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Kultur und KampfWenn der Kare deine Sandburg kaputtmacht

Das kann der Kare, weil er stärker ist und einen reichen Papa hat. Das ist Kulturkampf. Den man aber nur so nennt, wenn man damit Politik machen will.

Einen Kulturkampf nennt man bloß Kulturkampf, wenn man damit Politik machen will. Also den anderen ihre Sandburgen kaputt machen will Foto: serienlicht/imago

A lso, wenn Sie mich fragen täten, dann ist es mit der Kultur so, dass erst einmal jeder Mensch eine Kultur hat. Ganz egal, ob es ein Menschenfresser ist oder ein Atomphysiker oder ein Atomphysiker, der vor lauter Atom wieder ein Menschenfresser geworden ist. Dass einer eine Kultur hat, das gehört halt zur Natur des Menschen. Weil, man kann ja nicht immer nur arbeiten und essen und schlafen und alles.

Aber auf der anderen Seite ist Kultur auch eine Sache, die man anderen wegnehmen oder kaputtmachen kann. Das kennt man schon aus dem Sandkasten. Da baut man eine tolle Burg, und dann kommt der Kare und macht sie einem kaputt. Weil, der Kare ist stärker und außerdem hat er einen Vater, der wo einen Mercedes SUV fährt und wichtige Freunde im Stadtrat hat. Dagegen kommt man nicht an.

Kultur muss man nicht nur wollen, sondern man muss sie auch wollen können. Und zwischen dem Müssen, dem Wollen, dem Können und dem Dürfen – ach, das ist ein ganz schönes Durcheinander. Also ist Kultur ein Aushalten von Durchein­ander, und das ist natürlich überall auch wieder anders. Und dann kommt der Kare und sagt: Pass auf, wenn du mir deine Pokemonsticker gibst, dann mach ich deine Sandburg nicht mehr kaputt. Und jetzt glaubt man, dass man seine Ruhe hat, und da baut man eine Sandburg, die noch schöner und raffinierter ist als alle zuvor. Und da kommt der Kare wieder daher und sagt, dass er jetzt die Burg doch wieder kaputt machen tät’, wenn er nicht noch mehr Pokemonsticker kriegt. Und wenn die Burg nicht mehr so raffiniert wär’, dass er nicht weiß, wie es geht. Aber weil du gar keine Pokemonsticker mehr hast, musst du dein Taschengeld hergeben.

Wenn das so weiter geht, macht das Sandburgenbauen gar keinen Spaß mehr. Weil so viel Taschengeld, wie der Kare von dir haben will, kriegst du dein Leben gar nicht. Und außerdem kannst du sowieso machen, was du willst – am Ende macht der Kare deine Kultur sowieso kaputt. Dann malt man halt ein Bild in den Sand, das geht schneller, Aber da sagt der Kare, dass Bilder in den Sand machen, schwul ist. Und Schwule, hat sein Papa gesagt, gehören nicht auf einen Spielplatz. So hat man überhaupt keine Kultur mehr machen können im Sandkasten. Da sollte man so einen doch verjagen, sagt der Kare, weil es nicht gesund ist. Und überhaupt ist sein Papa auch im Bezirksausschuss und alles. Und wo ich überhaupt herkommen täte. Und wenn man dann lieber heimgeht, dann weiß man, was das ist, ein Kulturkampf.

Wenn der Rundfunk sagt, wir machen keine Kultur mehr, wir schauen, dass wir so blöd sind wie die Mehrheit, ist es vorbei

Und so geht das dann im Leben weiter. Ein jeder Mensch hätte schon seine Kultur, bloß dass ihn andere nicht lassen. Nur dass es jetzt eben politisch ist. Der Kare hat früher die Sandburgen kaputt gemacht – jetzt ist er in der CSU. Oder in der AfD. Bei der Kultur gibt’s da sowieso keinen großen Unterschied. Und jetzt macht er halt Kultur und Politik.

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Kultur und Politik – wie erklär’ ich das jetzt? Also es ist ja so: Wenn Sie tausend Kinder verhungern lassen, oder sie an einer Grenze umbringen, weil das illegale Einwanderer sind, oder wenn sie ihnen einfach keine Medizin und keine Schulen geben, dann ist das Politik, und das muss halt so sein. Wenn jetzt aber eine Frau gar nicht will, dass ein Kind überhaupt geboren wird, dann ist das Kultur, und das geht gar nicht. Weil Kultur, das sind wir, und Politik, das ist das, was man gegen die anderen macht.

Und wenn jetzt ein Flüchtling kommt …

Und wenn jetzt ein Flüchtling kommt und sagt: Grüß Gott, ich tät’ gern bei euch wohnen und arbeiten und alles, dann ist es Politik, dass man den davon jagt. Weil erstens Sozialsystemdings und zweitens kommen sonst die Nazis. Aber die kommen sowieso, also egal. Aber da sagt man, nein, das ist Kultur, wegen der Kopftücher und Deutsch-sprechen und Messer und Leitkultur und alles. Kultur ist einfach besser als Politik. Weil, mit Kultur kannst du eine Drecksau sein, das macht dann nichts. Da kann ich dann Sandburgen bauen, bis werweißwann, und die macht man kaputt, weil es halt keine Leitkultur nicht ist.

