Kundgebungen am Antikriegstag: Unfrieden in der Friedensbewegung
Heute gibt es in Hamburg zwei Kundgebungen zum Antikriegstag. Die Friedensbewegung in der Stadt ist tief gespalten.
In Erinnerung an den Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen 1939 ist der heutige 1. September als „Antikriegstag“ ein wichtiges Datum für die deutsche Friedensbewegung. In Hamburg ist diese Bewegung jedoch tief gespalten. Traditionell wird der Antikriegstag hier vom „Hamburger Forum für Völkerverständigung und weltweite Abrüstung“ organisiert. Das Problem: In deren Reihen bewegen sich mehrere Personen, die im Querdenker-Milieu, in rechtspopulistischen Parteien wie „Die Basis“ oder in der Reichsbürger-Szene aktiv sind.
So beteiligt sich etwa Ilona Dittmar, stellvertretende Vorsitzende der rechten Partei „Deutsche Mitte“ und aktive Querdenkerin, seit Jahren an Veranstaltungen des Forums. Darüber hinaus gibt es zahlreiche personelle Verschränkungen zwischen Funktionären des Forums und den Organisatoren der Querdenken-Demos, die zu Coronazeiten regelmäßig vor der Hamburger Kunsthalle stattfanden.
Beim Antikriegstag am 1. September im vergangenen Jahr waren auch zahlreiche bekannte Personen aus diesem Milieu anwesend. Die Veranstaltung in Hamburg wurde zudem vom rechten Youtuber Eliyah Tabere gefilmt und genau das führte zum Eklat: Das Hamburger „Bündnis gegen Rechts“ richtete sich mit einem offenen Brief an das Hamburger Forum und forderte dieses auf, sich klar von Rechten zu distanzieren. Dort prallte die Kritik ab. In einem Rundbrief vom 14. Oktober 2022 schrieb der Vorsitzende des Hamburger Forums, Markus Gunkel, dass die Gefahr von rechts bei Nazis in der Ukraine liege und man sich gegen diese stellen müsse. Dafür brauche es eine „Volksfront aller Kräfte, die sich der neuen Kriegsgefahr entgegenstellen“.
Antikriegstag in Hamburg: Rechtes Milieu vertreten
Auf taz-Nachfrage wollte Gunkel jetzt nicht konkret auf die Vorwürfe eingehen. Zwar sagt er, dass das Hamburger Forum das Ziel verfolge, menschenverachtende Ideologien zurückzudrängen. Wie das jedoch in den eigenen Reihen passieren soll, bleibt unbeantwortet.
Seit dem vergangenen Jahr distanzierten sich zahlreiche Organisationen vom Hamburger Forum. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), die Linke und die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten (VVN-BdA) nahmen in diesem Jahr erstmals nicht am Ostermarsch des Forums teil. Am heutigen Antikriegstag veranstalten sie eine alternative Kundgebung. „Wir wollen nicht gemeinsam mit denen auf der Straße stehen, die kein Problem damit hatten und haben, mit Rechten aller Art gegen eine angebliche Coronadiktatur zu demonstrieren“, sagt Cornelia Kerth, die Bundesvorsitzende der VVN-BdA.
Das Hamburger Forum bezeichnet den russischen Angriffskrieg als „geopolitische Auseinandersetzung“ und entschuldigt den russischen Überfall als Reaktion auf die Nato-Osterweiterung.
Auf taz-Nachfrage, ob das Hamburger Forum anerkenne, dass der russische Angriff auf die Ukraine ein völkerrechtliches Verbrechen sei, antwortet Gunkel: „Es ist unredlich, das Völkerrecht immer nur dann zu beschwören, wenn es einem nützt.“ Stattdessen seien die Sanktionen des Westens völkerrechtswidrig.
Diese Entschuldigung des Angriffskrieges findet in dem Aufruf zur alternativen Veranstaltung von DGB & Co nicht statt. „Dass das Hamburger Forum den russischen Angriffskrieg zum Krieg der Nato gegen Russland umdefiniert, geht aus unserer Sicht gar nicht“, sagt Kerth. Auch hier heißt es jedoch: „Wir warnen eindringlich vor dem Irrglauben, immer mehr Waffen für die Ukraine würden zu einem schnelleren Ende des Krieges führen.“ Stattdessen werden primär Verhandlungen gefordert. Wie diese umgesetzt werden sollen, obwohl Russland nicht verhandeln will, wird nicht erläutert.
Hamburger Forum definiert Angriffskrieg um
„Ich fühle mich von beiden Veranstaltungen vor den Kopf gestoßen“, sagt dazu die ukrainische Aktivistin Kateryna Rumyantseva, die seit dem 24. Februar 2022 mit dem Verein „Feine Ukraine“ Demonstrationen der ukrainischen Diaspora in Hamburg organisiert. „Diese Menschen haben kein Interesse an unseren Perspektiven. Sie sprechen lieber über uns statt mit uns. Dabei sind doch wir Ukrainer*innen die Betroffenen dieses Krieges.“
Auch eine Vertreterin der ukrainischen Diaspora-Organisation „VilniDeUa“ erzählt, dass die Veranstaltungen sie wütend machen. Beim diesjährigen Ostermarsch habe sie deshalb einen Gegenprotest organisiert. „Unsere Gruppe wurde von Teilnehmenden des Ostermarschs beschimpft. Wir wurden Nazis genannt und sie haben uns Mittelfinger gezeigt“, erzählt sie. „Friedliche Menschen nennen andere doch nicht einfach Nazis und zeigen den Opfern eines Angriffskriegs keinen Mittelfinger.“
Praktische Solidarität
Sie wünscht sich mehr praktische Solidarität mit den Betroffenen von Kriegen. Mit der Organisation VilniDeUa veranstaltet sie dafür Aktionen und Kundgebungen zur Unterstützung der Ukraine und sammelt Spenden, um den Menschen vor Ort zu helfen.
Außerdem braucht es aus ihrer Perspektive ganz dringend weiterhin militärische Unterstützung für die Ukraine. „Natürlich wünsche ich mir auch, dass die Waffen schweigen. Aber diese Forderung muss man in Russland platzieren. Man kann Angegriffene nicht dazu auffordern, dass sie aufhören, sich zu verteidigen.“
So sieht es auch Kateryna Rumyantseva: „Echten Frieden in der Ukraine kann es nur geben, wenn russische Truppen abziehen und die Bevölkerung nicht mehr terrorisieren.“
Die Autorin kennt die beiden ukrainischen Aktivistinnen aus politischen Kontexten persönlich.
Die beiden Kundgebungen am 1. September in Hamburg: DGB-Gewerkschaftshaus, „Die Welt braucht Frieden“, 15 Uhr, Besenbinderhof 60 und Hamburger Forum „Nieder mit den Waffen!“, 15.30 Uhr, Hachmannplatz
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