Kulturpolitik im Ukraine-Krieg: Theater nicht mehr auf Russisch
Der Kyjiwer Stadtrat verbietet russische Kulturveranstaltungen. Die Entscheidung polarisiert in der Ukraine.
Man müsse russischsprachige Kulturprodukte auf dem Territorium der ukrainischen Hauptstadt ein für alle Mal begrenzen, zitiert das Nachrichtenportal nv.ua den Politiker. Nun gehe es darum, so Vasilchuk, die Vorführung russischsprachiger Werke im Bereich der Kultur zu verbieten.
In dem Entscheid ist die Rede von Büchern, Kunstalben, audiovisuellen Werken, musikalischen Tonaufnahmen, Produkten des Kunsthandwerks, Theater- und Zirkusaufführungen, Konzerten sowie kulturellen und pädagogischen Dienstleistungen. „Russisch ist die Sprache des Aggressorlandes und hat keinen Platz im Herzen unserer Hauptstadt“, so der Abgeordnete des Stadtrates.
Bereits im November 2022 hatte der Kyjiwer Stadtrat den Unterricht in russischer Sprache vollständig aus den Lehrplänen der städtischen Einrichtungen für die Vorschulen und allgemeinbildenden Schulen genommen.
Auch wenn er das Verbot des Kyjiwer Stadtrates von russischer Musik im öffentlichen Raum unterstützt, wehrt sich der Schriftsteller und Drehbuchschreiber Andrej Kokotjucha auf nv.ua gegen ein übertriebenes Vorgehen gegen alles Russische. Man brauche nur über den Büchermarkt unweit der U-Bahn-Station Potschajna zu gehen, so Kokotjucha, um zu sehen, wie derzeit noch zahlreiche in Moskau und Leningrad gedruckte Werke öffentlich zum Verkauf angeboten werden.
Keine ukrainische Übersetzung
Auf diesem Büchermarkt finde man ins Russische übersetzte Bücher, für die es keine ukrainische Übersetzung gibt. „Ich weiß nicht, wer heutzutage noch Maurice Druons historische Romane, Sidney Sheldons Detektivgeschichten, Frederick Forsyth’ Spionageromane oder Danielle Steels Melodramen braucht.“ Aber eines sei klar, so Kokotjucha: Übersetzungen dieser Bücher in der russischen Fassung seien keine Bedrohung für den ukrainischen Staat.
Inzwischen polarisiert die Russisch-Frage auch im Alltag zunehmend. Anfang des Monats war eine Frau eines Cafés verwiesen worden, weil sie das Singen von Liedern des russischen Sängers Grigorij Leps kritisiert hatte. Und ebenfalls Anfang des Monats wurde eine Frau im Gebiet Kyjiw von Männern tätlich angegriffen, weil sie diesen das laute Abspielen russischer Musik zum Vorwurf gemacht hatte.
Während man im ukrainischen Fernsehen keine russischsprachigen Inhalte mehr hat, stellen die führenden ukrainischen Internetportale wie NV, Gordonua.com. Delo.ua und 24tv.ua ihre Inhalte weiterhin in ukrainischer und russischer Sprache ins Netz. Es gibt eine Nachfrage nach russischen Inhalten. Gleichzeitig wollen die ukrainischen Medien mit ihren russischsprachigen Inhalten aber auch LeserInnen aus dem gesamten postsowjetischen Raum ansprechen. Wirksam ist die Entscheidung des Kyjiwer Stadtrates nur in Kyjiw.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Streit um Russland in der AfD
Chrupalla hat Ärger wegen Anti-Nato-Aussagen
EU-Gipfel zur Ukraine-Frage
Am Horizont droht Trump – und die EU ist leider planlos