Oder anderes Beispiel. Was jetzt der Kare ist, mit der Wirtschaft und der Partei und seinem Geld und alles, das ist Politik, weil sonst geht es ja mit Deutschland bergab. Aber wenn Sie jetzt hergehen und schreiben da so ein Theaterstück oder einen Roman oder was da drüber, dann ist das Nestbeschmutzung und ganz schlechte Kultur und muss verboten werden. Weil, das will das deutsche Volk nicht. Und was das Volk will oder nicht, das weiß der Kare ganz genau. Und er weiß auch genau, warum er einen Kulturkampf macht, das hat er schon als Kind gewusst. Und als Kind hat er auch schon gewusst, dass er nachher von nichts was gewusst haben wird. Weil, für die einen ist Kultur das, was man wissen kann, und für die anderen das, wie man was vergessen kann.

Kultur haben ist deswegen erst einmal gefährlich. Eine Sandburg kannst du ja vielleicht woanders noch einmal bauen, aber wenn sie dir erst einmal ein Theater zugemacht haben oder wenn, nur zum Beispiel, der Rundfunk sagt, jetzt machen wir keine Kultur mehr, sondern wir schauen, dass wir so blöd sind wie halt die, die wo jetzt die Mehrheit sind, dann ist es vorbei. Und da kannst du nur einen Menschenfresser beneiden, weil sie dem seine Kultur nicht so leicht kaputtkriegen wie bei uns. Wenn ich nochmal auf die Welt kommen tät’, das sag ich Ihnen, dann wär’ ich ein Menschenfresser. Oder ein Atomphysiker. Aber das ist ja vielleicht dasselbe.

Wenn du deine Kultur machen willst, ganz Wurst, wie die ausschaut, dann musst du darum kämpfen. Oder du musst besonders schlau sein, damit es die anderen gar nicht so merken. Jedenfalls gibt es gar keine Kultur ohne einen Kulturkampf. Bloß nennt man das halt nicht immer so. Einen Kulturkampf nennt man bloß Kulturkampf, wenn man damit Politik machen will. Also den anderen ihre Sandburgen kaputt. Und alles.

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4 Kommentare

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    Erst mal ist der Text schwer zu verstehen, aber wenn ich ihn auseinanderpflücke, geht es vielleicht einfacher:



    Welcher Roman, welches Theaterstück wird vom Kare, sprich vom Staat verboten? Extrem pornografische oder gewaltverherrlichenden Werke, ebenso Naziliteratur. Aber welche Kunst? Bitte ein konkretes Beispiel, Herr Seeßlen.



    Ws Theaterschießungen angeht, die können bitter sein. Aber bleiben wir beim Vergleich mit den Sandburgen, die der Kare dem Georg immer kaputtmacht. Nicht der Georg hat das Theater gebaut und finanziert den Betrieb, sondern der Kare. Und der stellt jetzt den Betrieb ein, bzw. im Vergleich: der Kare macht die eigene Sandburg, die er gebaut hat, kaputt. Und zwar deswegen, weil er von seinem Vater (dem Steuerzahler) und seiner Mutter (der Steuerzahlerin) nicht genug Taschengeld bekommt um alles zu bezahlen. Aber die Eltern haben eben auch nicht (mehr) so viel Geld, der Mercedes ist auch kaputt und muss repariert werden. Und die Pokemonsticker hat der Kare auch schon verkauft...

  • Es ist schon eine LeiDkultur mit den Kares dieser Welt.



    @Tom hat da die eine und andere Lösung - keine zur Hand

  • Nicht jeder, der sich in Münchner Straßensprache versucht, ist dann auch Valentin oder Polt. Pardon.

    Kulturkampf war der üble Versuch, Katholikens damals so auszugrenzen wie Muslime heute, mit allen Spätfolgen wie katholischen Burschenschaften, Zentrumspartei und Versäulung. Der Begriff selbst eine seltsame Kampfprägung.

    Heute wäre eine einschließende Kultur sinnvoll. und der Kampf sollte eher der gegen die Wenigen mit dem vielen Kapital sein. Auch von dem sollen diverse Lifestyle-Konflikte ja ablenken.

  • Was meinen Sie, werter Georg Seeßlen, ob Anne Rabe ihre Ausführungen liest und wenn ja, ob sie diese verstehen kann, wenn sie dermaßen schlicht gehalten sind?

    Nein, das größte Problem ist keineswegs, dass die Moral (meinetwegen auch die Kultur, die auf ihr basiert) verdrängt wird hierzulande. Das größte Problem ist, dass sie sich missbrauchen lassen muss. Weil sie sich nicht dagegen wehren kann und niemand sie verteidigen mag. („Selbst Schuld!“, heißt es nur lapidar.)

    Sie wird privatisiert, die westliche Moral. Wie Kliniken, Altenheime, Post, Bahn und überhaupt alles, was sich profitabel ruinieren lässt. Statt dem Gemeinwohl zu dienen, muss sie Einzelinteressen zum Durchbruch verhelfen. Globalkapitalismus halt.

    Allen Sonntagsreden zum Trotz, ist die westliche Moral kein bisschen universell. Sie ist immer das, was die Mächtigen darunter verstehen. Man könnte sie also auch Ideologie nennen.

    Was eben noch moralisch war, kann urplötzlich unmoralisch sein. Und umgekehrt. Die Überlegenheit des Menschen ist nämlich zugleich die Überlegenheit seiner Moral.

    Und wehe, jemand behauptet etwas anderes! Der kann sein blaues Wunder erleben. Natürlich nur aus rein moralischen Gründen heraus…