Kunsttipps der Woche: Werk und Marke
Bei Heit beschäftigt sich eine aktuelle Gruppenschau mit dem Thema der Arbeit, RL16 eröffnet mit Alexander Lieck weitere Räume.
I st Kunst Arbeit? Wie viel Arbeit steckt in der Kunst? Und wie bemisst diese deren Wert? Egal, wie man es dreht oder wendet, das Verhältnis zwischen Kunst und Arbeit ist kompliziert – und macht unter Umständen selbst viel Arbeit. Auf sich genommen haben diese Paul Niedermayer und Michel Wagenschütz. Die von ihnen kuratierte Gruppenausstellung „Working Titel“ (nicht Working Title) läuft aktuell bei Heit.
Definitiv arbeitsaufwändig sind die von Hand gemeißelten Holzreliefs von Cornelia Herfurtner. Herfurtner teilt ihre Zeit in künstlerische und politische Arbeit auf – als Aktivistin ist sie in der Interventionistischen Linken organisiert und arbeitet im Bündnis Rheinmetall gegen Waffenproduktion und -Exporte von Deutschlands größten Rüstungskonzern – was freilich auch aufeinander einwirkt.
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Ihre aus Lindenholz geschnitzten Stillleben zeigen sogenannte Schutzwaffen, deren Mitführen bei „öffentlichen Versammlungen unter freiem Himmel“ nach §17a des Versammlungsgesetzes verboten ist.
Eigentlich harmlose Alltagsgegenstände fallen darunter, Folien, Luftmatratzen, Schutzbrillen, Dinge, die den eigenen Körper bei „Vollstreckungsmaßnahmen eines Trägers von Hoheitsbefugnissen“ schützen können. Herfurtner fertigt die Reliefs nach Bildern aus der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei an, in denen sich deren spezifischer Blick auf die Objekte widerspiegelt.
Heit, bis 19. November, Sa. 15–18 Uhr, Eichendorffstr. 5, www.heitberlin.de, Screening zur Ausstellung: 11. 11., 19 Uhr, Moviemento, Kottbusser Damm 22
RL16, bis 18. Dezember, Do.+Fr. 14–18 Uhr, Sa. 12–18 Uhr, Rosa-Luxemburg-Str. 17, rl16.de
Leonie Nagel spielt indes auf das mühsame Erklimmen der glitschigen Stufen der Karriereleiter an. Ganz aus Seife hat sie ihre „Slippery Stairs“ geformt. Von den Absurditäten künstlerischer Selbstvermarktung erzählt das Video „Fantasia“ von Leon Kahane (2015).
Es dokumentiert einen – unerfolgreichen – Pitch Kahanes in Russland: gestikulierende Hände, englisch-russische Gesprächsfetzen, im Hintergrund laufen auf dem Laptop Ausschnitte aus Disneys „Fantasia“. Hin und her verweisen die Assoziationen auch der andere Arbeiten, mit Carearbeit und Konsum befassen sie sich, mit Autor*innenschaft und eben dem Wert künstlerischer Arbeit.
Werte anderer Art, Zahlenwerte nämlich drängen sich in Alexander Liecks Einzelausstellung „Die langen Tage“ bei RL 16 in den Vordergrund. Sie stehen auf nummerierten Garderobenmarken aus Papier, die Lieck zu Elementen seiner Malerei werden lässt.
Ausgangspunkt waren dabei – so ist im Text zur Ausstellung nachzulesen – pinkfarbene Marken, die er im Kunstverein Hannover beim Abgeben seiner Jacke bekam, wo Lieck 2018 eine Einzelausstellung hatte. Das ist alles, was er an Lesarten anbietet.
Lieber lässt er Raum für eigene Deutungen oder auch Berechnungen. Und dafür, sich in die Irre führen zu lassen: „Wind Me Up“ lautet der Name einer kleinformatigen Serie entsprechend, für die er Markenpaare auf abstrakte Ölmalerei klebte. In jener wiederum, der er den Titel „Painting with Numbers“ gegeben hat, lässt Lieck die Marken wie Würfel auf die Leinwand fallen – so wie Duchamp es gute 100 Jahre früher mit Fäden vormachte.
Poesie oder bloßes Zufallsarrangement? Wohl eher beides. Neben jenen Arbeiten, die aus den „langen Tagen“ der Pandemiezeit stammen, sind auch einige ältere zu sehen und solche die er wieder zur Hand genommen hat. Vier schwarzweiße Fotografien von einer inzwischen verschwundenen Ecke am Bahnhof Zoo etwa, die den Aufgang zu einem Leihhaus samt Telefonnummern und eher verwirrenden Hinweispfeilen zeigen.
Genau hinschauen muss man, um die kleinen Unterschiede zwischen den Aufnahmen zu erkennen und sich umso mehr über das Motiv zu wundern. Liecks Ausstellung ist die erste in den großzügigen Räumen im zweiten Stock von RL 16. Unten im schmalen, von außen einsehbaren Ladenlokal läuft parallel Heike Bolligs „Die Dinge II“. Wie schon Ben Dabushs Ausstellung „Sky Longs to Meet Water Like Sand“ ist diese an Georges Perecs Roman „Die Dinge. Eine Geschichte der Sechziger Jahre“ angelehnt.
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