd Riexinger bei seiner Rede auf der Kundgebung. Öcalan dürfe nicht länger im Gefängnis schmoren, sondern solle für Verhandlungen eingesetzt werden. Immer wieder hallt „Biji serok Apo“ – „Es lebe der Führer Apo“ – über den Platz am Rheinufer.
Ursprünglich hätte das Fest im Rheinenergiestadion stattfinden sollen. Der Kölner Polizeipräsident Jürgen Mathies hatte der städtischen Betreibergesellschaft jedoch geraten, die Veranstaltung abzusagen. Das Sicherheitsrisiko sei zu groß. Immer wieder kam es nach dem versuchten Militärputsch Mitte Juli zu kleinen Auseinandersetzungen zwischen türkischen Nationalisten und linken kurdischen Gruppen. „Die Angst ist größer geworden“, erzählt Hamide Akbayir, die für Die Linke im Kölner Stadtrat sitzt. „Als Kurdin ist es nicht mehr so leicht für mich, in die Keupstraße zu gehen.“ Die Geschäfte und Restaurants dort sind das Zentrum der türkisch- und kurdischstämmigen Community in Köln.
Trotz dieser Sorgen und der Abwesenheit von Schatten ist die Stimmung in Deutz ausgelassen. Vor fünf Wochen wurde hier von AKP-Anhängern die Todesstrafe gefordert, heute wird Xelef getanzt. Sozan und ihre Freundin Rüken aus Wuppertal üben ein paar Tanzschritte. „Es ist traurig, dass das Fest verlegt wurde“, sagt Sozan, bevor Rüken sie wegzieht und die beiden sich dem nächsten Tanzzirkel anschließen.
„Wir hatten Angst“
Mehmet Ata aus Stuttgart zeigt weniger Feierlaune. Ursprünglich wollte er mit seiner siebenköpfigen Familie das Fest besuchen, jetzt sind sie nur zu viert nach Köln gefahren: „Wir hatten Angst.“ Ata lebt seit 1994 in Deutschland, mittlerweile ist er eingebürgert. „Mittlerweile schlafe ich nachts nicht mehr gut“, sagt er und erzählt von der türkischen Stadt Nuseybin, wo sein Vater und sein Onkel leben. Das Haus seines Onkels ist bei einem Bombenangriff der türkischen Armee zerstört worden. In Deutschland setzt er keine Hoffnung. „Merkel und Steinmeier sagen nichts“, meint er. „Meine deutschen Kollegen wissen zwar, was in den kurdischen Gebieten passiert, aber es interessiert sie nicht.“
Evin aus Münster ist dagegen kampflustiger. Sie trägt einen Overall, der der Uniform der kurdischen Guerilla YPG nachempfunden ist, aber Evin hat ihn bei H&M gekauft. „Erdoğan will die Kurden auslöschen“, sagt sie und holt ihre Freundin Şilan dazu, die gerade ihre Verwandten in Nuseybin besucht hat. „Zwei Drittel der Häuser dort sind zerstört“, sagt Şilan und erzählt von ihrer Tante, die von einer Miene getötet wurde, als sie Habseligkeiten aus ihrer zerstörten Wohnung holen wollte. Entmutigt hat die beiden das nicht. In ihrer Heimat Münster organisieren sie regelmäßig Demonstrationen, zu denen auch Deutsche kämen. „Nur die syrischen Kurden kommen dort nicht hin“, sagt Evin.
Auch auf der Bühne wird kämpferisch gesprochen. Um 16.30 Uhr tritt Selahattin Demirtaş von der links-kurdischen Partei HDP ans Mikrofon. Es bricht ein Jubelsturm los, bevor er auch nur ein einziges Wort gesprochen hat. „Die Geschichte werden die schreiben, die Widerstand leisten“, sagt er, bevor er sich bei den YPG-Kämpfern für ihren Einsatz gegen die „Barbaren“ des IS bedankt. Die AKP-Regierung beweise mit ihrer Offensive in Syrien dagegen, dass sie den IS unterstütze. Schließlich hat er noch eine Botschaft an die deutschen Politiker, die die Loyalität der hier lebenden Kurden in Frage stellen: „Der Kampf der Kurden gegen den IS ist ein Kampf für die Sicherheit des deutschen Volkes.“
Der Nachmittag endet, wie er begonnen hat – mit Tänzen in der Kölner Sonne.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!
Wirbel um KI von Apple
BBC kritisiert „Apple Intelligence“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund